Urteil des BPatG vom 18.01.2000
BPatG (angemessene frist, aufforderung, gebrauchsmuster, zpo, ex tunc, zustellung, frist, antrag, unwirksamkeit, beschwerde)
BUNDESPATENTGERICHT
5 W (pat) 4/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
BPatG 152
10.99
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…
wegen Löschung des Gebrauchsmusters …
hier: Kostenentscheidung
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
am 16. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Goebel sowie den Richter
Dr. Schade und die Richterin Friehe-Wich
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß
des Deutschen Patent- und Markenamts
- GebrauchsmusterabteilungI -vom 18. Januar 2000 wird zu-
rückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antrags-
gegnerin.
G r ü n d e
I.
Die Antragstellerin hat am 5. Mai 1999 unter Zahlung der Gebühr nach Tarif die
Löschung des mit der Bezeichnung …
eingetragenen Gebrauchsmusters … gestützt auf den Löschungsgrund
des § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG beantragt und mit Schriftsatz vom 27. Juli 1999
darum gebeten, zunächst von einer Zustellung des Löschungsantrags abzusehen.
Mit Schriftsatz vom 4. August 1999 hat sie den Antrag auf Löschung in einen An-
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trag auf Feststellung der anfänglichen Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters um-
gewandelt.
Die Antragsgegnerin hat gegen die ihr am 12. Oktober 1999 zugestellte Mitteilung,
daß ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters gestellt
worden ist, mit Schriftsatz vom 18. Oktober 1999 erklärt, daß dem Feststellungs-
antrag nicht widersprochen wird, und beantragt, die Kosten des Verfahrens der
Antragstellerin aufzuerlegen. Hierzu führt sie aus, daß die Antragsgegnerin der
Aufforderung der Antragstellerin, auf das Streitgebrauchsmuster zu verzichten, be-
reits im März 1999 durch Verzichtserklärung gegenüber dem Amt nachgekommen
sei. Zwar sei sie von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27. Juli 1999 aufge-
fordert worden, auch für die Vergangenheit auf Rechte aus ihrem Gebrauchs-
muster zu verzichten. Da die Antragstellerin ihr auf Nachfrage jedoch lediglich
pauschal erklärt habe, daß sich ihr Interesse auf Schadensersatzforderungen für
die Vergangenheit beziehe, sei ihr Sinn und Zweck des Anliegens der Antragstel-
lerin verborgen geblieben. Dieser fehle vielmehr ein besonderes Rechtschutzin-
teresse, weil zu keiner Zeit die Besorgnis bestanden habe, sie könne aus dem
Gebrauchsmuster in Anspruch genommen werden.
Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1999 hat die Antragstellerin zum Feststellungs-
interesse ausgeführt, daß die Antragsgegnerin die in Deutschland produzierten
EPG-Systeme nach Dänemark liefere, insbesondere an eine Firma …. Mit die-
ser Firma sei ein Verletzungsstreit in Dänemark anhängig, für den die Schutz-
rechtslage für Zukunft und Vergangenheit eine wichtige Rolle spiele.
Mit Beschluß vom 18. Januar 2000 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deut-
schen Patent- und Markenamts die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur
Hälfte aus Billigkeitsgründen auferlegt. Zwar sei der Löschungsantrag ins Leere
gegangen, jedoch habe es die Antragsgegnerin versäumt, die Antragstellerin hier-
von zu unterrichten. Hinsichtlich des Festellungsantrags habe die Antragstellerin
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Erfolg gehabt, ohne daß der Frage nachgegangen zu werden brauche, ob ein
Feststellungsinteresse glaubhaft gemacht worden sei.
Gegen den der Antragsgegnerin am 26. Januar 2000 zugestellten Beschluß hat
diese am 9. Februar 2000 Beschwerde eingelegt. In der Begründung führt sie
aus, daß nicht erkennbar sei, aus welchen Billigkeitsgesichtspunkten entschieden
worden sei. Der ursprüngliche Antrag sei von Anfang an unbegründet gewesen.
Aber auch für den Feststellungsantrag müsse die Antragstellerin nach § 91 ZPO
die Kosten tragen, weil der Antrag mangels Rechtschutzinteresses unzulässig sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der Antragstellerin
die Kosten des Verfahren aufzuerlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Antragsgegnerin die Ko-
sten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Hinsichtlich des ursprünglichen Löschungsantrags führt sie aus, daß sie die An-
tragsgegnerin von dem Verzicht hätte unterrichten müssen. Zum Feststellungsin-
teresse verweist sie erneut auf den Rechtsstreit zwischen ihr und der Firma T…
in Dänemark. Im übrigen sei nicht von Bedeutung, ob ein Rechtsschutzinteresse
vorgelegen habe, weil kein Widerspruch eingelegt worden sei.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der
Sache keinen Erfolg.
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1.
Da die Antragsgegnerin dem Feststellungsantrag der Antrag-
stellerin nicht widersprochen hat, erfolgte die Löschung des
Gebrauchsmusters (dh auch für die Vergangenheit) nach
§ 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG. Folglich hatte das Deutsche
Patent- und Markenamt nur noch zu bestimmen, zu welchem
Anteil die Kosten des Verfahrens den Beteiligten zur Last
fallen, (§ 17 Abs 4 Satz 1 und 2 GebrMG). Zwar hatte die
Antragsgegnerin bereits mit Schriftsatz vom 1. März 1999,
zugegangen am 2. März 1999, dem Amt mitgeteilt, daß sie
auf das Gebrauchsmuster … verzichtet. Dabei kann
aber dahingestellt bleiben, ob der Verzicht rechtswirksam er-
klärt worden ist, weil die Erklärung nicht von dem vertre-
tungsberechtigten Herrn S… bzw. von Frau
R…, für die eine allgemeine Vollmacht hinterlegt wor-
den war, erfolgt ist, sondern von einer dritten Person im Auf-
trag von Frau R…. Ob die unterzeichnende Person berech-
tigt war, derartige Erkärungen für die Antragsgegnerin ab-
zugeben, war daher zum Zeitpunkt dieser Willenserklärung
nicht feststellbar. Da der Verfahrensbevollmächtigte der An-
tragsgegnerin jedoch im Beschwerdeverfahren ausdrücklich
vorgetragen hat, daß die Antragsgegnerin auf das Ge-
brauchsmuster verzichtet hat (Schriftsatz vom
20. Dezember 1999, Seite 2 Buchstabe b), liegt jedenfalls
eine ausdrückliche Genehmigung der Verzichtserklärung iSv
§ 184 BGB vor.
2. Nach § 17 Abs 4 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 2
PatG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO)
über die Prozeßkosten entsprechend anzuwenden. Nach
§ 91 Abs 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Ko-
sten des Rechtsstreits zu tragen, sofern nicht die Billigkeit
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eine andere Entscheidung erfordert (§ 84 Abs 2 Satz 2
PatG).
Unterlegen ist die Antragsgegnerin, weil sie sich freiwillig in
diese Rolle begeben hat, indem sie dem Feststellungsantrag
der Antragstellerin ausdrücklich nicht widersprochen hat.
Hiernach hätte die Antragsgegnerin als Unterlegene im Fest-
stellungsverfahren die gesamten Verfahrenskosten zu tra-
gen.
3. Die
Ausnahmebestimmung
in
§ 93 ZPO, wonach dem Kläger
(der Antragstellerin) die Prozeßkosten zur Last fallen, wenn
der Beklagte (die Antragsgegnerin) den Anspruch sofort an-
erkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der
Klage (Feststellungsantrag) Veranlassung gegeben hat,
greift nicht. Denn die Antragsgegnerin hat zur Stellung des
Feststellungsantrags Veranlassung gegeben.
Veranlassung zur Erhebung eines Löschungsantrags bzw
eines Feststellungsantrags gibt ein Gebrauchsmusterinhaber
stets durch ein Verhalten, das bei einem Antragsteller ver-
nünftigerweise den Schluß auf die Notwendigkeit eines Lö-
schungs- bzw Feststellungsverfahrens rechtfertigt (vgl
BPatGE 21, 38, 39 mNachw). Ein solches Verhalten liegt
unter anderem dann vor, wenn der Gebrauchsmusterinhaber
- wie hier – einer Aufforderung zum Verzicht der Rechte aus
dem Gebrauchsmuster auch für die Vergangenheit nicht
nachkommt (BPatGE, aaO). Dabei ist stets Voraussetzung,
daß der Antragsteller den Gebrauchsmusterinhaber unter
Angabe eines näher darzulegenden Löschungsgrunds mit
angemessener Fristsetzung zum Verzicht auffordert, wobei
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sich aus der Aufforderung ausdrücklich oder konkludent er-
geben muß, daß bei Nichtbefolgung der Aufforderung mit ei-
nem Löschungs- bzw Feststellungsantrag zu rechnen ist
(BPatGE, aaO). So liegt der Fall hier.
Die Antragsgegnerin ist von der Antragstellerin mit Schreiben
vom 27. Juli 1999 aufgefordert worden, über den dem Amt
gegenüber erklärten Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster
eine Erklärung dahingehend abzugeben, daß auf Rechte aus
dem Gebrauchsmuster auch für die Vergangenheit verzich-
tet wird. Mit Telefax vom 3. August 1999 hat die Antrags-
gegnerin um Mitteilung gebeten, worauf sich das Interesse
der Antragstellerin an der Abgabe der geforderten Erklärung
ergebe. Auf die Rückantwort, daß es um Schadensersatzfor-
derungen für die Vergangenheit gehe, ist sie vor Zustellung
des Feststellungsantrags nicht eingegangen. Es kann daher
festgestellt werden, daß die Aufforderung ernstlich gemeint
war und aus ihr hervorging, daß bei Erfolglosigkeit der Auf-
forderung die Feststellung der Unwirksamkeit beantragt wer-
den würde (vgl hierzu Bühring, Gebrauchsmustergesetz,
5. Aufl., § 17 Rdn 36 mNachw). Nicht notwendig war es da-
gegen, mit der Aufforderung nachzuweisen, daß das Ge-
brauchsmuster (ex tunc) keinen Bestand hat und daß die
Antragstellerin ein entsprechendes Interesse an der Fest-
stellung der Unwirksamkeit tatsächlich geltend gemacht hat.
Diese Voraussetzungen sind nämlich wegen des Amtser-
mittlungsprinzips von der Löschungsabteilung des Amts zu
prüfen und durch Beschluß hinsichtlich der Zulässigkeit und
der Begründetheit des Antrags entsprechend festzustellen.
Die einem Löschungs- oder Feststellungsverfahren vorange-
hende Aufforderung hat daher allein den Sinn, dem Antrags-
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gegner klarzumachen, daß der Antragssteller die Löschung
bzw Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters
betreiben will, falls der Antragsgegner der Aufforderung nicht
fristgemäß nachkommt (vgl BPatGE 21, 38, 40).
Die Antragsgegnerin hat trotz der Aufforderung, auch auf die
Rechte aus dem Gebrauchsmuster für die Vergangenheit zu
verzichten, nicht binnen einer damit in Lauf gesetzten ange-
messenen Frist auf die Rechte aus dem Gebrauchsmuster
für die Vergangenheit verzichtet. In dem Schriftsatz vom 27.
Juli 1999 war ihr eine Frist innerhalb der nächsten Woche
gesetzt worden und mit der Telefax-Rückantwort vom
3. August 1999 eine Frist für den gleichen Tag. Gleichwohl
hat sie sich bis zur Zustellung des Feststellungsantrags am
12. Oktober 1999 nicht zu der Aufforderung geäußert und
erst mit Schriftsatz vom 18. Oktober 1999 erklärt, daß sie
dem Feststellungantrag nicht widerspricht. Schon deshalb
hat sie durch ihr Verhalten, worauf § 93 ZPO abstellt, „zur
Erhebung der Klage“ Anlaß gegeben, da diese nicht mit Ein-
reichung, sondern erst mit Zustellung an den Gegner erho-
ben ist (§ 253 Abs 1 ZPO); das muß sinngemäß für die Zu-
stellung eines Löschungs- oder Feststellungsantrags gelten
(vgl BPatGE 2, 211, 214; BPatGE 8, 47, 53). Die Antragsge-
gnerin hatte bis zur Zustellung des Feststellungsantrags un-
ter Berücksichtigung aller Umstände eine mehr als ange-
messene Frist von über zwei Monaten (zur Fristlänge vgl
Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 5. Aufl., § 17 Rdn 38 bis
40), um die Aufforderung zu prüfen und sodann auf Rechte
aus dem Gebrauchsmuster für die Vergangenheit zu ver-
zichten. Da sie das nicht getan hat, ist von ihr die „Erhebung“
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des Feststellungsantrags im Sinne des § 93 ZPO veranlaßt
worden.
Unerheblich ist dabei, daß die Antragstellerin den Antrag auf
Umwandlung des Antrags auf Löschung des Gebrauchsmu-
sters in einen Antrag auf Feststellung der anfänglichen Un-
wirksamkeit des Gebrauchsmusters bereits am
4. August 1999 eingereicht hatte. Wäre dieser unverzüglich
und damit zu einem Zeitpunkt zugestellt worden, in dem
vielleicht eine angemessene Frist noch nicht abgelaufen ge-
wesen sein würde, so hätte die Antragstellerin das Kosten-
risiko ihres dann verfrühten Antrags für den Fall zu tragen
gehabt, daß die Antragsgegnerin binnen der angemessenen
Frist der Aufforderung noch nachgekommen wäre. Im vorlie-
genden Fall war jedoch bei der erst am 12. Oktober 1999
erfolgten Zustellung des Antrags eine angemessene Frist be-
reits abgelaufen, ohne daß die Antragsgegnerin auf die
Rechte aus ihrem Schutzrecht für die Vergangenheit ver-
zichtet hätte (vgl BPatGE 8, 47, 53).
4. Gesichtspunkte der Billigkeit nach § 84 Abs 2 Satz 2 PatG
erfordern auch keine andere Entscheidung. Wie oben aus-
geführt, war der Löschungsantrag als solcher hinsichtlich der
Kosten des Verfahrens nicht zu berücksichtigen, weil er der
Antragsgegnerin vor Umwandlung in einen Feststellungsan-
trag nicht zugestellt worden ist. Da sich die Antragsgegnerin
freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, weil sie
dem Feststellungsantrag nicht widersprochen hat und die
Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO nicht greift, hat sie die
Kosten des Verfahrens zu tragen. Hierbei ist unerheblich, ob
sie mit Erfolg hätte geltend machen können, daß das beson-
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dere Interesse für den Feststellungsantrag nicht nachgewie-
sen wurde, wenn sie Widerspruch eingelegt hätte. Dieser
Umstand wäre nur dann von Bedeutung, wenn der Recht-
streit nach § 91a ZPO in der Hauptsache für erledigt erklärt
worden wäre.
5.
Da jedoch lediglich die Antragsgegnerin Beschwerde einge-
legt hat und die Antragstellerin keine Anschlußbeschwerde
eingelegt hat, kann die Antragsgegnerin als Beschwerdefüh-
rerin nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht schlechter
gestellt werden als durch den angefochtenen Beschluß. Al-
lein aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist der angefoch-
tene Beschluß im Ergebnis aufrechtzuerhalten.
6. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren be-
ruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 2
PatG und § 97 Abs 1 ZPO. Daß die Billigkeit eine andere
Entscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.
Goebel Dr.
Schade
Friehe-Wich
prö