Urteil des BPatG vom 13.11.2007

BPatG (computersoftware, marke, beschreibende angabe, erstellung, dienstleistung, computer, verwendung, verwechslungsgefahr, beschwerde, verkehr)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 114/05
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
- 2 -
betreffend die Marke 303 29 798
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 13. November 2007 unter Mitwirkung der Richterin Dr. Hock als Vor-
sitzende und der Richter Bender und Kätker
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 3. August 2005 teilweise aufgehoben
und die teilweise Löschung der Marke 303 29 798 wegen des
Widerspruchs aus der Marke 399 63 733 hinsichtlich folgender
Waren und Dienstleistungen angeordnet:
Computersoftware, Interfaces (Schnittstellengeräte oder
-programme für Computer); Datenverwaltung mittels Compu-
ter; Aktualisieren von Computersoftware, Bereitstellung, näm-
lich Bereitstellung in Datennetzen, Erstellung und Vermietung
von Computersoftware und Design von Computersoftware,
Erstellung von Computeranimation, Installieren von Compu-
terprogrammen, digitale Aufbereitung und Verarbeitung von
Daten, Erstellung von technischen Gutachten.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
- 3 -
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der Wortmarke 303 29 798
veritasoft
für
Computersoftware, Interfaces (Schnittstellengeräte oder -pro-
gramme für Computer); Datenverwaltung mittels Computer;
Aktualisieren von Computersoftware, Bereitstellung, nämlich Be-
reitstellung in Datennetzen, Erstellung und Vermietung von Com-
putersoftware und Design von Computersoftware, Erstellung von
Computeranimation, Installieren von Computerprogrammen, digi-
tale Aufbereitung und Verarbeitung von Daten, Durchführung wis-
senschaftlicher Untersuchungen, Erstellung von technischen und
wissenschaftlichen Gutachten, Nachforschungen in Rechtsange-
legenheiten
ist Widerspruch erhoben worden aus der Wort-/Bildmarke 399 63 733
- 4 -
für
(Waren/Dienstleistungen mit Zeitrang vom 13. April 1999:)
Klasse 9: Computersoftware für Dienstprogramme; Computer-
software zur Verwendung bei der Datei-, Festplatten-
und Systemverwaltung; Computersoftware zur Ver-
wendung in der Verwaltung der Datenspeicherung und
in Speicherbereichsnetzen; Computersoftware zur Si-
cherung und Wiederherstellung von Computerdaten;
Computersoftware zur Verwendung bei der Behebung
von Computerproblemen; Computersoftware zur Ver-
wendung in der Verwaltung auswechselbarer Spei-
chermedien; Computersoftware zur Überwachung, Er-
kennung und Behebung von Problemen und Fehlern
in Dateien, auf Festplatten, in Systemen und Compu-
ternetzen; Computersoftware zur Verwendung auf
dem Gebiet der Informationsverwaltung in Unterneh-
men; Computersoftware zur Verwendung auf dem
Gebiet der Datenverarbeitung zur Online-Analyse
(OLAP); Computersoftware zur Erstellung von Be-
richten aus Datenbanken; Computersoftware zur zeit-
lichen Planung automatisierter Abläufe; Computer-
software zur Verwendung in der zentralen Verwaltung
von Rechnern, die an ein Computernetz angeschlos-
sen sind; Computersoftware zum Duplizieren und Ar-
chivieren von Dateien aus einem Datenspeicher in ei-
nen anderen; Computersoftware zur messenden Er-
fassung der Verwendung anderer Computersoftware;
Computersoftware zur Verwendung bei der Entwick-
lung von Anwendungsprogrammen zur Datenanalyse
und anderer Computersoftware;
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Klasse 16: Veröffentlichungen
und andere Druckschriften;
Handbücher mit Bedienungsanleitungen, die als Ein-
heit mit der vorgenannten Computersoftware ausge-
liefert werden; Handbücher für Computerbenutzer;
Druckerzeugnisse im Zusammenhang mit Computer-
software
(Waren/Dienstleistungen mit Zeitrang vom 13. Oktober 1999:)
Klasse 9: wissenschaftliche Apparate und Instrumente für For-
schungszwecke in Labors, Apparate und Instrumente
für Starkstromtechnik, nämlich für die Bereiche
Stromleitung, Stromumformung, Stromspeicherung,
Regelung und Steuerung; Apparate und Instrumente
für Schwachstromtechnik, nämlich für die Bereiche
Telekommunikation, Hochfrequenztechnik und Stabili-
sierung; Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische,
Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-
(Überwachungs-), Rettungs- und Unterrichtsapparate
und -instrumente; Apparate zur Aufzeichnung, Über-
mittlung oder Wiedergabe von Tönen und Bildern;
Magnetdatenträger, Aufzeichnungsplatten; Verkaufs-
automaten und mechanische Einheiten für Automaten,
die durch Einwurf von Münzen oder Jetons betätigt
werden; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Daten-
verarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte;
Rechnerprogramme, soweit sie in Klasse 9 fallen;
Computersoftware, einschließlich Computersoftware
zur Verwendung bei der Installation und Aktualisierung
von Betriebssystemen und Anwendungssoftware über
Computernetze; Computersoftware zur Verwendung in
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der Verwaltung lokaler und allgemeiner Computer-
netze und von Speicherbereichsnetzen;
Klasse 16: Papier, Pappe; Waren aus Papier und Pappe, nämlich
kleine Handtücher, Tischservietten, Filterpapier, Ta-
schentücher, Papierwaren für die Körperpflege, Win-
deln, Kästen und Beutel für Verpackungszwecke;
Buchbinderartikel, nämlich Bindfäden, Gewebe bzw.
Leinen für die Buchbinderei; Fotografien; Schreibwa-
ren; Klebstoffe für Schreibwaren oder Haushalts-
zwecke; Künstlerbedarfsartikel, nämlich Artikel zum
Zeichnen, Malen und Modellieren; Pinsel; Schreibma-
schinen, Bürobedarfsartikel, nämlich nicht-elektrische
Geräte; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen
Apparate) in Form von Drucksachen, Spiele, kleine
Objekte mit Blumen und Tieren, geologische Modelle
von Globen, Zeicheninstrumente für Wandtafeln;
Kunststoffmaterialien für Verpackungszwecke, näm-
lich Umschläge, Beutel und Filme; Bereitstellung von
Texten, Grafiken, audivisuellen Inhalten, Datenbanken
und Online-Diensten über Computer- und Kommuni-
kationsnetze, einschließlich des Internet; Bereitstel-
lung von Texten, Grafiken, audivisuellen Inhalten,
Datenbanken und Online-Diensten über Computer-
und Kommunikationsnetze, einschließlich des Internet;
Bereitstellung von Informationen; Online-Bestell-
dienste auf dem Gebiet der Computerhardware, Com-
putersoftware und der Peripheriegeräte für Computer;
Zurverfügungstellung von über Computer via das In-
ternet oder andere Netzwerke zugänglichen Foren
zum Informationsaustausch, z. B. durch das Hinterlas-
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sen und Lesen von Nachrichten oder im unmittelbaren
Dialog (Chat); Bereitstellung virtueller Möglichkeiten
für die Interaktion zwischen Computerbenutzern in
Echtzeit; Erstellung von Computerprogrammen für
Dritte; Bereitstellung von Beratungsdiensten und Un-
terstützung im Zusammenhang mit Computern sowie
Dienstleistungen bei der Entwicklung von Computer-
software.
Mit Beschluss vom 3. August 2005 hat die Markenstelle für Klasse 35 durch ein
Mitglied des Patentamts den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der
Markenstelle besteht zwischen den Marken keine Gefahr von Verwechslungen.
Sie unterschieden sich durch die in der jüngeren Marke zusätzlich vorhandene
Buchstabenfolge "-oft" hinreichend deutlich. Auch werde der Verkehr den Mar-
kenteil "veritas" der jüngeren Marke nicht als dominierend ansehen. Das einheitli-
che Schriftbild und die geschlossene Schreibweise sprächen dafür, die jüngere
Marke als geschlossene Einwortmarke aufzufassen, aus der sich "veritas" nicht
ohne weiteres hervor hebe. Eine Verkürzung auf diesen Bestandteil sei daher
nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten. Selbst wenn der Verkehr den Mar-
kenteil "soft" als beschreibende Angabe ansehe und das Schwergewicht der jün-
geren Marke auf den verbleibenden Wortteil "verita" lege, seien keine unmittelba-
ren Verwechslungen zu befürchten. Denn wer die Marke so genau analysiere und
aus der Abkürzung von "soft" auf die beschreibende Angabe "Software" schließe,
der bemerke auch den Unterschied zwischen dem weiteren Markenteil "verita" der
jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke "veritas". Es lasse sich im Gegensatz
zu dem von der Widersprechenden angeführten Fall BGH GRUR 1998, 924
- salvent/Salventerol auch nicht feststellen, dass die hier maßgebliche Endung
"-oft" eine Kennzeichnungsschwäche aufweise. Auch eine assoziative Verwechs-
lungsgefahr liege nicht vor. Hierfür fehle es an einem gleichen oder wesensglei-
chen Stammbestandteil, wobei das als Stammbestandteil infrage kommende Wort
auch nicht eigenständig hervortrete.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Nach ihrer Ansicht besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen.
Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch und lägen
im Übrigen im engen Ähnlichkeitsbereich. Die Ware "Computersoftware" sei iden-
tisch in beiden Verzeichnissen enthalten. "Interfaces" seien als Softwareschnitt-
stellen mit "Computersoftware", als Hardwareschnittstellen mit "Datenverarbei-
tungsgeräten und Computern" identisch. "Datenverwaltung mittels Computer" und
"Aktualisierung von Software" seien hochgradig ähnlich zu den softwarebezoge-
nen Waren der Widerspruchsmarke. "Bereitstellung, nämlich …" sei hochgradig
ähnlich zu "Bereitstellung von Texten, …". Auch die "Erstellung und Vermietung
von Computersoftware und Design von Computersoftware" sowie "Erstellung von
Computeranimation, Installieren von Computerprogrammen, digitale Aufbereitung
und Verarbeitung von Daten" seien mit "Computersoftware" und darauf bezogenen
Dienstleistungen und Bereitstellungsdienstleistungen identisch oder hochgradig
ähnlich.
Die Widerspruchsmarke verfüge zumindest über die von der Markenstelle ange-
nommene durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Den danach erforderlichen er-
heblichen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke nicht ein. Bei
ihrer Entscheidung habe die Markenstelle die angegriffene Marke "veritasoft"
falsch in "veritas" und "oft" zergliedert. Die Buchstabenfolge "oft" bilde jedoch kei-
nen eigenständigen Bestandteil. Vielmehr stelle sie die dritte Silbe der jüngeren
Marke "soft" dar, denn sie weise die Silbengliederung "ve-ri-ta-soft" auf. Die letzte
Silbe "soft" erkenne der Verkehr ohne weiteres als beschreibenden Hinweis auf
softwarebezogene Waren und Dienstleistungen. Der Auffassung der Markenstelle,
dass eine Kennzeichnungsschwäche für die hier maßgebliche Endung "-oft" nicht
feststellbar sei, könne daher nicht gefolgt werden.
Die Kennzeichnungsschwäche der Endsilbe "soft" sei für die Beurteilung der Mar-
kenähnlichkeit von maßgebender Bedeutung, da der Gesamteindruck der Marken
vor allem durch deren kennzeichnungsstarke und damit dominierende Elemente
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geprägt werde. In der jüngeren Marke komme hierbei den ersten drei Silben "ve-
rita(s)" aufgrund der Kennzeichnungsschwäche des weiteren Bestandteils "soft"
eine prägende Wirkung zu. Dabei komme es nicht darauf an, ob eine Verkürzung
auf den Bestandteil "veritas" zu erwarten sei, vielmehr gehe es ausschließlich um
eine Bewertung der Kennzeichnungskraft der einzelnen Elemente.
Zudem sei die Auffassung der Markenstelle nicht haltbar, dass ein Verkehrsteil-
nehmer, der die jüngere Marke so genau analysiere und aus der Abkürzung "soft"
auf die beschreibende Angabe "Software" schließe, auch den Unterschied zwi-
schen dem weiteren Markenteil "verita" und der Widerspruchsmarke "VERITAS"
erkennen werde. Zum einen sei es nicht erforderlich, die jüngere Marke genau zu
analysieren, um den beschreibenden Hinweis der letzten Silbe "soft" zu verstehen,
da dieser Bestandteil dem Verkehr ständig als Hinweis auf "Software" entgegen
trete. Zum anderen sei der verbleibende Unterschied zwischen "VERITAS" und
"verita" denkbar gering und werde gerade nicht wahrgenommen. Dabei sei auch
zu berücksichtigen, dass der Buchstabe "s" in der jüngeren Marke eine Doppel-
funktion besitze, nämlich als erster Buchstabe der letzten Silbe "soft" und zugleich
als letzter Buchstabe des Markenbestandteils "verita(s)". Zudem neige der Verkehr
erfahrungsgemäß gerade nicht zu einer analysierenden oder zergliedernden Be-
trachtungsweise. Im Übrigen habe die Markenstelle übersehen, dass der Verkehr
Übereinstimmungen stärker beachte als die Unterschiede zwischen den Marken,
zumal er sie regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnehme. Damit be-
stehe bereits die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen, so dass es auf eine mög-
liche mittelbare Verwechslungsgefahr nicht mehr ankomme.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke 303 29 798 wegen des Widerspruchs aus
der Marke 399 63 733 anzuordnen.
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Der Markeninhaber hat sich auf die ihm zugestellte Beschwerde und die Be-
schwerdebegründung nicht geäußert. Auch im Verfahren vor der Markenstelle hat
er von einer Stellungnahme abgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
1. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist teilweise begründet. Für
die unter Ziffer 1. des Entscheidungsausspruchs genannten Waren und Dienst-
leistungen besteht eine Gefahr von Verwechslungen i. S. d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die
betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder ge-
gebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.
Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Um-
stände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlich-
keit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Ge-
samteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die
sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für
die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend
darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder
Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig
als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. EuGH
Mitt. 2006, 512 - LIFE/THOMSON m. w. N.).
a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Der in
ihrem dominierenden Wortbestandteil "VERITAS" verkörperte Sinngehalt "Wahr-
heit" könnte zwar für (allgemeine) Druckschriften, Lehr- und Unterrichtsmittel, evt.
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auch für Kontrollapparate (etwa als Lügendetektoren) o. Ä. eine beschreibende
Bedeutung haben. Dem stünde aber zum einen die Zugehörigkeit des lateinischen
Wortes "veritas" zu einer toten Sprache und damit deren fehlende Eignung als
ernsthafte Sachangabe entgegen (vgl. z. B. BPatG GRUR 1998, 58 - JURIS
LIBRI; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8, Rdn. 259), zum anderen lie-
gen die genannten Waren der Widerspruchsmarke erkennbar nicht im Ähnlich-
keitsbereich (vgl. a. unten b) und 2.). Mangels sonstiger Anhaltspunkte ist damit
- jedenfalls für die hier relevanten Waren und Dienstleistungen der Computersoft-
ware, -schnittstellen und der allgemeinen elektronischen Datenverwaltung - von
einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszuge-
hen.
b) Die unter Ziffer 1. des Entscheidungsausspruchs genannten Waren und
Dienstleistungen der angegriffenen Marke liegen mit Waren und Dienstleistungen
der Widerspruchsmarke teilweise im Identitätsbereich, im Übrigen im Bereich einer
engeren Ähnlichkeit.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs alle
erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren
oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere
deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander
konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH
GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyds/Loint´s; BGH
GRUR 1999, 731 - Canon II; WRP 1998, 747, 749 - GARIBALDI; WRP 2000,
1152,1153 - PAPPAGALLO; WRP 2001, 694, 695 - EVIAN/REVIAN). Auch die
maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Herstellungsstätten und
Vertriebswege, stoffliche Beschaffenheit und Zweckbestimmung oder Verwen-
dungsweise sind relevante Gesichtspunkte.
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Die Ware "Computersoftware" ist für beide Marken eingetragen, so dass insoweit
Identität besteht.
Außerdem sind die für die jüngere Marke eingetragenen "Interfaces (Schnittstel-
lengeräte oder -programme für Computer)" als Schnittstellengeräte teilidentisch,
zumindest hochgradig ähnlich mit den für den Widersprechende geschützten "Ap-
paraten und Instrumenten für Schwachstromtechnik, nämlich für die Bereiche Te-
lekommunikation, Hochfrequenztechnik und Stabilisierung", weiter mit "Apparaten
zur … Übermittlung … von Tönen und Bildern" und schließlich auch mit "Daten-
verarbeitungsgeräten". Die beiderseitigen Waren zählen zum Kernbereich der
Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräte und deren wesentlicher
Komponenten. Soweit es sich bei den für die jüngere Marke eingetragenen "Inter-
faces" gemäß dem zweiten Teil des Klammerzusatzes um Schnittstellenpro-
gramme handelt, sind diese wiederum identisch mit dem für die Widerspruchs-
marke eingetragenen Oberbegriff "Computersoftware, einschließlich …", und dem
weiteren Warenbegriff "Computersoftware zur Verwendung in der zentralen Ver-
waltung von Rechnern, die an ein Computernetz angeschlossen sind", da diese
Warenbegriffe auch Schnittstellenprogramme umfassen.
Weiter ist die für die angegriffene Marke eingetragene Dienstleistung "Datenver-
waltung mittels Computer" zumindest mittelgradig ähnlich mit "Computersoftware
zur Verwendung bei der Datei-, …-verwaltung". Beide Waren und Dienstleistungen
dienen der Datenverwaltung, die wiederum den Schwerpunkt der elektronischen
Datenverarbeitung darstellt. Insoweit besteht im Übrigen auch eine noch mit-
telgradige Ähnlichkeit zu der für die Widerspruchsmarke ebenfalls eingetragenen
Dienstleistung "Bereitstellung von Texten, Grafiken, audiovisuellen Inhalten, Da-
tenbanken und Online-Diensten über Computer- und Kommunikationsnetze, ein-
schließlich des Internet".
Die für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung "Aktualisieren von Compu-
tersoftware" ist teilidentisch mit den für die Widerspruchsmarke eingetragenen
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Dienstleistungen "Erstellung von Computerprogrammen für Dritte" und "Bereit-
stellung von Beratungsdiensten und Unterstützung im Zusammenhang mit Com-
putern sowie Dienstleistungen bei der Entwicklung von Computersoftware", da es
sich beiderseits letztlich um Programmierungs- und (Weiter-)Entwicklungsdienste
in Zusammenhang mit Software handelt.
Außerdem ist die für die angegriffene Marke eingetragene Dienstleistung "Bereit-
stellung, nämlich Bereitstellung in Datennetzen" identisch mit den mit Zeitrang
vom 13. Oktober 1999 für die Widerspruchsmarke umfangreich eingetragenen
EDV-, insbesondere netzbezogenen Bereitstellungsdienstleistungen, vor allem mit
"Bereitstellung von Texten, Grafiken, audiovisuellen Inhalten, Datenbanken und
Online-Diensten über Computer- und Kommunikationsnetze, einschließlich des
Internet".
Ähnliches gilt für "Erstellung und Vermietung von Computersoftware und Design
von Computersoftware" der jüngeren Marke. Wie auch schon die Dienstleistung
"Aktualisieren von Computersoftware" (s. o.) ist diese Dienstleistung teilidentisch
mit "Erstellung von Computerprogrammen für Dritte" und "Bereitstellung von Be-
ratungsdiensten und Unterstützung im Zusammenhang mit Computern sowie
Dienstleistungen bei der Entwicklung von Computersoftware" der Widerspruchs-
marke, wobei die Vermietungsdienstleistungen der jüngeren Marke auch hochgra-
dig ähnlich mit "Online-Bestelldiensten auf dem Gebiet der … Computersoftware"
sind, da letztere die Bestellung zur Miete mit einschließen.
Die weiter für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung "Erstellung von
Computeranimation" ist mit der für die Widerspruchsmarke geschützten Dienst-
leistung "Bereitstellung von … Grafiken, audiovisuellen Inhalten, … über Compu-
ter- und Kommunikationsnetze, einschließlich des Internet" ebenso wie mit "Er-
stellung von Computerprogrammen für Dritte" offensichtlich teilidentisch.
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Weiter ist die Dienstleistung "Installieren von Computerprogrammen" der ange-
griffenen Marke teilidentisch mit "Bereitstellung von Beratungsdiensten und Unter-
stützung im Zusammenhang mit Computern" der Widerspruchsmarke, da auch
diese Dienstleistung die Programminstallation, zumindest die Anleitung dazu, mit
einschließt.
Zudem ist die für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung "digitale Aufbe-
reitung und Verarbeitung von Daten" hochgradig ähnlich mit "Computersoftware
zur Verwendung bei der Datei-, …-verwaltung", da die beiderseitigen Dienstleis-
tungen den Kernbereich der elektronischen Datenverarbeitung betreffen. Insoweit
besteht im Übrigen auch eine erhebliche Ähnlichkeit zu "Bereitstellung von Texten,
Grafiken, audiovisuellen Inhalten, Datenbanken und Online-Diensten über Com-
puter- und Kommunikationsnetze, einschließlich des Internet".
Schließlich ist auch die für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung "Erstel-
lung von technischen Gutachten" mit "Bereitstellung von Beratungsdiensten … im
Zusammenhang mit Computern" teilidentisch, zumindest aber hochgradig ähnlich,
da beide Dienstleistungen eine fachliche Erfassung und Analyse technischer
Probleme sowie die Erarbeitung technischer Lösungen beinhalten.
c) Den
danach
erforderlichen
größeren Abstand zur Gegenmarke hält die ange-
griffene Marke nicht ein.
Zwar sind die beiderseitigen Marken in ihrer Gesamtheit offensichtlich unähnlich,
da die Schlusssilbe "(s)oft" der jüngeren Marke weder überhört noch überlesen
werden kann. Im Übrigen scheidet eine Prägung oder auch nur selbständig kenn-
zeichnende Stellung des Wortteils "veritas" in der jüngeren Marke schon wegen
der Schreibweise als einheitlich zusammengeschriebenes Wort aus (vgl. Strö-
bele/Hacker, a. a. O., § 9, Rdn. 218, 232).
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Jedoch sind deutliche Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr
vorhanden, d. h. eine Gefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, dass die Marken
gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Auch wenn es an einer
benutzten Zeichenserie der Widersprechenden fehlt, so spricht die Art der Zei-
chenbildung und des abweichenden Bestandteils der jüngeren Marke für eine
Gefahr, dass nicht unerhebliche Teile des Verkehrs einem Irrtum über den
Herstellungs- bzw. Erbringungsbetrieb unterliegen werden. Dem der lateinischen
Sprache entnommenen und damit im englischsprachig geprägten Softwarebereich
völlig ungewöhnlichen Begriff "veritas" wird in der jüngeren Marke die kennzeich-
nungsunfähige Endung "soft" als jedermann geläufige werblich-beschreibende
Kurzform für "Software" angehängt. Dabei ist mit der Widersprechenden davon
auszugehen, dass der Mittelbuchstabe "s" eine (werbeübliche) Doppelfunktion hat,
d. h. sowohl den Schlussbuchstaben des lateinischen Worts "veritas" als auch den
Anfangsbuchstaben der Kurzform "Soft" repräsentiert. Dies gilt umso mehr, als die
Schreibweise "veritassoft" weniger attraktiv wirke und den Leser zu einer weniger
flüssigen Aussprache des Markenworts veranlassen kann.
Infolge der bloßen Anhängung eines rein beschreibenden Wortelements vermag
der Verkehr zwar die beiderseitigen Marke auseinanderzuhalten, jedoch liegt es
nahe, dass er in der jüngeren Marke nur eine weitere (besonders softwareorien-
tierte) Variante von Produkten der Widersprechenden sehen wird. Der Verkehr
kann daher einem Irrtum über die betriebliche Herkunft der Waren und Dienstleis-
tungen unterliegen, da er Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke
fälschlich dem Unternehmen der Widersprechenden zuordnet. Insofern liegt ein
Fall einer assoziativen Verwechslungsgefahr vor (vgl. a. BPatG GRUR 2002, 438,
440 -
WISCHMAX/Max; ähnlich Senatsentscheidung vom 24.
Juli
2007
(33 W (pat) 55/05) - "terramail/terra" in einem vergleichbaren Fall der Anhängung
eines englischen beschreibenden Wortelements ("mail" auf dem Gebiet der Tele-
kommunikation) an ein lateinisches Wort). Der Beschwerde der Widersprechen-
den war damit teilweise stattzugeben.
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2. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen, da für die nicht unter Ziff. 1.
des Entscheidungsausspruchs genannten Dienstleistungen der angegriffenen
Marke keine Verwechslungsgefahr festgestellt werden konnte. Insoweit fehlt es
bereits an jeglicher Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen.
Dies gilt zunächst für die Dienstleistung "Durchführung wissenschaftlicher Unter-
suchungen". Die EDV-bezogenen Waren und Dienstleistungen der Wider-
spruchsmarke haben keinen erkennbaren wissenschaftlichen Bezug und wären im
Übrigen auch nur reines Hilfsmittel zu wissenschaftlichen Untersuchungen, deren
Schwerpunkt nicht in der Anwendung von EDV, sondern der Erforschung im je-
weiligen Wissenschaftsgebiet unter Anwendung entsprechender fachwissen-
schaftlicher Kenntnisse liegt. Gleiches gilt für die weiter für die jüngere Marke ein-
getragene Dienstleistung "Erstellung von wissenschaftlichen Gutachten". Diese
Dienstleistung unterscheidet sich gerade im Hinblick auf die Qualifikation, Art der
Erbringung und Art der Ergebnisse deutlich von der ebenfalls für die jüngere
Marke eingetragenen Dienstleistung "Erstellung technischer Gutachten", für die
oben unter Ziffer 1.b) eine Ähnlichkeit mit "Bereitstellung von Beratungsdiensten
… im Zusammenhang mit Computern" festgestellt worden ist. Daher kann die
Frage der Ähnlichkeit insoweit nicht gleich beurteilt werden.
Schließlich ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, welche wirtschaftlichen
Berührungspunkte zwischen der für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleis-
tung "Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten" und den EDV-orientierten Wa-
ren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bestehen sollen. Außer einem
reinen Hilfsverhältnis dieser Waren und Dienstleistungen, das angesichts der
Verbreitung der EDV in nahezu allen Lebensbereichen keine Grundlage für eine
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auch nur geringe Ähnlichkeit sein kann, ist hierfür nichts ersichtlich. Die Be-
schwerde war damit teilweise zurückzuweisen.
Dr. Hock
Bender
Kätker
Cl