Urteil des BPatG vom 25.11.2003
BPatG (wiedereinsetzung in den vorigen stand, gesetzliche frist, frist, antrag, wiedereinsetzung, patent, verschulden, beschwerde, widerspruchsverfahren, sorgfalt)
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 38/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
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betreffend die Marke 397 43 476
(hier: Löschungsverfahren SB 532/03
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)
hat der 28.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
26. Oktober 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel sowie der
Richterin Schwarz-Angele und des Richters Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 20. März 1998 für verschiedene Waren der Klassen 10, 11, 12, 20
und 25 eingetragene Wortmarke „Perfetti“ ist mit Schriftsatz vom 25. Novem-
ber 2003 Löschungsantrag wegen Verfalls gestellt worden, dem die Markeninha-
berin nicht innerhalb der gesetzlichen 2-Monats-Frist des § 54 MarkenG wider-
sprochen hat. Auf die Mitteilung der Markenabteilung vom 2. Juni 2004 über die
Löschung hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 1. Juli 2004 „Widerspruch“
erhoben und sodann Wiedereinsetzung mit der Begründung beantragt, die Frist-
versäumung beruhe auf einem Büroversehen in der Kanzlei ihrer Verfahrensbe-
vollmächtigten, die von ihr nach Erhalt des Löschungsantrags Mitte Januar 2004
bereits mit Schreiben vom 27. Januar beantragt worden seien, Widerspruch gegen
die Löschung einzulegen. Dieses Schreiben sei jedoch von einer Kanzleiange-
stellten versehentlich in eine falsche Akte einsortiert und dem Anwalt nicht vorge-
legt worden.
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Die Markenabteilung hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, da die
Fristversäumung durch ein schuldhaftes Verhalten der Verfahrensbevollmächtig-
ten (Organisationsmangel) verursacht worden sei, das sich die Markeninhaberin
anrechnen lassen müsse. Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die
Markeninhaberin ihr Begehren auf Wiedereinsetzung weiter und beruft sich nach
wie vor auf ein Fehlverhalten von ansonsten stets zuverlässigen und regelmäßig
überprüften Hilfspersonen, für das sie nicht einzustehen habe.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in
die Frist von 2 Monaten zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Löschungs-
antrag (§ 54 Abs 3 MarkenG) ist zwar statthaft und erfüllt auch die formalen
Voraussetzungen, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält nach § 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG
auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Pa-
tentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzli-
cher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Der Antrag muss die Angabe
der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten, die gleichzeitig
oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen sind (§ 91 Abs 2, Abs 3
MarkenG). Das betrifft alle wesentlichen Umstände, die für die Frage von Bedeu-
tung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäu-
mung gekommen ist; dazu gehören vor allem auch die Umstände, aus denen sich
ergibt, dass der Säumige oder sein Vertreter (vgl §§ 51 Abs 2, 85 Abs 2 ZPO) frei
von Verschulden ist. Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche
Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war.
Der Sachvortrag der Markeninhaberin ist nicht geeignet, die Feststellung zu erlau-
ben, dass die notwendige Sorgfalt vorliegend aufgewandt worden und die Frist-
versäumung unverschuldet ist.
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Der Löschungsantrag ist der Markeninhaberin mit einem entsprechenden An-
schreiben der Markenabteilung und dem Hinweis, dass die Löschung vollzogen
werde, wenn dem Antrag nicht binnen 2 Monaten widersprochen werde, mit am
12. Januar 2004 zur Post gegebenen Einschreiben zugestellt worden. Fristablauf
war damit der 15. März 2004, während die Markeninhaberin auf den Löschungs-
antrag erstmals mit Schreiben vom 2. Juli 2004 reagiert hat, nachdem sie von der
erfolgten Löschung in Kenntnis gesetzt worden war.
Für den Senat kann dahingestellt bleiben, ob die Fristversäumung - wie die Mar-
kenabteilung angenommen hat - auf einem nicht entschuldbaren Büroversehen
bei den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin beruht, denn die Akten-
lage sowie das eigene Vorbringen der Markeninhaberin lässt für den Senat nur
den Schluss zu, dass der Grund für Fristversäumung im Geschäftskreis der Mar-
keninhaberin selbst liegt und die Versäumnis ersichtlich auf fehlender Kenntnis
des materiellen wie formellen Markenrechts beruht.
Dazu ist folgende Vorgeschichte von Bedeutung: Die Markeninhaberin hatte im
August 2003 gegen die Markenanmeldung 303 05 713.0 der jetzigen Löschungs-
antragstellerin Widerspruch erhoben, worauf diese mit Schriftsatz vom
11. November 2003 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben hatte verbunden mit
einer Löschungsandrohung, ohne dass die damals noch nicht anwaltlich vertre-
tene Markeninhaberin darauf reagiert hat, obwohl sie von der Markenstelle zur
Glaubhaftmachung der Benutzung binnen 2 Monaten aufgefordert worden war.
Bei Zustellung des der Ankündigung folgenden Löschungsantrags im Januar 2004
hat die Markeninhaberin offensichtlich nicht erkannt, dass es sich hierbei um 2
getrennte Verfahren handelte, sondern war anscheinend immer noch rechtsirrig
der Meinung, sie müsse lediglich die Benutzung nachweisen. Dementsprechend
existiert entgegen dem Vorbringen der Markeninhaberin auch kein Auftrag an die
nunmehr erst eingeschalteten Verfahrensbevollmächtigten vom 27. Januar 2004
zur Einlegung des Widerspruchs, sondern bei dem nunmehr zu den Akten ge-
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reichten Schreiben handelt es sich lediglich um eine allgemeine Anfrage der Mar-
keninhaberin an ihre Anwälte im Rahmen verschiedener anderweitiger Verfahren
mit fremden Parteien, sowie anscheinend den Versuch, für das Widerspruchsver-
fahren Benutzungsunterlagen in Form von Rechnungen, Prospekten uä beizu-
bringen. In einer Anlage ist dazu wörtlich ausgeführt:
Die Frage der Einlegung eines Widerspruchs gegen den Löschungsantrag wird in
diesem Schreiben genauso wenig angesprochen wie die vom Deutschen Patent-
und Markenamt im Widerspruchsverfahren gesetzte Frist zur Glaubhaftmachung
der Benutzung bzw die gesetzliche Frist nach § 54 Abs 3 MarkenG, auf die das
Deutsche Patent- und Markenamt bei Übersendung des Löschungsantrags aus-
drücklich hingewiesen hatte.
Bezeichnenderweise haben selbst die Anwälte der Markeninhaberin zunächst
nicht erkannt, dass hier 2 getrennte Streitverfahren anhängig waren, denn noch
mit Schriftsatz vom 13. September 2004 haben sie gegen den im Widerspruchs-
verfahren 303 05 713 am 5. August 2004 ergangenen Beschluss, mit dem der Wi-
derspruch wegen Löschung der Widerspruchsmarke als unzulässig verworfen
worden war, nicht nur unter dem Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens Erin-
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nerung eingelegt, sondern auch in der irrigen Annahme, es handele sich um das
hier streitgegenständliche Verfahren, wie sich aus der Betreffzeile und dem Text
der Erinnerungsbegründung entnehmen lässt.
Bei dieser Ausgangslage hätte die Markeninhaberin primär vortragen müssen,
weshalb sie selbst gehindert war, rechtzeitig auf die Aufforderung des Deutschen
Patent- und Markenamts zur Widerspruchseinlegung zu reagieren bzw warum sie
sich nicht rechtzeitig und in eindeutiger Weise anwaltlicher Hilfe bedient hat, was
nicht geschehen ist und nach Ablauf der Fristen des § 91 MarkenG auch nicht
mehr nachgeholt werden kann. Beruht, wovon der Senat ausgeht, die Versäu-
mung auf fehlender Rechtskenntnis, liegt hierin aber kein Wiedereinsetzungs-
grund, denn es gehört zur verkehrsüblichen Sorgfalt eines Gewerbetreibenden,
sich in der Spezialmaterie der Markensachen rechtzeitig entweder durch geeig-
netes eigenes Fachpersonal oder durch auf dieses Rechtsgebiet spezialisierte
Rechts- oder Patentanwälte beraten zu lassen. Wird hingegen wie vorliegend die
Rechtsverfolgung in die eigene Hand genommen und werden dabei trotz umfas-
sender Belehrung und Hinweise durch das Deutsche Patent- und Markenamt
mangels ausreichender eigener Kenntnisse Fristen versäumt, die einen Rechts-
nachteil nach sich ziehen, kann ein solches Verhalten im nachhinein nicht mehr
als unverschuldet ungeschehen gemacht werden.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zurückzuwei-
sen.
Stoppel Schwarz-Angele
Paetzold
Ju
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