Urteil des BPatG vom 21.12.2003
BPatG (benutzung, marke, bundesrepublik deutschland, beschwerde, sache, umfang, unterlagen, glaubhaftmachung, verwechslungsgefahr, patent)
BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 214/02
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
- 2 -
betreffend die angegriffene IR-Marke 712 453
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 21. Dezember 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann, der Richterin Winter und des Richters Schramm
beschlossen:
Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird der Beschluß
der Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 7. August 2002 aufgehoben.
Der Widerspruch aus der Marke 1 144 072 wird zurückgewiesen.
Der Widersprechende trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I.
COCKPIT
9:
„Logiciels pour l’industrie de la blanchisserie et l’industrie
textile“.
Für diese Marke ist die Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland be-
antragt worden. Die Marke wurde am 8. Juli 1999 in MINT veröffentlicht.
- 3 -
Widerspruch erhoben worden ist am 11. September 1999 aus der seit dem
2. August 1989 für „Bekleidungsstücke, nämlich Damen- und Herren-Oberbeklei-
cockpit
Deren Benutzung ist bereits im Verfahren vor dem Patentamt bestritten worden.
Der Widersprechende hat im Schriftsatz vom 7. Dezember 2000 Ausführungen zur
Benutzung der Widerspruchsmarke gemacht und Unterlagen dazu vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat
durch Beschluß vom 7. August 2002 wegen des Widerspruchs aus der Marke
1 144 072 der IR-Marke den nachgesuchten Schutz wegen bestehender Ver-
wechslungsgefahr verweigert. Zur Nichtbenutzungseinrede hat sich die Marken-
stelle nicht geäußert. Der Schriftsatz des Widersprechenden vom 7. Dezem-
ber
2000 nebst Anlagen wurde der IR-Markeninhaberin zugleich mit dem
Beschluß der Markenstelle vom 7. August 2002 zugestellt.
Die IR-Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Sie rügt insbesondere die Ver-
sagung rechtlichen Gehörs sowie die Übergehung der Nichtbenutzungseinrede
durch das Patentamt. Sie meint weiter, dass die Benutzung nicht nachgewiesen
sei und selbst bei Berücksichtigung der Waren nach der Registerlage keine Wa-
renähnlichkeit bestehe.
Die IR-Markeninhaberin beantragt,
den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch
kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
- 4 -
Eine Äußerung des Widersprechenden zur Sache ist im Beschwerdeverfahren
nicht zur Akte gelangt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den angefochtenen
Beschluß sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache schon deshalb Erfolg, weil der Wider-
sprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht gem
§ 43 Abs 1 iVm § 26 MarkenG glaubhaft gemacht hat, obwohl die IR-Markeninha-
berin die nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG kumulativ mögliche Einrede
mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke bereits im Verfahren vor dem
Patentamt zulässig erhoben hat (vgl hierzu BGH GRUR
1998, 938, 939
- DRAGON; Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 43 Rdn 6, 32).
Mit der zulässigen Erhebung der Nichtbenutzungseinrede und deren Aufrechter-
haltung entstand für den Widersprechenden die Obliegenheit, die rechtserhaltende
Benutzung der Widerspruchsmarke für eingetragene Waren für den Zeitraum von
Juli 1994 bis Juli 1999 und für den Zeitraum der letzten fünf Jahre vor Zugang die-
ser Entscheidung bei den Verfahrensbeteiligten, also von 1998 bis 2003 glaubhaft
zu machen. Glaubhaft zu machen ist dabei die Verwendung der Marke für die
maßbeblichen Waren nach Art, Zeit, Ort und Umfang. Aus den vorgelegten Un-
terlagen muß sich eindeutig ergeben, in welcher Form, in welchem Zeitraum, in
welchem Gebiet und in welchem Umfang die Benutzung erfolgt ist. Diese Erfor-
dernisse müssen insgesamt erfüllt sein. Fehlen zB Angaben über Zeit bzw einen
Zeitraum oder Umfang der Benutzung, liegt keine ausreichende Glaubhaftma-
chung vor (Ströbele/Hacker aaO § 43 Rdn 32 mwN; § 26 Rdn 74; 195).
Ob der Widersprechende mit den im patentamtlichen Verfahren eingereichten
Schriftsatz vom 7. Dezember 2000 nebst Anlagen eine Benutzung für den Zeit-
- 5 -
raum Juli 1994 bis Juli 1999 hinreichend glaubhaft gemacht hat, braucht an dieser
Stelle nicht entschieden zu werden. Denn der Widersprechende hat auf die auch
nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede
nichts unternommen, um eine Benutzung für den weiteren Zeitraum von 1998 bis
2003 darzutun und glaubhaft zu machen; die ursprünglich im Verfahren vor dem
Patentamt bereits eingereichten Unterlagen enthalten hierzu keinerlei tatsächliche
Angaben und ermöglichen damit auch nicht die Feststellung der Benutzung ge-
mäß §§ 43 Abs 1 Satz 2, 26 MarkenG für diesen Zeitaum. Umsätze sind nur für
den Zeitraum von 1991 - 1995 angegeben und überdies nicht glaubhaft gemacht.
Mangels berücksichtigungsfähiger Waren (vgl §§ 43 Abs 1 Satz 3, 43 Abs 2 Satz 2
MarkenG) ist der Widerspruch zurückzuweisen.
Der im Rahmen des Benutzungszwangs herrschende Beibringungs- und Ver-
handlungsgrundsatz gibt keine Veranlassung zu gerichtlichen Aufklärungshinwei-
sen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 43 Rdn 71 mwN; BPatG GRUR 2000, 900, 902
- Neuro-Vibolex).
Bei dieser Sachlage entspricht es der Billigkeit, dem Widersprechenden gem § 71
Abs 1 Satz 1 MarkenG die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Der
Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren keinen Versuch unternommen, die
von der IR-Markeninhaberin weiterhin bestrittene Benutzung glaubhaft zu machen.
Dabei hat der Widersprechende den entsprechenden Schriftsatz der Markeninha-
berin vom 5. November 2002 erhalten. Damit war für den Widersprechenden von
vornherein erkennbar, daß eine Durchführung des Beschwerdeverfahrens für ihn
nur dann Aussicht auf Erfolg haben könnte, wenn er die rechtserhaltende Benut-
zung der Widerspruchsmarke auch für den Zeitraum gemäß §§ 43 Abs 1 Satz 2
MarkenG glaubhaft machen würde. Indem er zu diesem Punkt nichts vorgetragen
hat, hat der Widersprechende das Beschwerdeverfahren in einer Weise betrieben,
die keine Erfolgsaussicht hatte (Ströbele/Hacker, aaO § 71 Rdn 34 mwN).
- 6 -
Die Anordnung, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, beruht auf §
71
Abs 3 MarkenG. Die Gebührenrückzahlung kann aus Billigkeitsgründen erfolgen,
dh in Fällen, in denen es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Be-
schwerdegebühr einzubehalten. Derartige Billigkeitsgründe können sich insbeson-
dere aus materiell-rechtlichen Fehlern, Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen
die Verfahrensökonomie ergeben, wenn zwischen dem jeweiligen Fehlverhalten
und der Notwendigkeit einer Beschwerdeeinlegung Kausalität besteht (vgl Strö-
bele/Hacker aaO § 71 Rdn 59 ff mwN). Bei materiell-rechtlichen Fehlern genügt
zwar regelmäßig nicht allein der Umstand, daß der Beschwerdesenat der rechtli-
chen Bewertung der Markenstelle nicht folgt. Die Voraussetzungen für die Rück-
zahlung der Beschwerdegebühr sind aber jedenfalls dann gegeben, wenn die an-
gefochtene Entscheidung in ihrer Begründung und ihrem Ergebnis schlechterdings
unvertretbar ist. Diese besonderen Voraussetzungen sind hier gegeben. Die
Schutzverweigerung wird - wie aus den Gründen des Beschlusses zu ersehen ist -
auf das Bestehen der Verwechslungsgefahr gestützt, ohne sich überhaupt mit der
Nichtbenutzungseinrede auseinanderzusetzen, ganz abgesehen davon, daß die
Ausführungen des Widersprechenden zur Benutzung (Schriftsatz vom
7. Dezember 2000 nebst Anlagen) der IR-Markeninhaberin vor der Entscheidung
nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, obgleich die Markeninhaberin in ihrem
Schriftsatz vom 20. April 2001 ausdrücklich darauf Bezug genommen hatte, daß
zur Benutzung nichts vorgetragen sei und ferner deswegen beantragt hat, dem
Widersprechenden die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen. Inso-
weit ist das Verhalten der Markenstelle auch als ursächlich für die Einlegung der
Beschwerde anzusehen. Unabhängig von näheren Einzelheiten zu den Angaben
des Widersprechenden hätte jedenfalls bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung
und Berücksichtigung der Nichtbenutzungseinrede schon die fehlende Glaubhaft-
machung der Angaben zur Zurückweisung des Widerspruchs führen müssen.
Der Senat hat von einer Aufhebung ohne Sachentscheidung nach § 70 Abs 3 Nr 2
- 7 -
MarkenG abgesehen und in der Sache selbst entschieden. Hierfür war insbeson-
dere maßgebend, daß die Sache entscheidungsreif ist.
Dr. Buchetmann
Winter
Schramm
Cl