Urteil des BPatG vom 08.12.2004
BPatG (marke, kaffee, tee, obst, kakao, zucker, speiseeis, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, reis)
BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 391/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Dezember 2004
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B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 395 48 741
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2004 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Stoppel sowie der Richter Paetzold und von Schwichow
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin und der Widersprechenden
werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 30.April 1996 eingetragene und am 30. Juli 1996 veröffentlichte
Wort- /Bildmarke
die jetzt noch geschützt ist für die Waren
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; konserviertes, getrocknetes und
gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren,
Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago,
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Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine
Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup;
Hefe, Backpulver; Kühleis
ist u.a. Widerspruch aus der älteren Wortmarke
arko
erhoben worden, die seit dem 19.September 1956 eingetragen ist für die
Waren
Bier; Weine, Spirituosen, Schaumweine, Sprit; Mineralwässer, al-
koholische Getränke,
Christbaumschmuck; Fleischextrakte, Hülsenfrüchte, Gemüse,
Zwiebeln, Pilze, Obst, Obstkonfitüre, Marmelade, Südfrüchte, Bee-
ren, Fruchtsäfte, Frucht- und Gemüse-Konserven; Eier, Milch,
Butter, Käse, Roh- und Röstkaffee, Kaffee-Ersatzmittel, Zichorien,
Bohnenkaffee mit Zusatz von Kaffee-Ersatz, Tee, Tee-
Ersatzmittel, Zucker, Kandis, Sirup, Honig, Vorkost, Gewürze,
Soßen, Essig, Senf, Kochsalz; Kakao, Schokolade, Zuckerwaren,
Bonbons, Karamellen, Dragees, Marzipan, Pralinen, Drops,
koffeinhaltige Toffees, Schokoladen- und Zuckerwarenkonfitüren,
Back- und Konditorwaren, Biskuit, Hefe, Backpulver,
Puddingpulver; Malz, Speiseeis und Eis für Kühlzwecke;
Zündhölzer.
Die Markenstelle für Klasse 29 hat dem Widerspruch teilweise stattgegeben, und
zwar hinsichtlich der Waren
„Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; konserviertes, getrocknetes
und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren,
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Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Kaffee-Ersatzmittel; Getreide-
präparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis;
Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Kühleis“
mit der Begründung, dass sich die Marken vor dem Hintergrund identischer bzw.
hochgradig ähnlicher Waren vor allem in klanglicher Hinsicht der relevanten Mar-
kenwörter, die sich nur durch einen Buchstaben am Wortende unterschieden, viel
zu nahe kämen, um eine Verwechslungsgefahr noch ausschließen zu können; den
weitergehenden Widerspruch hat die Markenstelle hingegen mangels Ähnlichkeit
der restlichen Waren („Reis, Tapioka, Sago, Mehle“) zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Beschwerde eingelegt.
Die Markeninhaberin hält die Marken nicht nur im Gesamteindruck, sondern auch
in den jeweiligen Kennwörtern für ausreichend verschieden, da das unterschiedli-
che Wortende den Klangcharakter nachhaltig beeinflusse, zumal es sich hier um
ausgesprochene Kurzwörter handele. Ohnehin stände hinsichtlich der Waren der
Kauf auf Sicht im Vordergrund und die Zahl der möglichen mündlichen Benennun-
gen sei daher stark eingeschränkt. Im Übrigen würden die mit der Widerspruchs-
marke gekennzeichneten Waren ausschließlich in deren Filialbetrieben vertrieben.
Die zunächst schriftsätzlich erhobene Einrede der Nichtbenutzung hat die Mar-
keninhaberin in der mündlichen Verhandlung wieder fallengelassen.
Die Widersprechende ist dem Vorbringen der Markeninhaberin in allen Punkten
entgegengetreten und beruft sich ergänzend auf erhöhte Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke aufgrund umfangreicher langjähriger Benutzung, was zur
Folge habe, dass auch eine Warenähnlichkeit hinsichtlich der Waren zu bejahen
sei, hinsichtlich derer der Widerspruch zurückgewiesen worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Vorbringen der Betei-
ligten und den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden der Beteiligten sind zulässig, haben in der Sache aber keinen
Erfolg. Der Senat teilt im vollen Umfang die Auffassung der Markenstelle im an-
gefochtenen Beschluss, dass die Marken im Umfang der Löschungsanordnung
verwechselbar ähnlich sind, während der weitergehende Widerspruch zutreffend
mangels Ähnlichkeit eines Teils der angegriffenen Waren zurückgewiesen worden
ist.
Nach §§ 9 Abs 1 Nr 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im
Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit der einge-
tragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden
Marken erfassten Waren für den Verkehr Verwechslungsgefahr besteht. Die Frage
der Verwechslung ist dabei unter Berücksichtigung des Einzelfalles nach Abwä-
gung insbesondere der Faktoren Ähnlichkeit der Waren, Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken zu entscheiden.
Was vorliegend die Marken betrifft, ist die Markenstelle zutreffend davon ausge-
gangen, dass sich die Marken in ihren relevanten Kenn- und Merkwörtern vor al-
lem klanglich äußerst nahe kommen. Zwar handelt es sich bei der angegriffenen
Marke um eine Wort-/Bildmarke, so dass beim Zeichenvergleich primär auf den
Gesamteindruck abzustellen ist. Das schließt indes nicht aus, isoliert kollisions-
begründend auch auf einen Bestandteil – wie hier das Wort – zurückzugreifen,
wenn dieser die Marke als Ganzes prägt, was bei kombinierten Wort-Bild-Marken
regelmäßig hinsichtlich des Wortbestandteils der Fall ist, da dieser regelmäßig die
einfachste Form ist, die unter der Marke angebotenen Waren zu bezeichnen, falls
nicht ausnahmsweise die grafische Ausgestaltung den Gesamteindruck der Marke
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beherrscht, was vorliegend ersichtlich nicht der Fall ist, da es sich bei dem grafi-
schen Element nur um eine völlig werbeübliche Unterlegung des deutlich auch
größenmäßig im Vordergrund stehenden Schriftzuges handelt.
Es stehen sich damit entscheidungserheblich die Wörter „ARCOR“ und „arko“ ge-
genüber. Diese weichen nur durch den letzten Buchstaben des jüngeren Zeichens
voneinander ab, wobei zu berücksichtigen ist, dass dieser nach der Auffassung
des Senats weitgehend unbetont bleibt. Dagegen stimmt die angegriffene Kenn-
zeichnung hinsichtlich ihres Wortanfanges, ihrer Wortmitte und ihrer Silbenzahl mit
der Widerspruchsmarke überein. Dem anerkannten Grundsatz folgend, dass
Wortanfänge stärker beachtet werden, bleiben Unterschiede in den Endungen von
Markenwörtern meist weniger in Erinnerung und verhindern deshalb selten Ver-
wechslungen. Das angehängte „R“ tritt daher als klangschwacher und tonloser
Rachenlaut auch nicht markant in Erscheinung. Die vorhandene Abweichung wird
auf Grund der gemeinsamen, die Vergleichsmarken dominierenden Klangbilder in
den Hintergrund treten und unbemerkt bleiben.
Vor diesem Hintergrund sowie unter zusätzlicher Beachtung einer normalen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und des kollisionsfördernden Um-
stands, dass von den Waren ausschließlich Endverbraucher angesprochen wer-
den, kann eine Verwechslungsgefahr nur dann ausgeschlossen werden, wenn die
Waren einen hinreichend weiten Abstand zueinander aufweisen, was indes nicht
der Fall ist.
Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit ist dabei allein der Registerstand maß-
geblich, nachdem die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung fallen ge-
lassen hat; gleichermaßen war damit auch nicht mehr zu prüfen, ob diese Einrede
überhaupt zulässig war und nicht auf die Rüge der Widersprechenden als ver-
spätet hätte zurückgewiesen werden müssen. Im Rahmen der sich damit ge-
genüberstehenden Waren sind alle Faktoren zu berücksichtigen, die deren Ver-
hältnis zueinander kennzeichnen, vor allem deren Art, Verwendungszweck und
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ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich ergän-
zende Waren. Zudem zählen dazu die regelmäßige betriebliche Herkunft, die re-
gelmäßige Vertriebs- und Erbringungsstätte und sonstige Kriterien, wie die Be-
schaffenheit und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren. Dabei kommt der be-
trieblichen Herkunft regelmäßig das stärkste Gewicht zu, welche am ehesten den
Gedanken an einen gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich und damit
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren nahe legt.
In beiden Warenverzeichnissen finden sich übereinstimmend die Waren „konser-
viertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Konfitüren, Eier, Milch,
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Kaffee-Ersatzmittel, feine Backwaren und Konditor-
waren, Speiseeis, Honig, Hefe, Backpulver, Kühleis“, so dass insoweit Waren-
identität besteht. Das gilt auch bezüglich der "Fruchtsaucen“ bzw des „Melassesi-
rups“, die vom Warenoberbegriff „Soßen“ bzw „Sirup“, für die das rangältere Zei-
chen geschützt ist, umfasst sein können, was gleichermaßen auch auf das Ver-
hältnis von "Milchprodukte" und "Butter, Käse" zutrifft.
Eine Ähnlichkeit zwischen den Waren „Gallerten (Gelees)“ der angegriffenen
Marke und den Waren „Obstkonfitüren, Fruchtsäften“ der Widerspruchsmarke ist
ohne weiteres anzunehmen, weil die Waren aus denselben Grundstoffen, nämlich
Obst, sein können und in nahezu übereinstimmenden Produktionsverfahren her-
gestellt werden. Im zumindest mittleren Ähnlichkeitsbereich liegen die Waren
„Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild“ des jüngeren Zeichens und die Waren
„Fleischextrakte, Saucen“ der Widerspruchsmarke. Die Waren sind ähnlich, da sie
aus derselben Herstellungsstätte stammen können (etwa bei Fleisch- oder Fisch-
saucen, die aus denselben Grundsubstanzen entstehen), sich regelmäßig im Ver-
trieb und in den Verkaufsstätten begegnen und dieselben Verkehrskreise anspre-
chen. Zudem können sie sich auch sachlich ergänzen, da sie typischerweise als
Zutat oder Beilage in Kombination gereicht werden (zBsp Bratenfleisch und Soße).
„Speisefette“ sind ähnlich zu „Butter“, was sich ohne weiteres aus der Überschnei-
dung in Art und Verwendungszweck erschließt. Auch „Speiseöle“ der jüngeren
Marke sind noch ähnlich zu „Gewürzen“ und „Saucen“ der Widerspruchsmarke.
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Diese Waren ergänzen sich nicht nur bei der Zubereitung von Speisen, sondern
werden zur Herstellung von Saucen verwendet, zumal es darüber hinaus auch Öle
mit Gewürzkräutern gibt (vgl. dazu Beschlüsse des BPatG vom 10. Juli 1996
- Az.: 28 W (pat) 20/95 – SENATOR/Senator und vom 25. Mai 2000 – Az.:
28 W (pat) 46/99 – RENCO/BENCO, siehe auch Richter/Stoppel „Die Ähnlichkeit
von Waren und Dienstleistungen“, 12. Aufl., S. 137, 139, 311 und 312). Auch
angesichts der häufigen gemeinsamen Werbung für diese Produkte und des
räumlich nahen Angebots in Vertriebsstätten wie Supermärkten ist daher zwanglos
von einer Ähnlichkeit auch dieser Vergleichswaren auszugehen.
Im Ergebnis führen diese Feststellungen vor dem Hintergrund der großen klangli-
chen Nähe der Markenwörter zwangsläufig zur Annahme einer Verwechslungs-
gefahr im markenrechtlichen Sinne, so dass die Markenstelle zutreffend in diesem
Umfang die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
Was die Beschwerde der Widersprechenden betrifft, musste diese mangels Ähn-
lichkeit der Waren „Reis, Tapioka, Sago, Mehle“ der angegriffenen Marke zu den
Waren der Widerspruchsmarke zurückgewiesen werden. Hinsichtlich dieser Wa-
ren fehlt es nicht nur an einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft, sondern es
bestehen auch keine solch regelmäßigen Berührungspunkte, die bei den ange-
sprochenen Verkehrskreisen bei gleicher Kennzeichnung den Eindruck hervorru-
fen könnten, die betreffenden Hersteller würden sich auf dem jeweils anderen Ge-
biet eigenständig gewerblich betätigen. Dem Verkehr ist vielmehr bekannt, dass
die Anbieter der Waren „Reis, Tapioka, Sago, Mehle“ nicht gleichzeitig in eigen-
ständiger wirtschaftlicher Betätigung die Waren der Widerspruchsmarke herstel-
len. Dementsprechend ist bislang in ständiger Spruchpraxis keine Ähnlichkeit etwa
zwischen „Mehlen“ und „Backpulver“ oder „Backwaren“ angenommen worden, ei-
nerseits aufgrund der unterschiedlichen Einsatzzwecke und Inhaltsstoffe, anderer-
seits wegen der verschiedenen Verarbeitungsstufen als Grundsubstanz und kon-
sumierbares Endprodukt (vgl. Richter/Stoppel aaO S. 231). Soweit die Wider-
sprechende die Grenzen der Ähnlichkeit in Relation zu der von ihr (allerdings völlig
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unsubstantiiert) behaupteten angeblich erhöhten Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke auch auf die vorliegenden Waren ausdehnen will, fehlt es für die-
ses Vorbringen nicht nur an den entsprechenden rechtlichen Vorschriften, sondern
dieser Argumentation ist spätestens auch seit der Entscheidung des EuGH zu
Canon (GRUR 1998, 922) jede Grundlage entzogen.
Im Ergebnis hatten damit beide Beschwerden keinen Erfolg, eine Kostenentschei-
dung war indes nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).
Stoppel Paetzold
von
Schwichow
Bb