Urteil des BPatG vom 27.06.2006

BPatG: stand der technik, ausbildung, patentanspruch, druck, geschwindigkeit, erfahrung, meinung, luft

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
34 W (pat) 2/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. Juni 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 196 20 372.4 - 27
hat der 34. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
27. Juni 2006 unter der Mitwirkung …
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse B65D des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 15. Juli 2002 aufgehoben. Das Patent wird mit folgen-
den Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung Seiten 1 bis 6, sämtlich
überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2006,
4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 7, gemäß Offenlegungsschrift.
G r ü n d e
I
Mit der am 21. Mai 1996 eingereichten Anmeldung, die einen Transportsack be-
trifft, nimmt die Anmelderin die Priorität der Anmeldung in Österreich vom
24. Mai 1995 in Anspruch (Aktenzeichen der Erstanmeldung AT 880/95).
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung mit
der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1
vom 16.
Oktober
1997 nicht patentfähig sei, da er im Hinblick auf die
DE 79 03 046 U1 und die DE-PS 513 426 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
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Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Unterlagen zu erteilen.
Die fünf neugefassten Patentansprüche, mit denen sie die Anmeldung verteidigt,
haben folgenden Wortlaut:
1. Transportsack, der durch Vernähen von einer oder mehreren
Polypropylengewebebahnen mittels Kantnähten gebildet ist,
wobei zur Ausbildung einer dichten Naht (4) zwischen den
Gewebebahnen (7) im Nahtbereich ein Dichtband (8) vorge-
sehen und mit den Gewebebahnen mitvernäht ist, wobei das
Dichtband (8) aus einem elastischen, staubdichten und luft-
durchlässigen Material besteht und seitlich der Naht in das
Innere des Transportsackes vorsteht, dadurch gekennzeich-
net, dass das Dichtband (8) aus einem locker geflochtenen
oder gewebten oder gewirkten Polypropylen-Multifilament-
Docht besteht, wobei zusätzlich zu dem Dichtband (8) zwi-
schen den Gewebebahnen (7) an einer oder den beiden
Außenseiten der Gewebebahnen ein oder je ein weiteres
elastisches Dichtband (26) angeordnet und mitvernäht ist.
2. Transportsack nach Anspruch
1, dadurch gekennzeichnet,
dass seine Seitenflächen und der Boden aus einer U-förmig
gefalteten Gewebebahn (21) und zwei getrennten Seitenflä-
chenbahnen (22) gebildet sind.
3. Transportsack nach Anspruch
1, dadurch gekennzeichnet,
dass die Seitenflächen, der Boden und der Deckel aus zwei U-
förmig gefalteten Gewebebahnen (23) gebildet sind, wobei der
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Sack durch eine einzige zusammenhängende Naht vernäht
ist.
4. Transportsack nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die Nähte durch eine oder mehrere
Kettenstichnähte gebildet sind.
5. Verfahren zum Nähen eines Transportsackes nach einem der
vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass
beim Vernähen der jeweils zwei Gewebebahnen zwischen
diese ein Dichtband seitlich von innen in den Nahtbereich ge-
führt und vernäht wird.
Aus den Anmeldungsunterlagen und dem Prüfungsverfahren ist folgender Stand
der Technik bekannt geworden:
DE 79 03 046 U1
DE-PS 513 426
DE 28 10 991 A1
US 2 480 882
DE 40 33 499 A1
DE 27 51 162 A1
DE 32 09 054 C2
FR 2 634 468 A1
Außerdem hat der Senat noch die DE 86 10 230 U1 in das Verfahren eingeführt.
Die Anmelderin ist der Meinung, der beanspruchte Transportsack sei durch den im
Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahe gelegt.
Wegen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II
A) Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
B) Zu formalen Bedenken gegen die geltenden Patentansprüche besteht kein
Anlass. Anspruch 1 geht zurück auf die ursprünglich eingereichten Ansprü-
che 1 bis 3 in Verbindung mit der Beschreibung (Seiten 1 bis 3). Die kenn-
zeichnenden Merkmale der Ansprüche 2 bis 5 entstammen den ursprünglich
eingereichten Ansprüchen 4 bis 7.
C) Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt die Patentierungsvoraussetzungen.
1) Die gewerbliche Anwendbarkeit des beanspruchten Transportsackes ist zwei-
fellos gegeben. Der Transportsack ist gegenüber dem ermittelten Stand der
Technik neu; er unterscheidet sich hiervon zumindest durch das Dichtband
aus einem Polypropylen-Multifilament-Docht.
2) Der Anmeldungsgegenstand beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zuständiger Fachmann ist ein Dipl.-Ing. (FH) der Verpackungstechnik mit mehr-
jähriger Erfahrung in der Entwicklung von Transportsäcken für Schüttgüter.
Dem Anmeldungsgegenstand am nächsten kommt ein Sack, wie er aus der
DE 86 10 230 U1 bekannt ist. Dort wird ein aus einem synthetischen Fasergewebe
bestehender Transportsack gezeigt und beschrieben. Damit ist für den Fachmann
auch ein anmeldungsgemäß beanspruchtes Polypropylengewebe umfasst. Der
Transportsack ist durch Vernähen mehrerer Gewebebahnen (Beutelwand 1, Bo-
den 7, Deckel 8) gebildet und weist zur Ausbildung einer dichten Naht zwischen
den Gewebebahnen im Nahtbereich ein Dichtband (dort Schaumstoffstreifen 11)
auf, das mit den Gewebebahnen mitvernäht ist und seitlich der Naht in das Innere
des Transportsackes vorsteht. Dieser Schaumstoffstreifen ist elastisch und auch
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staubdicht. Außerdem ist bei diesem bekannten Transportsack in weiterer Über-
einstimmung mit dem Anmeldungsgegenstand zusätzlich zu dem Dichtband
(Schaumstoffstreifen 11) zwischen den Gewebebahnen (Beutelwand 1, Boden 7)
an einer Außenseite der Gewebebahn ein weiteres Dichtband (12) angeordnet
und mitvernäht.
Bei Transportsäcken für staubige Schüttgüter besteht das Problem, dass beim Be-
füllen die im Sack befindliche Luft unter hohem Druck und mit großer Geschwin-
digkeit entweichen muss. Der hohe Druck und die hohe Strömungsgeschwin-
digkeit bewirken, dass schon feine Löcher den Staubaustritt erlauben. Eine
Schwachstelle diesbezüglich sind insbesondere die Nähte, mit denen die Gewebe-
bahnen vernäht sind. Der hohe Befüllungsdruck und die Zugbelastung der Wände
an den Nähten weiten die Nahtlöcher auf, die feine Stäube austreten lassen (vgl.
Seite 1 Zeilen 17 bis 28 der Beschreibung). Die Anmeldung löst das Problem mit
den Merkmalen des Patentanspruchs 1. Das Dichtband besteht dabei aus einem
Polypropylen-Multifilament-Docht.
Da weder der o. g. Entgegenhaltung noch dem übrigen im Verfahren berücksich-
tigten Stand der Technik eine solche nicht selbstverständliche Ausbildung des
Dichtbandes zu entnehmen ist, vermag der Stand der Technik auch keinerlei Hin-
weis oder Anregung zu geben, den Sack gemäß der DE 86 10 230 U1 mit dem
beanspruchten speziellen Dichtband auszustatten.
Der Anmeldungsgegenstand beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar. Ihm können sich die Ansprü-
che 2 bis 4 anschließen, die auf nicht platt selbstverständliche Ausführungsformen
gerichtet sind.
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Der Patentanspruch 5 betrifft ein Verfahren zum Nähen eines Transportsackes
nach einem der Ansprüche 1 bis 4. Es setzt die Kenntnis dieser Säcke voraus und
wird deshalb von den Erwägungen zum Hauptanspruch mitgetragen.
gez.
Unterschriften