Urteil des BPatG vom 17.10.2006

BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, eugh, unternehmen, vertreter, gebühr, verkehr, versicherung, sicherheit, verfügung

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 49/06
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
17. Oktober 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 04 861.9
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2006 unter Mitwirkung …
BPatG 154
08.05
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 36 vom 2. Februar 2006 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 28. Januar 2005 die Wortmarke
Sicher durchs Leben
für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 5, 9, 12, 21, 31, 36, 37
und 45 zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse
36 hat die Anmeldung durch Beschluss vom
2. Februar 2006 gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Sie hat aus-
geführt, dass die Wortfolge ein Slogan mit deutlich beschreibendem Anklang sei,
der zwanglos darauf hindeute, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistun-
gen in ihrer Art und Beschaffenheit nach dazu bestimmt und geeignet seien, die
durch das Zeichen angesprochenen Personen in unterschiedlicher Hinsicht sicher
durch das Leben zu führen bzw. ihnen zu erleichtern, sicher durch das Leben zu
gelangen. Die Wortkombination sei eine gängige Formulierung, die sich im Be-
reich der Werbung vielfach nachweisen lasse.
Diese Entscheidung wurde der Anmelderin am 14. Februar 2006 zugestellt. Sie
hat rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr allerdings wurde
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erst nach einem entsprechenden Hinweis des Bundespatentgerichts am
17. Mai 2006 bezahlt.
Die Anmelderin beantragt,
Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Vertreter der Anmelderin eine Mitar-
beiterin damit beauftragt hätten, die Gebühr per Einzugsermächtigung zu bezah-
len. Die Mitarbeiterin habe dies vergessen. Ansonsten habe die Mitarbeiterin im-
mer sorgfältig gearbeitet und sei regelmäßig überprüft worden. Sie legt hinsichtlich
des Verfahrens eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin vor.
In der Sache beantragt die Anmelderin,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Sie hat im Verfahren vor dem Bundespatentgericht ihr Dienstleistungsverzeichnis
beschränkt wie folgt:
„Mittel zum Härten von Löten von Metallen; Klebstoffe für gewerb-
liche Zwecke;
Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Samen-
körner, soweit in Klasse 31 enthalten; lebende Tiere; frisches Obst
und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blu-
men; Futtermittel, Malz“.
Sie trägt vor, dass die Prüfung der Unterscheidungskraft genau und vollständig
erfolgen müsse. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft müsse auf alle an-
gemeldeten Waren und Dienstleistungen im Einzelnen eingegangen werden. Dem
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Beschluss der Markenstelle sei nicht zu entnehmen, warum es der angemeldeten
Marke für alle Waren und Dienstleistungen an Unterscheidungskraft fehlen solle.
Hinzu komme, dass die potentiellen Kunden, im Wesentlichen gewerbliche Ver-
kehrskreise, bei der Frage, was die Wortfolge „Sicher durchs Leben“ beschreibe,
keine der begehrten Waren nennen würden. Sie verweist im Übrigen auf Vorein-
tragungen mit dem Markenbestandteil “Sicher“.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und das Protokoll
der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II
1. Auf den Wiedereinsetzungsantrag der Anmelderin hin ist dieser Wiedereinset-
zung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG
zu gewähren. Sie hat nämlich hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass
sie kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft (§ 91, Abs. 1 MarkenG).
Der Wiedereinsetzungsantrag muss grundsätzlich eine schlüssige Darstellung al-
ler Umstände enthalten, aus denen sich dessen Zulässigkeit und Begründetheit
eindeutig herleiten lässt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gege-
ben. Die Anmelderin hat detailliert insbesondere auch durch Vorlage einer ent-
sprechenden eidesstattlichen Versicherung dargelegt, dass die Mitarbeiterin der
Vertreter der Anmelderin beauftragt worden sei die streitgegenständliche Gebühr
durch Einzugsermächtigung zu bezahlen. Sie hat weiter dargelegt, dass die Mitar-
beiterin sorgfältig gearbeitet habe und auf welche Art und Weise diese regelmäßig
überprüft worden sei. Insgesamt lässt sich daher aus dem Gesamtvortrag erken-
nen, dass die Vertreter der Anmelderin kein entsprechendes Organisationsver-
schulden trifft.
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2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Der Senat hält die bean-
spruchte Marke jedenfalls nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses für
unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig. Ihrer Eintragung stehen daher keine
absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.
a) Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Bestimmung ist dabei die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren, für welche die Eintragung
beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeich-
nen um diese Waren von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl.
EuGH GRUR 2004, 428 - Henkel; GRUR 2004, 1027 - DAS PRINZIP DER
BEQUEMLICHKEIT). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtspre-
chung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die
fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden sachbezogenen Be-
griffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674 - POSTKANTOOR; ähnlich BGH
MarkenR 2005, 145 - BerlinCard).
Es dürfen dabei keine unterschiedlichen Anforderungen an die Unterscheidungs-
kraft eines Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken gestellt werden
(st. Rspr. vgl. BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; MarkenR 2000, 50
- Partner with the Best). Dem Werbeslogan wird der Verkehr zwar häufig eine be-
schreibende Werbeaussage entnehmen. Dies schließt aber eine Identifizierungs-
funktion nicht von vornherein aus. Deshalb ist in jedem Fall zu prüfen, ob der Slo-
gan einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob er zumindest
noch eine gewisse Unterscheidungskraft aufweist.
Die von der Anmelderin beanspruchte sprachüblich gebildete Wortfolge hebt für
die angesprochenen Verkehrskreise, hier teils das allgemeine Publikum, teils
Fachkreise, die begehrten Waren und ein damit verbundenes Wertversprechen in
den Vordergrund. Den potentiellen Kunden der Beschwerdeführerin wird vermit-
telt, dass bei den angebotenen Waren eine besondere Sicherheit gewährleistet
wird.
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Die Formulierung „Sicher durchs Leben“ wird auf verschiedenen Waren- und
Dienstleistungsgebieten auch bereits verwendet, wie sich aus einer Internetre-
cherche des Senats ergeben hat:
-
www.mesem24.de: „Mit uns gehen Sie sicher durch das Leben!“
-
www.volksverlag.de: „ …, die Kraft zu entwickeln, die ihn sicher durchs Leben
leitet.“
-
www.awo-essen.de: „Gut durchs erste Lebensjahr - Sicher durch das Leben“
- www.helvetia.de:
„Wir
geleiten Sie sicher durchs Leben“
- www.tagesspiegel.de: „Der Autopilot, der uns sicher durchs Leben manöv-
riert.“
-
www.winterthur-leben.ch: „Finanziell sicher durchs Leben“
-
www.dab-bank.com: „Sicher durchs Leben gehen“.
Es bedarf allerdings mehrerer Zwischenschritte, um einen Zusammenhang zwi-
schen dem beanspruchten Gesamtzeichen und den nunmehr noch begehrten Wa-
ren der Klassen 1 und 31 herzustellen. Bei den noch verbliebenen Waren spielt
der Sicherheitsaspekt keine entscheidende Rolle. Ein Zusammenhang mit dem
Sinngehalt der hier begehrten Marke ist daher nicht ersichtlich. Insgesamt fehlt es
an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die angesprochenen Verkehrs-
kreise die angemeldete Marke für die noch verbliebenen Waren im Sinne einer
Aussage über eine bestimmte Eigenschaft oder ein sonstiges Merkmal der damit
gekennzeichneten Waren werten, nicht aber als Kennzeichnungsmittel verstehen
werden.
b) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a.
zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung
sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren dienen können (vgl. BGH
GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; EuGH GRUR 2004, 146
- DOUBLEMINT). Solche Zeichen oder Angaben müssen im Gemeininteresse al-
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len Unternehmen zur freien Verfügung belassen werden (vgl. EuGH GRUR 2004,
680 - BIOMILD).
Solche Umstände werden durch die angemeldete Marke „Sicher durchs Leben“
nicht ausreichend klar und verständlich genannt. Eine Verwendung der Bezeich-
nung als beschreibende Angabe im Zusammenhang mit den verbliebenen Waren
konnte der Senat nicht nachweisen. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als
Sachangabe beruhenden Freihaltebedürfnis kann daher insoweit nicht ausgegan-
gen werden. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im
Zusammenhang mit diesen Waren in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten
Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird.
gez.
Unterschriften