Urteil des BPatG vom 16.09.2009

BPatG: recht auf akteneinsicht, patent, persönliche daten, schutzwürdiges interesse, geheimhaltung, anmeldeverfahren, bestandteil, wortmarke, unterscheidungskraft, farbe

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 14/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 305 28 905.5
(hier: Akteneinsicht)
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) durch die Vorsitzende Richterin
Grabrucker, die Richterin Kopacek und den Richter Dr. Kortbein in der Sitzung
vom 16. September 2009
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin ist Inhaberin der Wortmarke
304 33 415 "klickYellow". Gegen die Eintragung der Marke hat die Antragsgegne-
rin und Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus ihrer Marke 396 21 465
"Yellow Pages" und den Widerspruch u. a. auf die Übereinstimmung der Marken
im Bestandteil "Yellow" gestützt, weshalb eine unmittelbare Verwechslungsgefahr
im engeren Sinn gegeben sei. Das Wort "Yellow" weise, ebenso wie das Wort
"gelb" und die Farbe Gelb auf die Beschwerdeführerin hin. Die Beschwerdegeg-
nerin hat daher mit Antrag vom 16. Juli 2008 Akteneinsicht in die Anmeldung der
Wortmarke 305 28 905.5 "Yellow" beantragt mit der Begründung, sie müsse sich
Klarheit darüber verschaffen, ob es sich bei dem fraglichen Zeichen "Yellow" um
eine für die Beschwerdeführerin schutzfähige oder um eine frei verwendbare
beschreibende bzw. nicht unterscheidungskräftige Angabe handele. Die Be-
schwerdeführerin hat der Akteneinsicht widersprochen und ihrerseits dargelegt, es
bestehe diesbezüglich kein berechtigtes Interesse.
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Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der
Antragstellerin mit Beschluss vom 12. September 2008 Einsicht in die Akten der
Markenanmeldung 305 28 905.5 gewährt. Die dagegen gerichtete Erinnerung der
Beschwerdeführerin ist mit Beschluss vom 7. Januar 2009 zurückgewiesen wor-
den. Zur Begründung hat das Deutsche Patent- und Markenamt ausgeführt, die
Beschwerdegegnerin müsse sich vergewissern, ob der Begriff "Yellow" auf die Be-
schwerdeführerin hinweise bzw. mit dieser in Verbindung gebracht werde. Die Be-
schwerdegegnerin müsse ihr berechtigtes Interesse nur kursorisch darlegen, um
eine rechtliche Würdigung zu ermöglichen. Dies habe sie vorliegend getan, da sie
eine Einschätzung treffen wolle, welche Aussichten der gegen ihre Marke
"klickYellow" erhobene Widerspruch insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung
des Bestandteils "Yellow" habe. Durch die Akteneinsicht werde auch nicht in
schutzwürdige Belange der Beschwerdeführerin eingegriffen; sie könne sich nicht
darauf berufen, dass bestimmte Details aus dem Geschäftsleben geheim bleiben
müssten, wenn diese Teil des Markenprüfungs- und -eintragungsverfahrens seien,
wie z. B. Gutachten zur Verkehrsdurchsetzung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin. Sie vertritt die
Auffassung, der Beschwerdegegnerin stehe kein Recht auf Akteneinsicht gemäß
§ 62 Abs. 1 MarkenG zu, denn sie habe kein konkretes berechtigtes Interesse
glaubhaft gemacht. Die Beschwerdeführerin habe ihren Widerspruch gegen die in
Rede stehende Marke ausschließlich auf die Marke 396 21 465 "Yellow Pages"
gestützt. Im vorliegenden Anmeldeverfahren "Yellow" habe sie zudem verschiede-
ne Verkehrsgutachten und Meinungsumfragen zu "Gelbe Seiten" und "gelb" vorge-
legt, weshalb ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung bestehe. Durch die
vom Deutschen Patent- und Markenamt gewährte Einsicht werde das informa-
tionelle Recht auf Selbstbestimmung der Beschwerdeführerin nach Art. 2 Abs. 1
i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.
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Die Beschwerdeführerin beantragt daher sinngemäß,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
12. September 2008 und vom 7. Januar 2009 aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen eines berechtigten Interesses
nach § 62 Abs. 1 MarkenG lägen vor. Es komme wesentlich darauf an, dass die
Beschwerdeführerin behaupte, der Bestandteil "Yellow" in der Marke "Yellow Pa-
ges" sei unterscheidungskräftig. Da davon auszugehen sei, dass das Deutsche
Patent- und Markenamt im Anmeldeverfahren die Wortmarke "Yellow" im Hinblick
auf die fehlende Unterscheidungskraft beanstandet habe, bestehe ein erhebliches
Interesse an der Einsicht in die Markenakte. Überwiegende schutzwürdige Interes-
sen der Beschwerdeführerin stünden der Akteneinsicht nicht entgegen. Sofern die
Beschwerdeführerin argumentiere, aus den Akten des Anmeldeverfahrens würden
sich verschiedene Details anderer Markenanmeldeverfahren ergeben, sei dies
unbeachtlich, da die Akteneinsicht bei eingetragenen Marken in vollem Umfang
frei sei. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung werde darüber
hinaus nur dann anerkannt, wenn es sich um den Schutz von personenbezogenen
Daten ihrer Träger, namentlich der hinter der juristischen Person stehenden natür-
lichen Personen handele. Dies treffe auf Details aus Markenanmeldeverfahren
jedoch nicht zu, da auch Wirtschaftsdaten einer juristischen Person nur als per-
sonenbezogen angesehen würden, wenn diese einer Person als Alleinaktionär
oder Gesellschafter zuzurechnen seien.
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II.
Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache
keinen Erfolg. Zu Recht hat das Deutsche Patent- und Markenamt dem Antrag der
Beschwerdegegnerin stattgegeben. Die Beschwerdebegründung gibt keinen An-
lass für eine abweichende Beurteilung.
Die Beschwerdegegnerin hat ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht nach
§ 62 Abs. 1 MarkenG glaubhaft gemacht.
1.
Für die Einsicht in die Akten angemeldeter, noch nicht eingetragener Marken
ist ein berechtigtes Interesse erforderlich. Berechtigt ist ein Interesse, wenn
die Kenntnis der Akten für das künftige Verhalten des Antragstellers bei der
Wahrung und Verteidigung von Rechten bestimmend sein kann und kein
überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Antragsgegners an der Ge-
heimhaltung des Inhalts der Anmeldeakten besteht (vgl. Ingerl/Rohnke, Mar-
kengesetz, 2. Aufl., § 62 Rdnr. 3).
Dass der Widerspruch nicht auf die vorliegend in Rede stehende Marken-
anmeldung "Yellow" gestützt worden ist, steht der Annahme eines berech-
tigten Interesses nicht entgegen. Gleiches gilt für den Umstand, dass die be-
treffende Anmeldung erst nach Erhebung des Widerspruchs eingereicht wor-
den ist. Auch wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung
die Frage, durch welchen Bestandteil die Widerspruchsmarke geprägt wird,
dahinstehen lässt, vertritt sie dennoch die Auffassung, sowohl das Wort
"gelb" als auch die Farbe "Gelb" sowie die englische Übersetzung "Yellow"
wiesen aufgrund ihrer Durchsetzung im Verkehr auf sie, die Beschwerdefüh-
rerin, hin. Dies rechtfertigt die Annahme, dass sich durch die Akteneinsicht
mögliche Erkenntnisse über die Schutzfähigkeit und die freie Verwendbarkeit
des
Begriffs
"Yellow",
die
auch
im
Widerspruchsverfahren
"klickYellow./.Yellow Pages" von Bedeutung sein können, etwa für den Grad
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der Kennzeichnungskraft des entsprechenden Bestandteils in der Wider-
spruchsmarke, gewinnen lassen.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, es sei kein konkretes Interesse an der
Einsicht in die Akten der Markenanmeldung "Yellow" geltend gemacht wor-
den, trifft nicht zu. An die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses
dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht vielmehr
aus, wenn ein Antragsteller sein Erkenntnisziel allgemein bezeichnet (vgl.
BPatG 27 W (pat) 72/08); dem ist die Beschwerdegegnerin mit der durch die
Akteneinsicht zu belegenden Annahme, die angemeldete Marke sei im Prü-
fungsverfahren vom Deutschen Patent- und Markenamt wegen fehlender Un-
terscheidungskraft beanstandet worden, hinreichend nachgekommen.
2.
Mögliche Geheimhaltungsinteressen, welcher der Akteneinsicht trotz des ge-
gebenen Interesses der Beschwerdegegnerin entgegenstehen könnten, be-
stehen nicht.
a)
Soweit sich die Beschwerdeführerin im Akteneinsichtsverfahren vor
dem Deutschen Patent- und Markenamt dargetan hat, dass sie im
vorliegenden Anmeldeverfahren "Yellow" verschiedene Meinungsum-
fragen zu "Yellow Pages" sowie Verkehrsgutachten zu "Gelbe Seiten"
und "Gelb" vorgelegt habe, begründet dieser Umstand allein noch kein
Geheimhaltungsinteresse. Zwar kann das Vorliegen von Betriebsge-
heimnissen, die z. B. im Rahmen des Sachvortrags zur Verkehrs-
durchsetzung in Betracht kommen, gegen eine Akteneinsicht sprechen.
Dies ist aber nur im Ausnahmefall anzunehmen und führt gegebenen-
falls nur zu einer partiellen Geheimhaltung (vgl. Ingerl/Rohnke, a. a. O.,
§ 62 Rdnr. 3 a. E.). Im vorliegenden Fall fehlt es indes am konkreten
Sachvortrag der Beschwerdeführerin, welche einzelnen Verkehrsgut-
achten bzw. Meinungsumfragen aus welchen Gründen einer Geheim-
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haltung unterliegen sollen. Eine Pauschalbegründung reicht für die
diesbezüglich durchzuführende Interessenabwägung nicht aus.
b)
Durch die Akteneinsicht wird auch das von der Beschwerdeführerin
geltend gemachte Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf-
grund des in Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Persön-
lichkeitsrechts, das dem Einzelnen gestattet, grundsätzlich selbst darü-
ber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche
Lebenssachverhalte preisgegeben und persönliche Daten verwendet
werden, nicht verletzt. Es ist grundsätzlich zwar auch zu berücksichti-
gen, wenn Dritten Einsicht in die Verfahrensakten gewährt werden soll
(vgl. BGH BlPMZ 2007, 322 MOON m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat
die Beschwerdeführerin jedoch nicht dargelegt, welche unter dem be-
sonderen verfassungsrechtlichen Schutz stehenden personenbezoge-
nen Informationen sich aus dem Akteninhalt ergeben könnten; sie sind
auch sonst nicht ersichtlich.
Da die Markenstelle dem Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdegeg-
nerin somit zu Recht stattgegeben hat, ist die hiergegen gerichtete
Beschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet zurückzuweisen.
Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 2
MarkenG ist nicht veranlasst.
Grabrucker
Kopacek
Dr. Kortbein
Hu