Urteil des BPatG vom 19.11.2001
BPatG (marke, beschwerde, verwechslungsgefahr, betrieb, umfang, computer, bild, sprache, daten, klasse)
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 237/00
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(Aktenzeichen)
Zugestellt an
Verkündungs Statt
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 396 54 078
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dr. Buchetmann, des Richters Voit und der Richterin Schwarz-
Angele
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 29. September 2000 aufgehoben, soweit die Löschung der
Marke 396 54 078 bezüglich der Dienstleistungen "Mehrwertdiens-
te bei der Benutzung der Netzwerke, nämlich Datenbankdienste
sowie entgeltliche Informationsdienste für Wetternachrichten, Ver-
kehrsnachrichten oder Bestellservice" angeordnet worden ist.
Insoweit wird der Widerspruch aus der Marke 29 01 846 erneut
zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 54 078 die
Marke
siehe Abb. 1 am Ende
als Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen
"Geräte, Apparate und Netzwerke zur Ver- und Übermittlung von
Daten, insbesondere Sprache, Text und Bild über Funk- und Fest-
netze; Betrieb von Netzwerken zur Übertragung von Daten, Bil-
dern und Sprache und Offline- sowie Online-Multimediadienste,
transportspezifische Fest- und Mobilfunkdienste sowie Telematik-
dienste; Mehrwertdienste bei der Benutzung der Netzwerke, näm-
lich Datenbankdienste, sowie entgeltliche Informationsdienste für
Wetternachrichten, Verkehrsnachrichten oder Bestellservice; Pro-
jektierung einschließlich Planung und Entwicklung, Installation,
Wartung und Reparatur sowie Betrieb der vorgenannten Waren;
Entwicklung, Erstellung und Wartung von Datenverarbeitungspro-
grammen für den Betrieb der vorgenannten Netzwerke".
Die Marke ist in blauer Schrift (die obere Wölbung des zweiten Buchstabens ist
rot) gehalten.
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Widerspruch erhoben hat die rangältere Marke 2 901 846
NETRA,
die ua für
Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton
und Bild; Magnetaufzeichnungsträger..., Datenverarbeitungsgeräte
und Computer; Computer-Peripheriegeräte, Computerdrucker,
Computertastaturen, Computermäuse, Joysticks, Computerbild-
schirme, integrierte Schaltkreise, Computersoftware (soweit in
Klasse 9 enthalten),
eingetragen ist. Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Marken-
amts hat mit Erstbeschluß eine teilweise Löschung der angemeldeten Waren und
Dienstleistungen angeordnet und den Widespruch im Übrigen zurückgewiesen.
Hiergegen haben beide Beteiligten Erinnerung eingelegt, worauf die Markenstelle
mit Erinnerungsbeschluß die Löschung der angegriffenen Marke in vollem Umfang
angeordnet hat.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke. Sie ist
der Ansicht, die gegenüberstehenden Zeichen seien aufgrund ihrer graphischen
Gestaltung sowie der Möglichkeit, dass die jüngere Marke als NOXTRA oder
NCTRA artikuliert werde, hinreichend unterschiedlich, um Verwechslungen zu
vermeiden.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Eintragung
der jüngeren Marke in vollem Umfang zu bestätigen.
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Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht ist die Entscheidung der Markenstelle zutreffend, denn bei ei-
ner Gegenüberstellung der Marken in schwarz-weiß kämen sie sich klanglich zu
nahe. Zudem bestünde eine große Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, denn
die gegenüberstehenden Technologien würden mehr und mehr zusammenwach-
sen.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den Akteninhalt Be-
zug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und 2 MarkenG), hat im überwiegenden
Umfang aber keinen Erfolg. Bei identischen und erheblich ähnlichen Waren und
Dienstleistungen besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2
MarkenG, bei den weiter entfernten Dienstleistungen ist eine solche Verwechs-
lungsgefahr zu verneinen.
Zur Entscheidung der Frage, ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, sind insbe-
sondere die Faktoren Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken unter Berücksich-
tigung des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen (ständige Rechtsprechung, zu-
letzt BGH MarkenR 2001, 465 - Bit/Bud). Ob Waren untereinander ähnlich sind,
richtet sich nach deren Art und Nutzung, ihrem Verwendungszweck und ihrer Ei-
genart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (EuGH,
GRUR 1998, 992 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN), wobei der
Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen ist.
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Glaubt der Verbraucher, wenn er beide Produkte und Dienstleistungen nebenein-
ander mit identischen Kennzeichnungen sieht, sie entstammten demselben Un-
ternehmen bzw die Unternehmen seien wirtschaftlich miteinander derart verfloch-
ten, dass die jeweiligen Unternehmer die Produktverantwortung übernimmt, so
liegt Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit vor.
Im vorliegenden Fall besteht teilweise Warenidentität (Geräte, Apparate zur Ver-
und Übermittlung von Daten, insbes Sprache, Text und Bild über Funk- und Fest-
netze), im Bezug auf die weiteren von der Löschung erfaßten Waren und Dienst-
leistungen ist von einer deullicheren Ähnlichkeit zu den Waren der Wider-
spruchsmarke auszugehen. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, er-
folgt der Betrieb von Netzwerken und der dadurch angebotenen Dienstleistung
regelmäßig unter Einsatz von Datenverarbeitungsgeräten und speziellen Daten-
verarbeitungsprogrammen, so dass erst diese die technische Voraussetzung für
die Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen bieten, wobei Netzwerke auch
schon beim Verknüpfen einiger weniger Computer vorliegen, also mit einfachen
Mitteln herzustellen sind.
Angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
- ein beschreibender Bedeutungsanklang des Wortes NETRA an die geschützten
Waren ist nicht erkennbar - muß die jüngere Marke deshalb einen deutlichen Mar-
kenabstand einhalten, der insoweit nicht gewahrt ist. Marken wirken in klanglicher,
bildlicher und begrifflicher Hinsicht; besteht nur in einem Aspekt Verwechslungs-
gefahr, so ist die jüngere Marke zu löschen. Hier stehen die Marken bei den im
Tenor genannten Waren und Dienstleistungen klanglich zu nahe. Entgegen der
Ansicht der Inhaberin der jüngeren Marke kann nicht davon ausgegangen werden,
dass diese Wort-/Bildzeichen regelmäßig wie "en-o-extra" oder en-ce-extra ausge-
sprochen wird. Die Gestaltung der Marke selbst, nämlich die feine blaue Linie un-
terhalb des weißen Striches, der das gesamte Wort durchschneidet, die zwar pri-
mär die Funktion haben mag, den weißen Strich besser erkennen zu lassen, be-
wirkt doch auch, dass damit der Querstrich eines kleinen e angedeutet wird. Ein
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solcher Querstrich legt es weniger nahe, diesen Buchstaben als ein o oder ein c
zu lesen. Maßgebende Teile des Verkehrs werden die jüngere Marke deshalb mit
NEXTRA aussprechen. Stehen sich aber NEXTRA und NETRA gegenüber, so ist
eine Verwechslungsgefahr nur bei merkbar auseinanderliegenden Waren und
Dienstleistungen zu verneinen. Dies kann nur bei den spezielleren Dienstleistun-
gen "Mehrwertdienste bei der Benutzung der Netzwerke, nämlich Datenbank-
dienste sowie entgeltliche Informationsdienste für Wetternachrichten, Verkehrs-
nachrichten und Bestellservice" bejaht werden, denn dabei handelt es sich um
eigenständige Bereiche hierauf eigens eingestellter Dienstleistungsbetriebe, die
nicht ohne weiteres von den Betrieben mitangeboten werden, die sich mit der Her-
stellung und dem Vertrieb von Computerhardware befassen. Insoweit mag zwar
noch Ähnlichkeit zu den Waren bestehen, die jedoch allenfalls entfernter einzustu-
fen ist. Hinzu kommt, dass bei deren Inanspruchnahme der Verkehr in der Regel
eine erhöhte Sorgfalt aufwendet. Insoweit hat die Beschwerde deshalb Erfolg. Im
überwiegenden Umfang jedoch war die Beschwerde zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung besteht kein Anlaß (§ 71 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Dr. Buchetmann
Voit
Schwarz-Angele
Hu
Abb. 1