Urteil des BPatG vom 20.06.2001
BPatG: beschreibende angabe, telekommunikation, unterscheidungskraft, wortmarke, fernsehen, vermietung, funk, verarbeitung, aufzeichnung, computer
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 10/00
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
20. Juni 2001
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 399 28 316.1
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
Grund der mündlichen Verhandlung vom 20.
Juni
2001 durch den Richter
Baumgärtner als Vorsitzenden, die Richterin Pagenberg und den Richter Guth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154
6.70
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G r ü n d e
I
Die Wortmarke
"PlauderLine"
soll für die Waren und Dienstleistungen
"elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder
Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthal-
ten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und
Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Daten-
aufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für
geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte
Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (aus-
genommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für
die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschluss vom 28. Oktober 1999 teilweise zurückgewiesen, näm-
lich für die Waren und Dienstleistungen:
"elektrische, elektronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder
Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthal-
ten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und
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Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Daten-
aufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder ge-
prägte Karten aus Karton oder Plastik;
Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für
die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen".
Der angemeldeten Marke fehle für die zurückgewiesenen Waren und Dienstlei-
stungen jegliche Unterscheidungskraft. Die angemeldete Kennzeichnung wirke
lediglich als beschreibende Angabe. Die Wortkombination setze sich zusammen
aus dem Zeichenteil "plauder" (Wortelement für "zwangloses Erzählen, unge-
zwungene Unterhaltung") und aus dem englischen Wort für "Netzverbindung, Te-
lefonverbindung", das auch dem inländischen Verkehrs aus eingedeutschten
Wörtern wie "Hotline, online" bekannt sei. In seiner Gesamtheit wirke die ange-
meldete Wortzusammensetzung als sprachüblich gebildeter Hinweis darauf, dass
mittels der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ein entspanntes
Gespräch, ein Plaudern mit einer anderen Person ermöglicht werde. Damit stehe
die angemeldete Bezeichnung in einem unmittelbaren Bezug zu den zurückgewie-
senen Waren und Dienstleistungen, die entweder dem Unterhalten dienten oder
deren Gegenstand eine "PlauderLine" sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die angemeldete Wort-
marke sei unterscheidungskräftig, weil es keine konkreten Anhaltspunkte für die
Schutzunfähigkeit in Bezug auf die konkret angemeldeten Waren und Dienstlei-
stungen gebe. Nach Rechtsprechung und Lehre sei es kaum noch möglich, Wort-
marken wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückzuweisen. Der vorliegenden
Kennzeichnung könne weder ein im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt zugeordnet werden noch handele es sich um einen gebräuchlichen
Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache. Es bestehe kein
direkter oder übertragener Zusammenhang zwischen der angemeldeten Wort-
kombination und den angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Es handele sich
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um die Kombination eines deutschsprachigen mit einem englischsprachigen Aus-
druck, die schon wegen der vielfältigen Deutungsmöglichkeiten von "Line" unklar
sei. Auch ein Freihaltungsbedürfnis sei nicht gegeben, weil die nicht nachweisbare
angemeldete Wortzusammenstellung keinen hinreichend klaren und konkreten
beschreibenden Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen auf-
weise.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und auf den
Inhalt der Akten, insbesondere auf das Ergebnis einer Internet-Recherche des
Senats, Bezug genommen.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angemeldete Marke
ist für die verfahrensgegenständlichen beanspruchten Waren und Dienstleistun-
gen von der Eintragung ausgeschlossen, weil der Marke für diese Waren und
Dienstleistungen jedenfalls die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2
Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Zwar setzt sich die angemeldete Wort Kombination aus dem deutschen
Wortelement "Plauder" (abgeleitet von "plaudern" = sich gemütlich und zwang-
los unterhalten, vgl. Duden, Deutsches Universal Wörterbuch A-Z, 3. Aufl.) und
einem ursprünglich englischen Wortelement zusammen. Jedoch wirkt diese
Wortzusammensetzung nicht sprachlich unüblich, weil "Line" weitgehend in die
deutsche Sprache übernommen worden ist und in der Werbesprache
- insbesondere auf dem Gebiet der Telekommunikation und Elektronik - zum
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Teil auch Kombinationen mit englischen Fachwörtern üblich sind (z. B. chatten,
online gehen, Onlinedienst usw.) Da “Line“ in der Bedeutung "Leitung, An-
schluss" in vielen Ausdrücken, die auch in die deutsche Sprache übernommen
worden sind (online, Hotline), vorkommt, wird der Verkehr die angemeldete
Wortkombination ohne weiteres als Bezeichnung für eine Leitung, einen An-
schluss oder eine Einrichtung halten, die ungezwungene, eher belanglose Ge-
spräche ermöglicht, und die entsprechend existierenden zusammengesetzten
Begriffen wie "Plauderstunde, Plaudertasche, Plauderton" gebildet ist, auffas-
sen. Es handelt sich offensichtlich um die wörtliche Übersetzung des gebräuch-
lichen englischen Begriffs "Chatline", der einen Telefonanschluss oder Internet-
seiten bzw Internetadressen bezeichnet, über die ein Plaudern (auch im über-
tragenen Sinn per Tastatur in so genannten "Chatrooms") über bestimmte
Themen möglich ist. Eine solche wörtliche Übersetzung wirkt auch nicht im von
englischen Ausdrücken dominierten Gebiet der Telekommunikation und Elek-
tronik unüblich, weil in Verbindung mit "chatten" von "Plauderecken" oder
"Plauderplattformen" gesprochen wird (vgl. Loskant, Das neue Trendwörter Le-
xikon, Bertelsmann, Stichwörter "chatten ..." und "Plauder-Plattform"). Die Ver-
wendung des angemeldeten Begriffs ist im Internet auch tatsächlich nachweis-
bar. Einmal ist er Bestandteil einer Internetadresse, die zu Internetseiten führt,
auf denen man zu bestimmten Ereignissen oder Themen Gedanken austau-
schen kann (http://www.sigsagsug.ch/plauderline2/default .htm). Jedoch ist hier
der Gebrauch nicht ganz klar als beschreibend erkennbar. In einem Zeitungsar-
tikel allerdings wird der Begriff rein beschreibend für eine Telefonverbindung
verwendet, über die man belanglose Gespräche führen oder auch nur zuhören
kann (Neues Bülacher Tagblatt v. 21. September 2000, Artikel "Fernmeldespe-
zialist linkte die Swisscom").
In Verbindung mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistun-
gen bezeichnet die angemeldete Wortkombination deshalb lediglich die Be-
schaffenheit oder den Gegenstand.
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2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die angemeldete Wortzusammensetzung kon-
kret beschreibende Zusammenhänge in Bezug auf alle verfahrensgegenständli-
chen Waren und Dienstleistungen aufweist, für die zum Teil die Eignung oder
Bestimmung zur Erstellung oder zum Betrieb einer "PlauderLine" keine spezifi-
sche Eigenschaft, sondern eine Verwendungsmöglichkeit unter vielen sein mag.
Auch wenn man daran zweifeln kann, ob noch eine unmittelbare Beschreibung
für diese beanspruchten Waren und Dienstleistungen, etwa "elektrische, elek-
tronische, optische, Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -in-
strumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertra-
gung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Datenverarbei-
tungsgeräte und Computer; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die
Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen" vorliegt, und inso-
fern ein ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis jedenfalls zweifelhaft ist, braucht
diese Frage hier nicht erörtert zu werden.
3. Der angemeldeten Marke fehlt jedenfalls für sämtliche zurückgewiesenen und
noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen des Verzeich-
nisses der Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Kann einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden
Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst um einen ver-
ständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, der
vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der
Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
wird, so fehlt ihm die Unterscheidungskraft (vgl. BGH WRP 1999, 1169, 1171
"FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"; WRP 2000, 741 "LOGO"; BGH
WRP 2001, 35 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"). Dies ist hier der
Fall. Die angemeldete Wortzusammensetzung eignet sich als Hinweis auf die
Beschaffenheit oder Bestimmung der verfahrensgegenständlichen Waren und
Dienstleistungen. Die angemeldete Marke nimmt damit auf eine konkrete vor-
teilhafte Eigenschaft aller zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen der
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angemeldeten Marke in werbeüblicher, leicht verständlicher Form Bezug und
wirkt wegen dieses im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalts
für sämtliche dieser beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Sach-
hinweis, nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb. Dies gilt
auch für die Waren und Dienstleistungen, die nicht unmittelbar und konkret be-
schrieben werden, weil zu diesen Waren und Dienstleistungen jedenfalls ein
enger sachlicher Bezug besteht. So gehört das Erstellen, Betreiben, Über-
wachen, Abrufen und Unterhalten von Kommunikationsverbindungen zu den ty-
pischen Verwendungszwecken elektronischer Geräte und Einrichtungen.
Ebenso sind die angemeldeten Dienstleistungen sämtlich für das Erstellen und
Betreiben oder das In-Anspruch-Nehmen einer Kommunikationsverbindung
unerlässlich.
4. Diesem Ergebnis kann nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und
der Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt ent-
gegengehalten werden. Zum einen handelt es sich bei der Marke - anders als
bei den zitierten Entscheidungen - um eine für die entscheidungserheblichen
Waren und Dienstleistungen klare, unmissverständliche Sachangabe, die keine
noch so geringe Unterscheidungskraft besitzt. Solche Marken aber sind auch
nach Auffassung des Bundesgerichtshofs und des HABM schutzunfähig, wie
etwa auch die Gemeinschaftsmarkenanmeldung "DIRECT LINE" (vgl. HABM
R0544/99-3, veröffentlicht auf PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen, Version
5.3). Zweitens ist die Frage der Schutzfähigkeit nicht anhand von Entscheidun-
gen über Drittzeichen, sondern jeweils im Einzelfall zu beurteilen (vgl. zur Pro-
blematik von Paralleleintragungen BGH GRUR 1989, 420, 421 "KSÜD"; BlPMZ
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1998, 248 "Today"; Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 8
Rn. 84 ff. mwN).
Baumgärtner Pagenberg
Guth
Cl