Urteil des BPatG vom 21.08.2003
BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, verkehr, verbraucher, kennzeichnung, markenregister, begriff, mitbewerber, verfügung, produkt
BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 53/04
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 303 22 029.5
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 22. Dezember 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Stoppel, des Richters Paetzold und der Richterin Schwarz-Angele
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klas-
se 7 des Deutschen Patent und Markenamts vom 21. August 2003
aufgehoben.
Die Beschwerdegebühr wird zurückerstattet.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist das Wort
Flexo
als Kennzeichnung für die Waren:
Klasse 3
Polier- und Schleifmittel; Schleifpapiere, Schleifblätter, Schleif-
scheiben; Teile und Bestandteile vorgenannter Waren, soweit in
Klasse 3 enthalten.
Klasse 7
Maschinen und maschinelle Geräte für die Bearbeitung von
Werkstücken und Werkstoffen; Werkzeugmaschinen;
maschinelle Werkzeuge für vorgenannte Maschinen und Geräte,
insbesondere Polier- und Schleifwerkzeuge, Schleif- und
Polierkörper, Schleif- und Polierscheiben, Schleif- und
Polierringe, Schleif- und Poliersegmente; Halter für vorgenannte
- 3 -
Geräte; Schleif- und Polierteller; Teile und Bestandteile der
vorgenannten Waren, soweit in Klasse 7 enthalten.
Die Markenstelle für Klasse 7 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterschei-
dungskraft und dem Bestehen eines Freihaltebedürfnisses mit der Begründung zu-
rückgewesen, die Marke werde von den Herstellern als beschreibende Angabe im
Sinn von „flexibel“ verwendet und von den beteiligten Verkehrskreisen auch so
verstanden. Damit sei das Wort als Produktidentifikation ungeeignet.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren
auf Eintragung weiter. Eine sachliche Begründung hat sie nicht abgegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 165 Abs 4 MarkenG) ist begründet. Der begehrten
Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis der feh-
lenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG), noch das des Freihaltebe-
dürfnisses (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) entgegen.
Es steht nicht mit der für die Versagung einer Eintragung notwendigen Sicherheit
fest, dass das Wort "Flexo" einen derart eindeutig beschreibenden Begriffsinhalt
hat, dass der angesprochene Verkehr – Fachverkehr und fach-interessierter End-
verbraucher – es allein in diesem Sinn und nicht als Marke auffassen wird. Wegen
des Anspruchs auf Eintragung gemäß § 33 Abs 2 S 2 MarkenG sind Zweifel an
der Eintragungsfähigkeit letztlich zugunsten der angemeldeten Marke zu werten.
Die Marke ist unterscheidungskräftig (§ 8 Abs 2 Nr. 1 MarkenG).
- 4 -
Die von der Markenstelle angeführten Verwendungsbeispiele belegen, dass das
Wort „Flexo“ in ganz unterschiedlichen Warengebieten als Kennzeichnung von
Produkten gebraucht wird um auf deren Biegsamkeit und Elastizität hinzuweisen
(zB Radspeiche „Simson Flexo“, Schlauchleitung „Flexo“, Schwachstromleitung
„LAM Flexo Twin“, Magnetfolie „Flexo Magnete“, Moving Heads „Flexo Serie“,
Heizölarmatur „Flexo-Block“, Scheuerbürste „Flexo“). Dies allein genügt jedoch
nicht um den unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt eines Begriffes und da-
mit seine Ungeeignetheit als Marke zu bejahen. Schon die zahlreiche Verwendung
eines Wortes in kennzeichnender Form spricht eher für dessen individualisieren-
der Aussagekraft als für dessen ausschließlich unmittelbar beschreibenden Inhalt.
Das Wort „Flexo“ in Alleinstellung gibt es im deutschen Sprachgebrauch nicht; das
Wort flexibel wird mit „flex.“ abgekürzt. Es gibt einige Wortverbindungen mit
„Flexo“ - Flexodruck (besonderes Druckverfahren mit flexiblen Druckformen), Fle-
xoleitung (verschleißarme Anschlussleitung für elektrische Geräte), Flexometer
(Gerät zur Prüfung des Dauerbiegeverhalten) und Flexograf (Stempelmacher) – es
sind aber keine Waren innerhalb des beanspruchten Warenverzeichnisses denk-
bar, für die diese Fachbegriffe einen Aussagewert hätten. In Verbindung mit den
hier maßgebenden Waren werden die angesprochenen Verkehrskreise in dem
Wort „Flexo“ daher in erster Linie einen Hinweis auf „flexibel“ sehen. Für alle be-
anspruchten Waren kann das Wort „flexibel“ selbst insoweit unmittelbar beschrei-
bend sein, als es auf deren Flexibilität und Beweglichkeit hinweist. „Flexo“ ist aber
weder das gängige und übliche Kurzwort noch die geläufige Abkürzung von flexi-
bel. Es ist vielmehr eine Abwandlung dieser schutzunfähigen Sachangabe. Ab-
wandlungen von unmittelbar beschreibenden Angaben kann die Unterscheidungs-
kraft nur dann abgesprochen werden, wenn die Abwandlung entweder so gering-
fügig ist, dass sie unbemerkt bleibt, bzw als Druck- und Hörfehler gesehen wird
- dies trifft hier nicht zu -, oder aber wenn der Verkehr in der Abwandlung ohne
weiteres die geläufige unmittelbar beschreibende Sachangabe sieht, er ihr also
jede individualisierende Eigenart abspricht. Die Rechtsprechung hat für einen sol-
chen individualisierenden Charakter häufig schon ganz geringfügige Abweichun-
- 5 -
gen vom Fachbegriff genügen lassen, zB Metropolc gegenüber der INN Kurzbe-
zeichnung Metropolol (BGH, BlPMZ 1995, 254), oder Tirlopirox gegenüber dem
INN Rilopirox (BGH, BlPMZ 1995, 70), schließlich Omeprazok gegenüber dem
INN Omeprazol (BGH, BlPMZ 2002, 256). Das Wort „Flexo“ unterscheidet sich
von der beschreibenden Sachangabe flexibel und dessen Abkürzung flex. durch
das markante „o“. Zwar hat „Flexo“ in bestimmten Wortverbindungen einen eige-
nen konkreten beschreibenden Aussagegehalt, diese Fachbegriffe können aber
bei den hier maßgebenden Waren keine Rolle spielen. Trifft der Verbraucher bei
Werkzeugmaschinen und deren Zubehör auf das Wort „Flexo“, so wird er zwar die
inhaltliche Bezugnahme auf die beschreibende Angabe „flexibel“ erkennen, das
Wort selbst aber nicht als dessen unmittelbare Wiedergabe, sondern vielmehr als
Kunstwort auffassen. Zumindest fehlt es hier an ausreichenden Anhaltspunkten
dafür, dass Flexo ohne weiteres mit flexibel gleichgesetzt wird. Für die individuali-
sierende Eigenart von Flexo spricht auch dessen zahlreiche markenmäßige Ver-
wendung, denn es widerspricht der Lebenserfahrung, dass ein Begriff, in dem der
Verbraucher in erster Linie eine Beschreibung der Produkteigenschaft sieht, von
einer Vielzahl von Herstellern als Marke gebraucht wird. Ein solcher Begriff näm-
lich bietet dem Produzenten gerade keine Gewähr dafür, dass der Kaufinteressent
anhand dieser Marke das von ihm gewünschte Produkt im ausreichend sicheren
Maß von anderen Produkten unterscheiden kann.
Ebenso wenig kann das Schutzhindernis eines Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs 2
Nr 2 MarkenG) festgestellt werden. Zeichen, die in Anlehnung an eine freihaltebe-
dürftige Angabe gebildet sind, haben zwar nur Schutz in Bezug auf diese Eigen-
prägung, als erkennbare Abwandlung einer Sachangabe müssen sie aber den
Mitbewerber nicht zur freien Verfügung stehen.
Die Beschwerde hat deshalb Erfolg.
Die Rückerstattung der Beschwerdegebühr entspricht der Billigkeit (§ 71 Abs 3
MarkenG). Die Markenstelle hat sich als Nachweis für die beschreibende Verwen-
- 6 -
dung des Wortes „Flexo“ auch auf eine Fundstelle im Internet gestützt, die reine
Sexartikel betrifft ohne dass irgendwelcher Sachzusammenhang zu den hier maß-
geblichen Waren oder Verkehrkreisen erkennbar wäre. Ein solches Vorgehen be-
einträchtigt nicht nur das Ehrgefühl der am Verfahren Beteiligten, sondern stellt
sich, zumal sämtliche Fundstellen erst mit dem Beschluß übersandt worden sind,
auch als grober Verstoß gegen eine sachgemäße, wertfreie und faire Verfahrens-
führung dar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Verwendungsbeispiel für
die Entscheidung mitursächlich war.
Stoppel Paetzold Schwarz-Angele
Bb