Urteil des BPatG vom 17.12.2001

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, beschwerde, annahme, 1995, begründung, verwendung, kennzeichnungskraft, patent, bundespatentgericht)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 219/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 2 907 423
hat der 30.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts im
schriftlichen Verfahren in der Sitzung vom 17. Dezember 2001 unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters Dr. Buchetmann sowie der Richter Voit und Schramm
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der
Beschluß der Markenstelle für Klasse
5 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 17. Mai 2000 aufgehoben,
soweit darin der Widerspruch aus der Marke 926 581 zurück-
gewiesen worden ist.
Wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Marke
926 581 wird die Löschung der Marke 2 907 423 angeordnet.
G r ü n d e
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Nr 2 907 423 die Bezeichnung
Aarti,
nach Teillöschungen wegen Widersprüchen aus anderen Marken nur noch für die
Waren
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"Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und
Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Mittel zur Vertil-
gung von schädlichen Tieren; Fungizide; Herbizide".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1995 für die Waren
"Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und
Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharmazeuti-
sche und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie chemi-
sche Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische
Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandmate-
rial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche
Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von
Unkraut und schädlichen Tieren"
eingetragenen Marke 926 581
aar,
deren Schutzdauer zuletzt 1993 verlängert worden ist.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluß des Prüfers den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist aus-
geführt, auch angesichts einer teilweisen Warenidentität sei der Markenabstand
ausreichend. Der weitere Wortbestandteil "ti" der angegriffenen Marke trete hinrei-
chend hervor. Eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe nicht, da Silbe "Aar"
innerhalb der jüngeren Marke nicht als selbständiger Stammbestandteil begriffen
werden könne.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie im
wesentlichen aus, die phonetischen Unterschiede durch den weiteren Wortbe-
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standteil "ti" genügten nicht, da diese zusätzliche Silbe nur einen geringen Raum
einnehme. Es bestehe neben einer klanglichen auch eine schriftbildliche Ver-
wechslungsgefahr. Zudem sei die Silbe "aar" in der älteren Marke der Stammbe-
standteil einer Zeichenserie. Die Widersprechende verfüge über eine Reihe weite-
rer, auch benutzter Marken mit dem Stammbestandteil "aar". Hinzu komme, daß
"aar" auch die Firmenbezeichnung der Widersprechenden sei.
Die Widerspruchsmarke ist gemäß Antrag vom 2. Juni 2000 nach der Beschwer-
deeinlegung im vorliegenden Verfahren gemäß Verfügung vom 10. Juli 2000 auf
die Beschwerdeführerin umgeschrieben worden.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 28 Abs 2 MarkenG konnte die jetzige
Beschwerdeführerin nach Eingang des Umschreibungsantrages als Rechtsnach-
folgerin Beschwerde vor dem Bundespatentgericht erheben.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
a) Die jetzige Inhaberin des Widerspruchszeichens ist richtige Verfahrensbetei-
ligte. Der Umstand der Rechtsnachfolge in das Widerspruchszeichen ist dem Ver-
fahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin spätestens durch die Schriftsätze
der Gegenseite im Beschwerdeverfahren bekannt geworden. Da er hiergegen kei-
nen Widerspruch erhoben hat, wird entsprechend § 267 ZPO eine Einwilligung in
den Beteiligtenwechsel vermutet.
b) Es besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Nach der maßgeblichen Registerlage stehen sich zum größeren Teil identische
Waren gegenüber. Soweit "Babykost" keine unmittelbare Entsprechung in den
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Widerspruchswaren aufweist, liegt eine enge Ähnlichkeit zu den dortigen "diäteti-
schen Erzeugnissen für Kinder und Kranke" vor, da beide Waren besondere
ernährungsphysiologische Gegebenheiten berücksichtigen. Zwischen den im
Warenverzeichnis der angegriffenen Marke weiter enthaltenen Fungiziden und
den Desinfektionsmitteln der Widerspruchsmarke besteht unproblematisch eine
deutliche Warenähnlichkeit. Diese Warensituation bedingt grundsätzlich strenge
Anforderungen an den Markenabstand.
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat der Senat eine durchschnittliche
Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang der Widerspruchs-
marke zugrunde gelegt. Der Umstand, daß "aar" dichterisch für "Adler" steht, führt
mangels eines beschreibenden Anklangs zu keiner Schwächung der Kennzeich-
nungskraft.
Der unter diesen Umständen gebotene besonders deutliche Abstand wird von der
angegriffenen Marke nicht eingehalten. Dabei kann die Frage einer klanglichen
Verwechslungsgefahr dahinstehen, da die Voraussetzungen einer mittelbaren Ver-
wechslungsgefahr vorliegen.
Zwar reicht das Vorhandensein eines übereinstimmenden Elements in beiden Zei-
chen noch nicht zur Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr aus. Die
Widersprechende hat indes schriftsätzlich und durch weitere Ausführungen sowie
Übergabe von Unterlagen in der mündlichen Verhandlung dargetan, daß dem
Stammbestandteil "aar" Hinweischarakter auf die Widersprechende als Inhaberin
der älteren Marke zukommt und diesem Stammbestandteil damit eine Herkunfts-
funktion zuzuweisen ist, so daß die ggf hinzutretenden weiteren Markenteile nur
noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb der Wider-
sprechenden anzusehen sind (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9
Rdn 210, 213 jeweils mwNachw).
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Für diese Annahme spricht zum einen, daß der fragliche Bestandteil im Rahmen
einer Zeichenserie Verwendung findet. So ist die Widersprechende ua Inhaberin
der entsprechend gebildeten, rangbesseren Marken 2 098 500 "aargamma" und
2 105 095 "aar os". Sie hat durch die Vorlage von Rechnungen aus den Jah-
ren 1992 bis 1995 sowie durch Auszüge aus der Präparateliste der Naturheilkunde
für denselben Zeitraum dargetan, daß es sich insoweit nicht um bloße Register-
rechte handelt, sondern die fraglichen Zeichen auch zur Produktkennzeichnung
über einen geraumen Zeitraum Verwendung gefunden haben. Es ist daher von
einer Gewöhnung des Verkehrs an diesen Stammbestandteil auszugehen.
Für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr spricht weiter, daß die
angegriffene Marke dem Widerspruchszeichen wesentlich näher kommt als die
vorgenannten weiteren Marken der Widersprechenden. Der Verkehr wird daher
eher geneigt sein, in Kenntnis des Markenspektrums der Widersprechenden ihr
auch die angegriffene Marke zuzuordnen.
Weiteres Gewicht enthält der übereinstimmende Stammbestandteil dadurch, daß
es sich hierbei um die Firmenbezeichnung der Widersprechenden handelt und
deshalb ein gedankliches Inverbindungbringen der sich gegenüberstehenden Mar-
ken in gesteigertem Umfang nahegelegt ist (BGH GRUR 1969, 357, 359 - Sihl).
Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.
Dr. Buchetmann
Voit
Schramm
Fa