Urteil des BPatG vom 15.11.2007

BPatG (stand der technik, druckschrift, patent, antrag, verhandlung, patg, anhörung, rückzahlung, fachmann, busse)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
15. November 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 196 51 108
23 W (pat) 13/04
Verkündet am
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hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 15. November 2007 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dr. Tauchert sowie der Richter Knoll, Lokys und Maile
beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 1.33 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 25. November 2003 wird aufgeho-
ben und das Patent wird aufrechterhalten.
2. Der Antrag der Patentinhaberin auf Rückzahlung der Be-
schwerdegebühr wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Auf die am 9. Dezember 1996 eingegangene Patentanmeldung, für die die Priori-
tät der Anmeldung in Japan vom 11. April 1996 in
Anspruch genommen ist, hat die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen
Patent- und Markenamts das nachgesuchte Patent 196 51 108 (Streitpatent) mit
der Bezeichnung „Halbleitereinrichtung des Grabentyps mit hoher Durchbruch-
spannung und ihr Herstellungsverfahren“ erteilt. Das am 23. November 2000 ver-
öffentlichte Patent enthält je drei nebengeordnete Vorrichtungs- und Verfahrens-
ansprüche.
Nach Prüfung eines für zulässig erklärten Einspruchs hat die Patentabteilung 1.33
des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitpatent mit Beschluss vom
25. November 2003 in vollem Umfang widerrufen.
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In den Beschlussgründen ist ausgeführt, dass die Halbleitereinrichtung mit hoher
Durchbruchspannung nach dem erteilten Anspruch 1 gegenüber dem Offenba-
rungsgehalt der auf einer älteren Anmeldung beruhenden nachveröffentlichten
deutschen Offenlegungsschrift DE 195 22 161 A1 nicht neu sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Die im Verfahren eingeführten Druckschriften sind:
-
Matsushita et al., „Blocking Voltage Design Consideration for Deep Trench
MOS Gate High Power Devices“ in Proc., ISPSD 95, Seiten 256 bis 261
Kitagawa et al., „4500V IEGTs having Switching Characteristics Superior to
GTO“ in Proc., ISPSD 95, Seiten 486 bis 491
-
JP 07-050405 A
-
DE 195 22 161 A1
-
US 5 448 083
-
EP 668 616 A2
-
EP 527 600 A1
- Stengl/Tihanyi:
„Leistungs-MOS-FET-Praxis“, Pflaum-Verlag; München 1992
Seiten 33 bis 36 sowie Seite 106
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und
-
B. J. Baliga: „Modern Power Devices“, Krieger Publishing Company, 1992
Malabar, Florida, USA, Seiten 352 und 353 sowie Seite 439
In der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2007 trägt der Vertreter der
Patentinhaberin sinngemäß vor, dass der im Verfahren befindliche Stand der
Technik dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht patenthindernd entge-
genstehe; insbesondere sei dieser neu gegenüber der Druckschrift D4.
Die Patentinhaberin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 1.33 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 25. November 2003 aufzuheben und das
Patent aufrechtzuerhalten.
Außerdem beantragt sie,
die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Vertreter der Einsprechenden macht hierzu in der Verhandlung geltend, dass
der Gegenstand des Anspruchs 1 unter Berücksichtigung des fachmännischen
Wissens vollständig aus der Druckschrift D4 zu entnehmen sei und die bean-
spruchte Halbleitereinrichtung mit hoher Durchbruchspannung daher nicht neu
und somit nicht patentfähig sei.
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Der geltende, mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:
a)
mit
hoher Durchbruchsspannung mit:
b)
(1) eines ersten Leitungstyps mit ei-
ner ersten und einer zweiten Hauptoberfläche,
c)
rungsschicht (4) eines zweiten Leitungstyps,
d)
einander angeordnet sind,
e)
f)
substrat (1) erstreckt,
g)
h)
und
i)
aus einem elektrischen Leiter gebildet ist, aufweist,
j)
typs, die nahe einer Oberfläche der ersten Dotierungsschicht
(4) gebildet sind und die an gegenüberliegenden Seiten eines
Gategrabens (70) angeordnet sind,
k)
Hauptelektrodenschicht (10),
l)
dazwischen vorgesehen ist
m)
ersten Dotierschicht (4) verbunden ist,
n)
tierungsschicht (3) des zweiten Leitungstyps und
o)
gebildeten zweiten Hauptelektrodenschicht (11), und
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q)
tersubstrat (11)
p)
Wegen der geltenden erteilten selbstständigen Ansprüche 2 bis 6; welche im Ver-
lauf des Verfahrens nicht angegriffen wurden, wird auf die Streitpatentschrift und
wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin hat nach dem Ergebnis der mündli-
chen Verhandlung zwar insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und zur Aufrechterhaltung des Patents, nicht jedoch zur Rückzahlung
der Beschwerdegebühr führt.
1.) Die Zulässigkeit des Einspruchs ist auch im Beschwerdeverfahren von Amts
wegen zu überprüfen . Im
vorliegenden Fall bestehen gegen die Zulässigkeit des Einspruchs seitens des Se-
nats insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist
den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und dazu
der erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des erteilten
Patentanspruchs 1 des Streitpatents sowie dem Stand der Technik nach Druck-
schrift D4 unter Einbeziehung des fachmännischen Wissens und Könnens herge-
stellt, d. h. die Tatsachen im einzelnen angegeben hat, aus denen sich ergeben
soll, dass das Patent zu widerrufen ist
.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin im Übrigen auch nicht
bestritten worden.
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2.) Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 6 des Streitpa-
tents bestehen insofern keine Bedenken, als sich diese von den ursprünglichen
Patentansprüchen lediglich durch - ursprünglich offenbarte - klarstellende Ände-
rungen und die Berichtigung offensichtlicher Fehler unterscheiden.
3.) Das Streitpatent geht von einer bekannten - druckschriftlich nicht belegten -
Halbleitereinrichtung mit hoher Durchbruchsspannung gemäß Fig. 49 mit zugehö-
riger Beschreibung aus.
Diese Halbleitereinrichtung unterscheide sich von der nunmehr im Anspruch 1 Be-
anspruchten durch das Fehlen der Isolierschicht (15). Bei der aus Fig. 49 be-
kannten Vorrichtung sei beim Ausschalten der Halbleitereinrichtung mit stoßer-
zeugten Ladungsträgern zu rechnen, was das Ausschalten der Halbleitereinrich-
tung verzögere .
Darüber hinaus bestehe der Wunsch, dass zur Erhöhung der im Kanal fließenden
Elektronen, der Löcherstrom in die erste Dotierungsschicht 4 zu reduzieren sei. Im
Streitpatent werden hierzu Maßnahmen aus dem Stand der Technik angegeben
(Druckschriften 1 bis 3). Alle hier vorgeschlagenen Maßnahmen hätten jedoch den
Nachteil, dass bei ihnen entweder die Gatekapazität ansteige bzw. sich die Durch-
bruchsspannung erniedrige.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatentgegenstand als technisches Prob-
lem die Aufgabe zugrunde, eine Halbleitereinrichtung des Gategrabentyps mit ei-
ner hohen Durchbruchsspannung zur Verfügung zu stellen, die eine hohe Durch-
bruchsspannung erreichen kann, ohne eine Gatekapazität in einem AUS-Zustand
der Einrichtung zu erhöhen, deren Sättigungsspannung reduziert werden kann,
ohne die Durchbruchspannung im AUS-Zustand zu reduzieren und deren Aus-
schaltverlust reduziert ist. .
Diese Aufgabe wird mit der Halbleitereinrichtung mit hoher Durchbruchspannung
nach den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents gelöst.
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Das Vorsehen einer Isolierschicht (15) an Positionen in dem Halbleitersubstrat (1)
zwischen den Gategräben (70) ermögliche es, gleichzeitig alle drei in der Aufga-
benstellung genannte Bauelementkenngrößen so zu optimieren, dass die jeweils
anderen Größen nicht negativ beeinflusst werden.
.
4.) Der hier zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Leistungs-Halb-
leitereinrichtungen befasster, berufserfahrener Diplom-Ingenieur der Elektrotech-
nik oder ein Diplom-Physiker jeweils mit Hochschulausbildung.
5.) Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist neu hinsichtlich des Offen-
Merkmale
und
schrift D4 weder direkt noch indirekt zu entnehmen.
Druckschrift D4 lehrt , dass die vorzusehenden Gategräben der dort
beanspruchten Halbleitereinrichtung an der Grenzfläche zwischen der ersten Do-
tierungsschicht des zweiten Leitungstyps und dem Halbleitersubstrat . Eine
schaltfähige IGBT-Halbleitereinrichtung ist durch diese Anordnung zweifelsfrei und
unbestritten hergestellt. Weitere Hinweise zur Ausgestaltung des Grabens, insbe-
sondere zu einer Erstreckung des Grabens in das Halbleitersubstrat - wie im
Merkmal
Druckschrift D4 lehrt ferner , dass die
Isolierschicht der ersten Dotierungsschicht und dem Halbleitersubstrat
liegt . Einen Hinweis die erste Dotierungs-
Merkmal q)
sprucht - vorzusehen, kann der DruckschriftD4 ebenfalls nicht entnommen wer-
den.
- 9 -
Merkmal f)
zur Herstellung der Gategräben verwendeten Ätzverfahrens bzw. des schaltungs-
technischen Hintergrunds der Halbleitereinrichtung, in Druckschrift D4 vom Fach-
mann mitgelesen wird, kann vom Senat nicht gefolgt werden:
Neben dem von der Einsprechenden zur Argumentation angeführten Ätzverfahren
existieren unstrittig noch weitere Verfahren zur Erzeugung der Gategräben, bei-
spielsweise die Grabenerzeugung bei einer epitaktischen Abscheidung der ersten
Dotierungsschicht.
Entgegen den Ausführungen der Einsprechenden vermögen zufällige Variationen
der Ätztiefe der Gategräben nicht den Fachmann dazu anzuregen, das Bauele-
ment so auszugestalten, dass die Gategräben bis in das Halbleitersubstrat
hineinreichen. Insofern ist die Argumentation auch nicht geeignet, ein
Naheliegen des iRs Merkmals zu begründen.
Merkmals q)
Verwendung eines Implantationsverfahrens die iRs Isolierschicht dem Halblei-
tersubstrat ausgebildet wird, vermag der Senat ebenfalls nicht folgen, denn in der
Druckschrift D4 ist nicht offenbart, die Isolierschicht sondern
einer Implantation herzustellen ist . Hier-
aus in Zusammenschau mit der Fig. 2 abzuleiten, die Isolierschicht läge zwingend
in dem Halbleitersubstrat, ist jedoch für den Fachmann nicht möglich, ohne dass
dieser hierbei selbst erfinderisch tätig werden müsste.
Vielmehr wird er die Anregung der Druckschrift D4 aufgreifen, und die Isolier-
schicht wie dort beschrieben - abweichend von dem im Streitpatent Beanspruch-
ten - genau zwischen den entsprechenden Schichten anordnen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist somit aus der nicht vorveröffentlich-
ten und somit nur im Rahmen der Neuheitsprüfung heranzuziehenden Druck-
schrift D4 vom eingangs zugrunde gelegten Fachmann nicht zu entnehmen.
- 10 -
Die weiteren im Verfahren genannten Druckschriften sind nicht geeignet, die Pa-
tentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in Abrede zu stellen, da sie er-
sichtlich das Vorsehen einer Isolierschicht in dem Halbleitersubstrat bzw. zwi-
schen dem Halbleitersubstrat und der ersten Dotierungsschicht weder lehren,
noch dazu eine Anregung geben.
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 hat somit Bestand.
6.) Auch die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 2 bis 6 werden durch
den im Verfahren befindlichen Stand der Technik ersichtlich weder einzeln noch in
Kombination vorweggenommen oder durch diesen nahegelegt. Die nebengeord-
neten Ansprüche 2 bis 6 haben daher ebenfalls Bestand.
III
Der Antrag der Inhaberin des angegriffenen Patents auf Rückzahlung der Be-
schwerdegebühr war zurückzuweisen. Nach § 80 Abs. 3 PatG kann die Rückzah-
lung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit ent-
spricht. Dies kann bei Verfahrensfehlern oder auch nur unsachgemäßer Sachbe-
handlung der Fall sein (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 80 Rdn. 66 ff.; Busse, PatG,
6. Aufl., § 80 Rdn. 95 m. w. N.).
Eine fehlerhafte oder unsachgemäße, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr
rechtfertigende Verfahrensweise kann der Patentabteilung indes nicht vorgewor-
fen werden. Insbesondere kann eine solche Verfahrensweise entgegen der von
der Inhaberin des angegriffenen Patents in der mündlichen Verhandlung geäußer-
ten Auffassung auch nicht darin gesehen werden, dass die Patentabteilung dem in
der Einspruchserwiderung vom 18. Juli 2001 hilfsweise gestellten Antrag auf An-
beraumung einer mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben hat, sondern ohne
Anhörung in der Sache entschieden hat. Die Verweigerung eines beantragten
Anhörungstermins stellt nicht schon für sich genommen einen Verfahrensfehler
- 11 -
dar. Eine Anhörung sollte nach der bis 30. Juni 2006 geltenden und für die vorlie-
gend angefochtene Entscheidung von November 2003 maßgeblichen Rechtslage
nur dann auf Antrag stattfinden, wenn sie sachdienlich war, § 59 Abs. 3 i. V. m.
§ 46 Abs. 1 Satz 2 PatG, wobei die Patentabteilung insoweit einen Beurteilungs-
spielraum hatte (vgl. Busse, 6. Aufl., § 46 Rdn. 13). Anders als im Anmelderbe-
schwerdeverfahren ist nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts die
Durchführung einer Anhörung nach der bis 30. Juni 2006 geltenden Rechtslage im
Einspruchsverfahren nicht als in der Regel sachdienlich angesehen worden (vgl.
dazu Busse, 6. Aufl., § 59 Rdn. 178; vgl. auch BPatGE 39, 204). Die Rechtslage
zur Notwendigkeit einer Anhörung hat sich erst durch das Gesetz zur Änderung
des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom
21. Juni 2006 (BGBl I Seite, 1318) mit Wirkung zum 1. Juli 2006 geändert, weil
nunmehr gemäß § 61 Abs. 3 PatG eine Anhörung stattfinden muss, wenn ein Be-
teiligter sie beantragt.
Im vorliegenden Einspruchsverfahren waren die Gesichtspunkte zur Patentfähig-
keit des angegriffenen Patents zwischen den Beteiligten schriftsätzlich diskutiert
worden, wobei jede Beteiligte zwei Schriftsätze eingereicht hat und zu den jeweils
von der Gegenseite aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen konnte. Bei dieser
Sachlage durfte die Patentabteilung davon ausgehen, dass die Standpunkte aus-
diskutiert sind und durch eine mündliche Verhandlung keine wesentlich neuen Er-
kenntnisse gewonnen werden. Jedenfalls kann die Vorgehensweise der Patentab-
teilung, nunmehr ohne Anhörung zu entscheiden unter dem Kostengesichtspunkt
des § 80 Abs. 3 PatG nicht als fehlerhaft angesehen werden.
Es war auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass die Patentabteilung das Patent in vol-
lem Umfang widerrufen hat, obwohl die Einsprechende mit ihrem Einspruch nur
den Patentanspruch 1 angegriffen hat. Dies verstößt entgegen der von der Patent-
inhaberin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht gegen den
Antragsgrundsatz. Die Patentabteilung darf zwar nach dem Antragsgrundsatz das
Patent grundsätzlich nur insoweit widerrufen als es angefochten ist (so klarstellend
- 12 -
die jüngste Rechtsprechung des BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermitt-
lungsverfahren II, in der zu dieser Frage die Rechtsprechung des BGH, GRUR
1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät - fortgeführt und weiterentwickelt wird;
differenzierend zu diesem Problem der Antragsbindung beim Einsprechenden die
bisherige Rechtsprechung des Bundespatentgerichts vgl. dazu Busse, 6. Aufl.,
§ 59 Rdn. 160 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen, insbesondere die sich
widersprechenden Entscheidungen BPatG GRUR 2002, 55 und BPatGE 42, 84).
Der Antragsgrundsatz gilt aber nicht nur für den Antrag der Einsprechenden, son-
dern auch für den Antrag der Patentinhaberin (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59
Rdn. 174; Busse, PatG, 6. Aufl., § 59 Rdn. 156-159 m. w. N.; siehe dazu auch - In-
formationsübermittlungsverfahren II a. a. O.). Die Patentinhaberin hatte beantragt,
dass Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, ohne dass sie etwa hilfsweise
auch die Aufrechterhaltung des Patents ohne den angegriffenen Patentan-
spruchs 1 beantragt hat. Aufgrund dieses Antrags war die Patentabteilung gehin-
dert, das Patent teilweise und damit in einer vom Antrag der Patentinhaberin ab-
weichenden Form aufrechtzuerhalten (vgl. dazu Schulte und Busse a. a. O.).
Vielmehr fiel aufgrund der Bindung an diesen Antrag vom Standpunkt der Patent-
abteilung zur fehlenden Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 folgerichtig mit die-
sem Patentanspruch das Patent insgesamt.
Auch unter dem Gesichtspunkt, im Rahmen der Verfahrensführung auf sachdienli-
che Anträge hinzuwirken, bestand für die Patentabteilung keine Veranlassung auf
einen entsprechenden Hilfsantrag hinzuwirken und deshalb einen Hinweis zu ge-
ben oder gar einen Anhörungstermin anzuberaumen. Entgegen der in der mündli-
chen Verhandlung geäußerten Auffassung konnte die Patentinhaberin durch den
vollen Widerruf des Patents nicht überrascht sein. Aufgrund der Angriffe der Ein-
sprechenden gegen den Patentanspruch 1 und aufgrund ihres eigenen Antrags
auf Aufrechterhaltung des Patents in dem erteilten Umfang musste sie damit rech-
nen, dass das Patent in vollem Umfang widerrufen wird, wenn die Patentabteilung
zur Frage der Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 der Auffassung der Einspre-
chenden folgt. Der Grundsatz der Antragsbindung auch an den Antrag der Patent-
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inhaberin gehört im Einspruchsverfahren zum verfahrensrechtlichen Basiswissen
und steht in der patentrechtlichen Literatur und Rechtsprechung außerhalb jeder
Diskussion, vgl. die oben genannten Fundstellen. Die Patentinhaberin war anwalt-
schaftlich vertreten und für die Patentabteilung bestand keine Veranlassung, sie
vor einer Entscheidung auf die ohne weiteres vorhersehbaren möglichen Folgen
ihrer Antragstellung hinzuweisen. Aus den Schriftsätzen der Patentinhaberin erge-
ben sich im Übrigen keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sie Interesse auch
an der beschränkten Aufrechterhaltung ihres Patent hatte, was dann für die Pa-
tentabteilung Anlass geboten hätte, einen Hinweis zu geben bzw. auf einen ent-
sprechenden Hilfsantrag hinzuwirken.
Unter dem Aspekt einer Rückerstattung der Beschwerdegebühr aus Billigkeits-
gründen war die Verfahrensweise der Patentabteilung somit nicht zu beanstanden,
so dass dem Antrag der Patentinhaberin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr
nicht entsprochen werden konnte.
Dr. Tauchert
Knoll
Lokys
Maile
Be