Urteil des BPatG vom 24.02.2000
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BUNDESPATENTGERICHT
2 ZA (pat) 16/00
zu
2 Ni 19/93
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Patentnichtigkeitssache
…
BPatG 152
10.99
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betreffend das deutsche Patent …
hier: Erinnerung gegen Kostenfestsetzung
hat der 2.
Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am
30. November 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kurbel und der
Richter Dipl.-Phys. Dr. Gottschalk und Gutermuth
beschlossen:
I. Auf die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfest-
setzungsbeschluß des Rechtspflegers vom 24.
Fe-
bruar 2000 wird dieser dahin abgeändert, daß die von
der Klägerin der Beklagten zu erstattenden Kosten des
ersten und zweiten Rechtszugs auf
DM 314.474,09
festgesetzt
werden.
II. Im übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen die
Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6.
G r ü n d e :
I.
Mit Urteil des 2. Senats des Bundespatentgerichts vom 28. Juni 1994 wurden der
Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt, ihre Berufung hat der X. Zivilsenat
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des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 10. November 1998 kostenpflichtig zu-
rückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 1999 hat die Beklagte beantragt, die ihr zu erstat-
tenden Kosten auf DM 396.820,91 festzusetzen.
Mit Beschluß vom 24. Februar 2000 hat der Rechtspfleger die zu erstattenden
Kosten des ersten und zweiten Rechtszugs auf DM 382.140,59 festgesetzt und
den weitergehenden Antrag zurückgewiesen.
Die Erinnerung der Klägerin richtet sich gegen den Ansatz von Kosten des Korres-
pondenzanwalts der Beklagten iH von 32.789,00 DM für die erste Instanz und
43.192,50 DM für die zweite Instanz. Weiter hält sie Übersetzungskosten iH von
2543,30 DM für nicht erstattungsfähig.
Zur Begründung führt sie aus, die Beklagte sei im folgenden Fall durch einen
Rechtsanwalt und einen Patentanwalt vertreten gewesen, so daß die Zuziehung
eines Verkehrsanwaltes nicht als notwendig anzuerkennen sei, dies um so mehr,
als der die Beklagte vertretende Herr Dr. G… sowohl als Rechtsanwalt als
auch als Patentanwalt zugelassen sei. Auch Herr Rechtsanwalt H… sei
zugleich E…. Die Beklagte sei in der Bundesrepublik
Deutschland marktführend auf dem Gebiet der Herzklappenprothesen und agiere
auf dem deutschen Markt wie ein deutsches Unternehmen und verfüge über eine
eigene Rechtsabteilung. Zudem seien sämtliche das Klage- und Berufungsverfah-
ren betreffenden Schriftsätze in englischer Übersetzung zur Verfügung gestellt
worden (unter Hinweis auf BPatGE 33, 102, 105). Auch der Höhe nach seien die
Aufwendungen des Korrespondenzanwalts nicht nachvollziehbar und nachgewie-
sen, dessen Schreiben vom 28. Dezember 1998 sei insoweit nicht ausreichend,
um einen Anspruch zu begründen. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Kläge-
rin Beschlüsse des Landgerichts München I im Verfahren 7-0-19907/92 vom
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2. August 2000 und 27. Oktober 2000 und des Oberlandesgerichts München (Az
11 W 2925/00) vom 7. November 2000 vorgelegt.
Bezüglich der Übersetzungskosten seien nur die als notwendig und erstattungs-
fähig zu erachten, die für das Verfahren wesentlich seien. Dies gelte weder für die
Zeugenaussage des Dr. M… vom 10. November 1998 noch für das Urteil des
Bundesgerichtshofes, da kein Rechtsmittel mehr dagegen möglich gewesen sei.
Die Klägerin beantragt zu beschließen,
daß die von ihr aufgeführten Kosten nicht erstattungsfähig
seien.
Die Beklagte beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen und der Klägerin die Kosten
des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Mitwirkung des amerikanischen Anwalts Mr. P… sei aufgrund des umfang-
reichen und technisch schwierigen Sachverhalts erforderlich gewesen, wobei auch
zu berücksichtigen sei, daß Mr. P… seit vielen Jahren die Beklagte in
Patentangelegenheiten betreue und daher die Technik der Herzklappenprothesen
genauestens kenne. Auf seine Erfahrung und Kenntnis auf diesem technischen
Gebiet habe daher nicht verzichtet werden können. Das deutsche Tochterunter-
nehmen wickle nur den Vertrieb in Deutschland ab, die Technik der Herzklappen-
prothesen werde allein in den Vereinigten Staaten entwickelt. Die doppelte Quali-
fikation der Herren Dr. G… bzw H… könne nicht zum Kostennachteil
der Beklagten gehen. Mr. P… könne als Zeuge dafür vernommen werden, daß
er der Beklagten für das Nichtigkeitsverfahren in Deutschland einen Betrag von
über 75.981,50 DM in Rechnung gestellt habe.
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Die Zeugenaussage Dr. M… vom 10. November 1998 und das Urteil des Bun-
desgerichtshofes seien für das Verfahren wesentlich und die Partei habe ein be-
rechtigtes Interesse daran, den genauen Wortlaut zu erhalten. Daher seien die
entsprechenden Übersetzungskosten erstattungsfähig.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist insoweit begründet, als der Rechtspfleger einen über
8.315,-- DM hinausgehenden Betrag als Kosten des Verkehrsanwaltes für er-
stattungsfähig erachtet hat. Dieser Betrag stellt die fiktiven Kosten einer Informa-
tionsreise eines Vertreters der Beklagten für jede Instanz dar.
1.
Gesetzliche Grundlage für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Ver-
kehrsanwalts ist § 84 Abs 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 91 Abs 1 i.V.m. Abs 2 S. 1
und S. 3 ZPO. Das Gesetz geht davon aus, daß ohne Nachprüfung der
Notwendigkeit in allen Prozessen nur die durch die Einschaltung eines ein-
zigen Anwalts, nämlich des Prozeßbevollmächtigten, verursachten Kosten
zu erstatten sind (Gerold/Schmidt/v.
Eicken/Madert, Kommentar zur
BRAGO, 12. Aufl. 1995, Rn 26, 27 zu § 52). Eine Ausnahme bildet lediglich
der nach nunmehr ständiger Rechtsprechung auch im Nichtigkeitsverfahren
entsprechend anwendbare § 143 Abs. 5 PatG für den mitwirkenden Anwalt
(vgl BPatG E
31, 51; 31;75). Bei den für die Hinzuziehung eines
Verkehrsanwalts geltend gemachten Kosten kommt es deshalb grundsätz-
lich darauf an, ob sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung
notwendig waren, wobei die allgemeine Pflicht jeder Partei zu beachten ist,
die Kosten im Rahmen des Verständigen möglichst niedrig zu halten
(Hartmann, Kostengesetz, 26. Aufl. 1995, Rdn 48 zu § 52 BRAGO mwN,
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BPatGE 33, 102 ff, 105). Die Kosten für einen Korrespondenzanwalt sind
nach h. M. nur dann notwendig, wenn es der Partei aus sachlichen Grün-
den unmöglich oder wegen ihrer persönlichen Verhältnisse unzumutbar ist,
den Prozeßanwalt unmittelbar selbst zu informieren (Hartmann a.a.O.,
Rdn. 49, OLG München, Rpfl. 1979, 465 f). Dieser Grundsatz ist nach rich-
tiger Ansicht in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auch für eine
an einem inländischen Verfahren beteiligte ausländische Partei anzuwen-
den (vgl. Gerold/Schmidt a.a.O., Rn 35, OLG Düsseldorf, Rpfl. 1983, 367 ff,
OLG München, Rpfl. 1979, a.a.O., jeweils m.w.N.). Die Notwendigkeit, ei-
nen Verkehrsanwalt zu beauftragen, ergibt sich für eine Partei nicht auto-
matisch aus ihrer bloßen Ausländereigenschaft. Vielmehr kommt es bei ihr
ebenfalls von Fall zu Fall darauf an, ob eine fernmündliche oder schriftliche
Unterrichtung des Prozeßbevollmächtigten zumutbar ist oder nicht. Bei
einem kaufmännisch geführten Unternehmen wie der Klägerin ist davon
auszugehen, daß es diesem grundsätzlich zumutbar ist, den auswärtigen
Prozeßbevollmächtigten entweder fernmündlich, schriftlich oder persönlich
durch die Reise eines Mitarbeiters zu ihm zu unterrichten (OLG Düsseldorf,
Rpfl. 1991, 522), wobei auch hier die allgemeine Pflicht jeder Partei zu
beachten ist, die Kosten im Rahmen des Verständigen möglichst niedrig zu
halten.
2.
Im vorliegenden Fall ist der Senat auch bei Berücksichtigung der von der
Beklagten vorgetragenen Umstände nicht zu der Überzeugung gelangt, daß
es der Beklagten aus sachlichen Gründen unmöglich oder wegen ihrer
persönlichen Verhältnisse unzumutbar gewesen sei, den Prozeßanwalt
unmittelbar selbst zu informieren, und zwar unabhängig von der Qualifika-
tion der anwaltlichen Vertreter in der Bundesrepublik Deutschland. Umfang
und Bedeutung der verschiedenen Rechtsstreite ließen es für die Beklagte
sicher sinnvoll erscheinen, diese durch ihren "Hausanwalt" Mr. P… be-
treuen und koordinieren zu lassen. Es fehlt aber bei Anlegung des von der
Rechtsprechung geforderten strengen Maßstabes an der Notwendigkeit
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dieses Vorgehens. Damit waren die angesetzten Kosten des Verkehrsan-
waltes, unabhängig von der Frage ihres konkreten Nachweises, nicht
erstattungsfähig, wie dies auch das Oberlandesgericht München in seinem
Beschluß vom 7. November 2000 für das Verletzungsverfahren festgestellt
hat.
3.
Jedoch ist davon auszugehen, daß aufgrund der Tätigkeit des Verkehrsan-
waltes erstattungsfähige, tatsächlich aber nicht entstandene (fiktive) Kosten
erspart wurden, insbesondere Kosten für Informationsreisen (Gerold/
Schmitt aaO, Rdn 47). In einem Patentnichtigkeitsverfahren kann eine Par-
tei nach Auffassung des Senats nicht alleine auf die schriftliche Information
ihres Prozeßvertreters verwiesen werden, sondern muß auch die Möglich-
keit haben, persönlich mit ihm die Entgegenhaltungen, Gutachten etc. zu
besprechen. Daß der Beklagten die Kosten der Terminsreise ihres Vertre-
ters zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof als erstat-
tungsfähig anerkannt worden sind, kann hierbei keine Rolle spielen, da die
Frage ersparter Kosten (auch) die dem Termin vorgelagerten Phasen eines
Rechtsstreits betrifft. Unter Berücksichtigung der für die Teilnahme der Be-
klagten am Termin 10. November 1998 tatsächlich entstandenen Kosten
(Ziffer B, 6 des Beschlusses vom 24. Februar 2000) sieht der Senat Kosten
iHv (aufgerundet) 8.315,-- DM für zwei Informationsreisen als gerechtfertigt
an (zweimal Flug 3.653,15 DM - zweimal Übernachtung 414,-- DM - zwei-
mal Taxikosten 90,-- DM).
Dies führt insgesamt zu einer Ermäßigung der erstattungsfähigen Kosten
um 67.666,50 DM.
4.
Dagegen ist die Erinnerung bzgl der Übersetzungskosten nicht begründet.
Das von der Klägerin insoweit herangezogene Zitat (Schulte, 5. Auflage,
§
80, S
744) - verweist ua auf BPatGE 33, 102 zur Frage der
"Wesentlichkeit" von Schriftstücken eines Nichtigkeitsverfahrens. Hierbei
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ging es um "die Übersetzung kleinerer Mitteilungen, die der die englische
Sprache beherrschende Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten zu-
sammengefaßt hätte mitteilen können" (aaO S 105). Hiermit ist eine Über-
setzung einer Zeugenaussage, die vom Gericht als möglicherweise ent-
scheidungserheblich angesehen wurde, ebensowenig zu vergleichen wie
der Urteilstext. Was die Klägerin als Grund für fehlende Erstattungsfähigkeit
ansehen will, ist vielmehr der Umstand, daß zum Zeitpunkt der Übersetzung
eine genaue Kenntnis dieser Schriftstücke für die Beklagte nicht mehr
Kriterium für ihr weiteres Vorgehen sein konnte, da das Urteil bereits
verkündet war. Dies wurde aber bisher, soweit ersichtlich, von der Recht-
sprechung in keinem Fall zum Anlaß genommen, die Erstattungsfähigkeit
von Übersetzungskosten zu verneinen.
5.
Bringt man vom festgesetzten Betrag von 382.140,59 DM den unter Ziffer II
ermittelten Betrag von 67.666,50 DM in Abzug, ergibt sich der Betrag von
314.474,09 DM auf den der Kostenfestsetzungsbeschluß abzuändern war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG, § 92 Abs 1 ZPO.
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Gemessen am mit der Erinnerung angegriffenen Teil des vom Rechtspfleger fest-
gesetzten Betrages hat die Klägerin zu etwa 5/6 obsiegt und ist zu etwa 1/6 un-
terlegen.
Kurbel Gutermuth
Dr.
Gottschalk
Fa/Ja