Urteil des BPatG vom 18.10.2000
BPatG (marke, verwechslungsgefahr, dienstleistung, werbung, veranstaltung, verkehr, kennzeichnungskraft, beschwerde, begriff, verwendung)
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 78/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 395 43 899.3
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Meinhardt, die
Richterin Pagenberg und den Richter Guth
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der Wortmarke 395 43 899.3
Kom:m
eingetragen für die Dienstleistungen
"35: Werbung auch durch Multimediaeinsatz; 38: Telekommuni-
kation; 41: Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; 35:
Veranstaltung von Messen für wirtschaftliche Zwecke; Veranstal-
tung von Messen für Werbezecke; 42: Veranstaltung von Messen
für technische Zwecke; 41: Organisation und Veranstaltung von
Kongressen."
hat die Inhaberin der Wortmarke 394 02 593
- 3 -
com:com
die für die Dienstleistung
"Werbeberatung"
eingetragen ist, Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.
Trotz der kollisionsfördernden Nähe der Dienstleistungen "Werbung" und "Werbe-
beratung" sei die Ähnlichkeit der Marken in ihrer Gesamtheit in jeglicher Richtung
zu verneinen. Der Schutzbereich der Widerspruchsmarke bemesse sich nach
Maßgabe ihrer die Eintragbarkeit begründenden Eigenprägung im Gesamtein-
druck. Aus dem Wortelement "com" könne die Widersprechende keinen isolierten
Schutz beanspruchen. Für die Gefahr gedanklicher Verwechslungen fehle es an
sicheren Anhaltspunkten, daß der Markengestaltung als solcher Hinweischarakter
für die Widersprechende zukomme.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde begehrt die Widersprechende weiter-
hin die Löschung der jüngeren Marke. Zur Begründung macht sie geltend, die
beiden Marken seien bereits phonetisch verwechselbar. Sie würden aber auch
schriftbildlich durch die phantasievolle und eigentümliche Verwendung des Dop-
pelpunktes im mittleren Bereich des jeweiligen Markenwortes vom Verkehr ge-
danklich in Verbindung gebracht werden, zumal die beiden Dienstleistungen
"Werbung" und "Werbeberatung" identisch seien.
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Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der
jüngeren Marke zu verfügen.
Die Inhaberin der jüngeren Marke hat sich nicht geäußert.
II
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach Auffassung des Senat ist eine Verwechslungsgefahr der jüngeren Marke
"Kom:m" mit der Widerspruchsmarke "com:com" im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG zu verneinen.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls umfassend zu erfolgen hat, ist von einer Wechselbezie-
hung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlich-
keit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Danach kann ein ge-
ringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit
der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (BGH GRUR 1999, 995, 997
- HONKA m.w.N.; Beschl. v. 10.11.1999 - I ZB 13/97, MarkenR 2000, 138, 139
- Ketof/ETOP; Beschl. v. 15.12.1999 - I ZB 29/97, MarkenR 2000, 319, 321 -
FRENORM/FRENON).
Die jüngere Marke beansprucht Schutz für eine Reihe von Dienstleistungen, bei
denen die Ähnlichkeit mit der Dienstleistung der Widerspruchsmarke nicht oder
allenfalls entfernt gegeben ist. Soweit die jüngere Marke für die Dienstleistung
"Werbung auch durch Multimediaeinsatz" eingetragen ist, besteht zwar Identität
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mit der Dienstleistung "Werbeberatung" der Widerspruchsmarke, weil diese unter
den Begriff der Dienstleistung "Werbung" fällt. Auch kann von einer normalen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Ungeachtet
der Frage, ob der Verkehr in dem Markenelement "com" eine Anspielung auf die
Begriffe "communication, commercial, computer" oder auf die Domainabkürzung
".com" sieht, bezieht die Widerspruchsmarke ihre Kennzeichnungskraft nämlich
insgesamt aus der Verdoppelung des Bestandteils "com" und der Verwendung
des Doppelpunktes in der Wortmitte. Das sich aus der für einen Teil der Dienstlei-
stungen bestehenden Identität und der normalen Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke ergebende Erfordernis eines deutlichen Abstandes der jüngeren
Marke von der Widerspruchsmarke ist hier jedoch noch erfüllt. Die beiden Marken
unterscheiden sich insoweit im maßgeblichen Gesamteindruck ausreichend, um
die Gefahr unmittelbarer wie assoziativer Verwechslungen zu verneinen.
In klanglicher Hinsicht fallen die Unterschiede besonders auf, weil der gemein-
same Doppelpunkt akustisch nicht in der dem Schriftbild entsprechenden Weise
zur Geltung kommt. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Doppelpunkt
weder als solcher mitgesprochen noch bei der Aussprache mit einer deutlichen
Zäsur hervorgehoben wird. Insbesondere bei der jüngeren Marke kommt hinzu,
daß ein zweiter Konsonant "m" üblicherweise stumm bleibt und allenfalls die
Aussprache des vorangehenden Vokals beeinflußt. Ergibt sich damit in der Regel
eine Benennung der Widerspruchsmarke wie "comcom" und der jüngeren Marke
wie "Komm", so sind die Klangbilder unüberhörbar verschieden.
Im Schriftbild kann das auffällige "K" am Wortanfang der jüngeren Marke gegen-
über dem auf einer Höhe gehaltenen "c" der Widerspruchsmarke nicht unbemerkt
bleiben. Die beiden Marken weisen zwar beide den wegen seiner Anordnung be-
merkswerten Doppelpunkt auf. Der optische Eindruck, den die Widerspruchs-
marke vermittelt, wird durch den Doppelpunkt aber auch maßgeblich in die Rich-
tung von Symmetrie und Wiederholung gelenkt, der in der jüngeren Marke keine
Entsprechung findet. Die primär visuelle Verarbeitung einer Marke, die die klang-
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liche Wiedergabe und die begriffliche bzw semantische Erfassung beeinflußt, legt
bei der Widerspruchsmarke eine Verdoppelung ohne ausgeprägte Bedeutung
nahe, während sie bei der jüngeren Marke den Gedanken an die Aufforderung des
existierenden Wortes "Komm" aufkommen läßt, insbesondere wenn die Marke in
entsprechender Weise für die Werbedienste und diversen Veranstaltungen des
Dienstleistungsverzeichnisses verwendet wird.
Der Sinngehalt trägt jedenfalls für diejenigen Verkehrskreise zur besseren Unter-
scheidbarkeit der Bezeichnungen bei, die die jüngere Marke als Abwandlung der
Aufforderung "Komm" auffassen (vgl BGH GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL
m.w.N.).
Für unmittelbar begriffliche Verwechslungen der Marken fehlt es bei der Wider-
spruchsmarke "com:com", die die unterschiedlichsten Vorstellungen hervorruft und
selbst keinen jedermann verständlichen Begriff darstellt, an einem der Auffor-
derung "Komm" entsprechenden Sinngehalt.
Soweit die Widersprechende geltend macht, die Marken würden wegen der ei-
gentümlichen Verwendung des Doppelpunktes vom Verkehr gedanklich in Ver-
bindung gebracht werden, kann dem nicht gefolgt werden. Denn nicht jegliche wie
auch immer geartete gedankliche Assoziation kann als relatives Schutzhindernis
im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG angesehen werden. Vielmehr fallen unter
diesen gesetzlichen Tatbestand ausschließlich Fälle einer markenrechtlichen
Verwechslungsgefahr (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 Sabél/Puma; Altham-
mer/Ströbele MarkenG 6. Aufl, § 9 Rdn 206).
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Die Übereinstimmung der Marken im Doppelpunkt reicht weder für die Bejahung
der unmittelbaren - wie bereits ausgeführt - noch der assoziativen Verwechs-
lungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Serienmarke oder der Verwechslungs-
gefahr im weiteren Sinne aus. Der Doppelpunkt innerhalb eines Wortes verkörpert
selbst keinen geläufigen Begriff, so daß eine mittelbare begriffliche Ver-
wechslungsgefahr ausscheidet. Im übrigen ist nicht erkennbar und von der Wi-
dersprechenden auch nicht substantiiert dargelegt, daß der Doppelpunkt im Ver-
kehr Hinweischarakter auf die Widersprechende hat oder daß der charakteristi-
sche Aufbau der Marke auf die Widersprechende hinweist, weil sie bereits eine
Reihe ähnlich gebildeter Marken benutzt.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlaß (§ 71 Abs 1
MarkenG).
Meinhardt
Richter Guth ist wegen Ur-
laubs verhindert zu unter-
schreiben.
Meinhardt
Pagenberg
Cl/Hu