Urteil des BPatG vom 11.09.2008
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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
11. September 2008
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
10 W (pat) 24/05
Verkündet am
…
betreffend die Patentanmeldung 100 84 923.7
wegen Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr
tember 2008 durch
ichter Schülke, den Richter Rauch und die
Richterin Püschel
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Sep
den Vorsitzenden R
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Am 21. August 2000 reichte die Anmelderin unter Beanspruchung der Priorität ei-
ner US-Anmeldung vom 23.
August
1999 die internationale Anmeldung
PCT/US00/22859 ein, die - nach rechtzeitig erfolgtem Eintritt in die nationale Pha-
se
- beim Deutschen Patent- und
Markenamt unter dem Aktenzeichen
100 84 923.7 geführt wird.
Das Patentamt wies mit Bescheid vom 14. Januar 2004 („Wichtige Mitteilung!“)
darauf hin, dass die 4. Jahresgebühr nicht innerhalb der zuschlagfreien Zahlungs-
frist entrichtet worden und mit Ablauf der Frist ein Verspätungszuschlag fällig ge-
worden sei. Die 4. Jahresgebühr (70,- €) mit Verspätungszuschlag (50,- €), insge-
samt 120,- €, sei bis zum 1. März
2004 zu entrichten, anderenfalls gelte die An-
meldung als zurückgenommen. Das Patentamt vermerkte im April
2004 in der Ak-
te, dass die Anmeldung seit 2. März 2004 wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr
als zurückgenommen gelte.
Am 10. Mai 2004 hat die Anmelderin unter gleichzeitiger Zahlung der 4. Jahresge-
bühr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und zur Begrün-
dung, glaubhaft gemacht durch eidesstattliche Versicherungen, folgendes vorge-
tragen: Nachdem sie von der Kanzlei ihrer Inlandsvertreter mit mehreren Schrei-
ben an das Fälligwerden der 4. Jahresgebühr erinnert worden sei, habe sie mit
Schreiben vom 20. August 2003 unter Hinweis auf die bereits bekannte finanzielle
Engpass-Situation des Unternehmens die Weisung gegeben, die Anmeldung ver-
fallen zu lassen. Diese Weisung hätten die Inlandsvertreter mit Schreiben vom
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26. August 2003 an die Anmelderin bestätigt. Die Mitteilung des Patentamts vom
14. Januar 2004 sei daher in der Kanzlei der Inlandsvertreter der als „tote Akte“
geführten Akte zugeordnet und nicht an die Anmelderin weiter geleitet worden. Am
10. März 2004 seien die Inlandsvertreter darüber unterrichtet worden, dass der
Firma N… Ltd. die Anmeldung übertragen worden sei und diese Firma
die für die Aufrechterhaltung notwendigen Schritte unternehmen wolle. Die Anmel-
derin, die im gesamten Jahr 2003 einen Kampf um das wirtschaftliche Überleben
geführt habe, habe am 4. November 2003 unter Teilübertragung von 211 Patent-
akten die Firma N… Ltd. als Geschäftspartner gewinnen können; unter
den teilübertragenen Patentakten habe sich die vorliegende Patentanmeldung be-
funden. Noch vor dieser Teilübertragung habe die Anmelderin im Hinblick auf die
wirtschaftliche Notsituation sämtliche Mitarbeiter und Angestellten mit Ausnahme
von B…, dem geschäftsführenden Vorstandsvorsitzenden der Anmel-
derin, entlassen. Diesem habe es nach der Teilübertragung als einzig verbliebe-
nem Mitarbeiter der Anmelderin oblegen, den Aktenstatus der übertragenen
Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen zu überprüfen und ihren Bestand zu
sichern, wozu er im Hinblick auf die durch den Mitarbeitermangel organisatorisch
höchst schwierige Situation nur sukzessiv in der Lage gewesen sei. Aus diesem
Grunde habe er die Verfahrensbevollmächtigten nicht über die Tatsache der Teil-
übertragung unterrichtet und auch nicht die die Anmeldung betreffenden Schrift-
stücke der Firma N… Ltd. übergeben.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle 1.55 - hat durch Beschluss
vom 14. Juli 2004 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück-
gewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Anmelderin habe
es an der ihr zuzumutenden Sorgfalt, bei der insbesondere die vorgetragene wirt-
schaftliche und personelle Notsituation nicht beachtlich sei, fehlen lassen. Ihr sei
zumindest leichte Fahrlässigkeit anzulasten, wenn sie nach der Veräußerung der
Schutzrechtsanmeldungen am 4. November 2003 ihren Vertreter nicht kontaktiert
und neu instruiert habe, insbesondere nach ihrer Weisung vom 20. August 2003
und der Bestätigung der Vertreter vom 26. August 2003. Sie müsse sich daher ein
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Verschulden daran anrechnen lassen, dass das Hindernis einer fehlenden Infor-
mation über die Mitteilung des Patentamts zum drohenden Rechtsverlust habe
entstehen können.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand zu beschließen.
Eine Beschwerdebegründung ist zwar angekündigt, aber nicht eingereicht worden,
auch nicht auf den Ladungshinweis des Senats vom 19. August 2008. Die ord-
nungsgemäß geladene Anmelderin ist nicht zu dem auf ihren Hilfsantrag hin anbe-
raumten Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Patentamt hat den An-
trag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Zahlung der
4. Jahresgebühr mit Zuschlag zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Anmelderin hat die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr mit Zuschlag ver-
säumt. Die 4. Jahresgebühr ist am 31. August 2003 fällig gewesen (§ 3 Abs. 2
PatKostG), gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 PatKostG ist die Frist zur zuschlag-
freien Zahlung am 31. Oktober 2003 abgelaufen, die Zahlungsfrist mit Verspä-
tungszuschlag am 1. März 2004 (der 29. Februar 2004 war ein Sonntag). Die erst
mit Stellung des Wiedereinsetzungsantrags am 10. Mai 2004 geleistete Zahlung
ist verspätet gewesen. Die Anmeldung gilt damit gemäß § 58 Abs. 3 PatG als zu-
rückgenommen.
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2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist unzulässig, weil er nicht innerhalb der in
§ 123 Abs. 2 Satz 1 PatG festgelegten Frist von zwei Monaten nach Wegfall des
Hindernisses gestellt worden ist.
Der Wegfall des Hindernisses und damit der Beginn der Antragsfrist tritt nicht erst
mit positiver Kenntnis, sondern bereits dann ein, wenn das Fortbestehen des Hin-
dernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. Schulte,
PatG, 7. Aufl., § 123 Rdn. 26). Hindernis war hier die Weisung der Anmelderin, die
Anmeldung verfallen zu lassen. Positive Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses
hatten die Inlandsvertreter zwar erst am 10. März 2004, der Tag, an dem sie von
der Rechtsnachfolgerin der Anmelderin bzw. deren Vertreter die Mitteilung erhiel-
ten, dass an der Anmeldung festgehalten werde. Für die Anmelderin selbst ist das
Hindernis aber zu einem früheren Zeitpunkt als den 10. März 2004 als weggefallen
anzusehen. Denn ihr ist ein Organisationsverschulden anzulasten, weil sie nach
der Übertragung der Anmeldung auf die Firma N… Ltd. die Anmeldung
nicht umgehend auf ihren Bestand geprüft und die Inlandsvertreter, die bereits die
Weisung zum Fallenlassen erhalten hatten, entsprechend neu angewiesen hat.
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr übliche Sorgfalt außer Acht lässt, wobei für
die an die Anmelderin zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht außer Acht ge-
lassen werden kann, dass sie ein gewerbliches Unternehmen ist (vgl. Schulte,
a. a. O., § 123 Rdn. 76), das mit der Behandlung von gewerblichen Schutzrechten
vertraut ist, wie nicht zuletzt die Übertragung von mehr als 200 Schutzrechten
bzw. Schutzrechtsanmeldungen im November 2003 an die Firma N…
zeigt. Dass es die Anmelderin nach dieser Übertragung aufgrund des Fehlens von
Mitarbeitern nur sukzessive geschafft hat, die übertragenen Schutzrechte und
Schutzrechtsanmeldungen auf ihren Bestand hin zu überprüfen, ist kein Umstand,
der die Anmelderin entlasten kann, vielmehr ergibt sich aus dem Mitarbeiterman-
gel ein Organisationsverschulden. Die Anmelderin als gewerbliches Unternehmen
muss ihren Betrieb so organisieren, dass die Fristen für die Zahlung von Patent-
jahresgebühren eingehalten werden können. Gerade weil das Unternehmen bei
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Schutzrechten bzw. Schutzrechtsanmeldungen wie der vorliegenden schon ihren
Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt hatte, dass diese nicht mehr aufrechterhal-
ten werden sollen, hätte es die übliche Sorgfalt geboten, Anstrengungen zu unter-
nehmen und Vorkehrungen zu treffen, um die Schutzrechte zügig und zeitnah auf
ihren Bestand hin zu überprüfen. Dies ist hier nicht geschehen.
3. Auch im Falle seiner Zulässigkeit wäre der Wiedereinsetzungsantrag nicht be-
gründet. Aus den vorgenannten Gründen lässt sich nämlich ein Verschulden der
Anmelderin an der Fristversäumung nicht ausschließen. Im Übrigen sind auch fi-
nanzielle Schwierigkeiten grundsätzlich kein die Wiedereinsetzung rechtfertigen-
der Grund (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdn. 113).
Schülke Rauch
Püschel
Be