Urteil des BPatG vom 04.12.2002
BPatG: marke, holz, kennzeichnungskraft, kunststoff, verwechslungsgefahr, eugh, gesamteindruck, aufmerksamkeit, ausnahme, spiegel
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 116/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 300 02 737
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 4. Dezember 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Albert
sowie der Richter Kraft und Reker
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren
"Arbeitsplatten für Küchen; Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, so-
weit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide,
Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perl-
mutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststof-
fen"
eingetragene Marke 300 02 737
ALTRO
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ist Widerspruch erhoben worden aus der älteren Marke 813 703
ALNO,
die für die Waren
"Möbel, Möbel aus Holz, Möbel aus Kunststoff, Möbel aus Holz
und Kunststoff kombiniert, Teile zu Einbaumöbeln, Möbelwände,
Küchenmöbel, Tischlerplatten aus Holz mit Kunststoff-Beschich-
tung"
geschützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 20 hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechs-
lungsgefahr zurückgewiesen. Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sei teils
von Warenidentität, teils von erheblicher Warennähe auszugehen. Die Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke werde als durchschnittlich angesehen, denn
für eine Erweiterung ihres Schutzumfangs habe die Widersprechende keine Um-
stände angeführt. Die danach an den Abstand der sich gegenüberstehenden Mar-
ken zu stellenden erheblichen Anforderungen seien gewahrt: Bei der Wider-
spruchsmarke "ALNO" und der angegriffenen Mark "ALTRO" handele es sich um
verhältnismäßig kurze und leicht überschaubare zweisilbige Wörter, bei denen
schon geringe Abweichungen Verwechslungen ausschließen könnten. Mit Aus-
nahme der Eingangssilbe wiesen die Markenwörter in klanglicher Hinsicht deutli-
che Abweichungen im Konsonantenstand auf, wobei insbesondere die hart ge-
sprochene Selbstlautfolge "-TR-" in der angegriffenen Marke markant und auffällig
sei. Jedenfalls in der Gesamtheit ihrer Lautunterschiede unterschieden sich die
beiden Marken trotz Gemeinsamkeiten im Sprechrhythmus sowie in der Silbenzahl
hinreichend deutlich voneinander. Die unterschiedliche Konsonantenstruktur in der
Wortmitte und die unterschiedlichen Wortlängen seien bei der relativen Kürze der
Vergleichswörter so auffällig, daß auch bei geringerer Aufmerksamkeit des Ver-
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kehrs die schriftbildlichen Unterschiede der Marken noch zu erkennen seien, so
daß die beiderseitigen Kennzeichnungen auch in schriftbildlicher Hinsicht noch
einen ausreichenden Abstand voneinander einhielten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht,
daß die Konsonanten "TR" in der angegriffenen Marke anstelle des Buchstabens
"N" in der Widerspruchsmarke nicht den gebotenen großen Abstand zwischen den
beiden Marken gewährleisteten, denn die grundsätzlich stärker beachteten und
hier auch in der Aussprache betonten Wortanfänge "AL" seien identisch. Die här-
tere Aussprache des "TR" gegenüber dem "N" in der Widerspruchsmarke falle
kaum ins Gewicht, zumal beide Marken auf den Vokal "O" endeten, der den pho-
netischen Gesamtcharakter beider Marken maßgeblich präge. Jedenfalls komme
diesem Unterschied keine derart weitgehende Wirkung zu, daß angesichts der
Warenidentität eine phonetische Verwechslungsgefahr zu verneinen sei.
Da beide Marken in Großbuchstaben eingetragen worden seien, trügen in schrift-
bildlicher Hinsicht noch nicht einmal unterschiedliche Oberlängen der einzelnen
Buchstaben zur Unterscheidbarkeit bei. Für Kurzwörter würden ohnehin keine an-
deren Regeln als für längere Kennzeichnungen gelten.
Schließlich könne die Widerspruchsmarke aufgrund ihrer hohen Bekanntheit den
Schutz des § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG in Anspruch nehmen.
Demgemäß beantragte die Widersprechende,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellte den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Im übrigen hat sie sich zur Beschwerde nicht geäußert.
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II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als nicht begründet, denn
auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der jüngeren Marke "ALTRO"
und der Widerspruchsmarke "ALNO" keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1
Nr 2 MarkenG.
Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichti-
gung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung
stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören ins-
besondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren
oder Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl
EuGH GRUR 1998, 387 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216 – Oxygenol II).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist im vorliegenden
Fall von Identität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind ua für "Möbel"
bestimmt. Für diese Waren weist die Widerspruchsmarke unbestritten einen ho-
hen Bekanntheitsgrad auf, so daß die Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke "ALNO" als erhöht angenommen werden kann. Selbst wenn an den Ab-
stand der sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen danach erhebliche Anfor-
derungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist
grundsätzlich auf ihren Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl
EuGH aaO – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 – ATTACHÉ/TISSERAND
mwNachw). Einen wesentlichen Einfluß auf die Ähnlichkeit hat dabei die Länge
der Vergleichswörter. Kürzere Wörter werden im allgemeinen durch einzelne Ab-
weichungen im Verhältnis stärker beeinflußt als längere und bleiben auch besser
und genauer in Erinnerung, weshalb auch Abweichungen in nur einem Laut be-
reits ausreichen können, um Verwechslungen auszuschließen, sofern die Abwei-
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chung in jeder Richtung deutlich in Erscheinung tritt (vgl Althammer/Ströbele, Mar-
kengesetz, 6. Aufl, § 9 Rdn 101). Bei Zugrundelegung dieser Kriterien sind zwi-
schen den beiden Kennzeichnungen zwar nicht unerhebliche klangliche und
schriftbildliche Übereinstimmungen in der Silbenzahl und Vokalfolge "AL-O" fest-
zustellen. Angesichts des Umstands, daß beide Marken jeweils nur aus insgesamt
zwei Silben und vier bzw fünf Buchstaben bestehen, sind die Unterschiede zu Be-
ginn der jeweils zweiten Silbe ("TR" gegenüber "N") noch so auffällig, daß mit ei-
nem Verhören nicht gerechnet werden muß, denn die Lautfolge "TR" wird wesent-
lich härter ausgesprochen als der weiche Konsonant "N". Dieser Unterschied wirkt
sich auf das Gesamtklangbild der Markenwörter zumindest soweit aus, daß ein
Verhören hinreichend ausgeschlossen erscheint, zumal der jeweilige Endvokal "O"
die beiden nur zweisilbigen Wörter nicht etwa so stark klanglich dominiert, daß die
Unterschiede der Konsonanten im Gesamtklang nicht mehr hinreichend in Er-
scheinung treten. Ebenso wenig muß mit einem Verlesen gerechnet werden. An-
gesichts der Kürze der beiderseitigen Bezeichnungen reichen die graphischen
Unterschiede der Buchstaben "TR" gegenüber dem Buchstaben "N" aus, um ein
Verlesen hinreichend auszuschließen. Dabei war auch zu berücksichtigen, daß
Einrichtungsgegenstände überwiegend mit Bedacht ausgewählt werden, ein Um-
stand, der der Gefahr etwaiger klanglicher oder schriftbildlicher Verwechslungen
entgegenwirkt.
Soweit die Widersprechende ihr Begehren darauf stützt, daß die Widerspruchs-
marke aufgrund ihrer hohen Bekanntheit den Schutz des § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG
in Anspruch nehmen könne, muß sie damit schon deshalb erfolglos bleiben, weil
dieser Löschungsgrund einer unlauteren Rufausbeutung nur vor den Zivilgerichten
geltend gemacht werden kann (§ 42 Abs 2 MarkenG, vgl dazu Althammer/Ströbele
aaO § 9 Rdn 9 aE).
Demnach war der Beschwerde der Widersprechenden der Erfolg zu versagen.
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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG
bestand kein Anlaß.
Albert Reker Kraft
Bb