Urteil des BPatG vom 13.07.2007

BPatG: stand der technik, zusammensetzung, form, zahl, volumen, erfindung, meinung, versuch, patentfähigkeit, beweislast

BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 18/05
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
13. Juli 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 197 37 604
BPatG 154
08.05
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Schröder sowie des Richters Harrer, der Richterin Dr. Proksch-Ledig
und des Richters Dr. Gerster
beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent
197 37 604 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhal-
ten:
Patentansprüche 1 und 2 vom 10. Mai 2006
Beschreibung Seiten 2 bis 6, überreicht in der mündlichen Ver-
handlung vom 13. Juli 2007.
G r ü n d e
I
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. Dezember 2004 hat die Patentabtei-
lung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 197 37 604 mit der
Bezeichnung
"Verwendung einer Zusammensetzung als Haarwaschmittel"
widerrufen.
Der Widerruf des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, dass die Ver-
wendung einer flüssigen Zusammensetzung als Haarwaschmittel gemäß den sei-
- 3 -
nerzeit geltenden jeweiligen Ansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 gegen-
über dem aus der Druckschrift
D5:
DE 195 40 853 A1
und nach Hilfsantrag 2 gegenüber dem aus der Druckschrift
D7:
WO 97/14401 A1
bekannten Stand der Technik die erforderliche Neuheit fehle. Darüber hinaus sei
der in allen Anträgen angegebene Disclaimer „frei von kationisch derivatisiertem
Panthenol“ nicht zulässig. Denn durch diesen Disclaimer werde zwar ein Teilbe-
reich ausgeschlossen, aber ein ursprünglich nicht offenbartes Merkmal eingeführt,
was wegen unzulässiger Erweiterung nicht zulässig sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der
sie ihr Patentbegehren mit den Patentansprüchen 1 und 2 vom 10. Mai 2006 wei-
terverfolgt. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
Verwendung einer flüssigen Zusammensetzung,
enthaltend
a) 5 bis 50 Gew.-% mindestens eines anionischen Tensids,
umfassend 0,5 bis 10 Gew.-% N-C
8-22
Acylglutamat oder ein
wasserlösliches Salz davon;
b) 1 bis 20 Gew.-% mindestens eines Alkylpolyglucosides der
Formel
R-O-(CH
2
CH
2
O)
n
-Z
x
,
- 4 -
worin R eine C
8
-C
20
Alkyl- oder Alkenylgruppe, Z einen
Zuckerrest mit 5 oder 6 Kohlenstoffatomen, n eine Zahl von 0
bis 10 und x eine Zahl von 1 bis 5 bedeuten; und
c) 0,1 bis 10 Gew.-% Saccharose,
d) mindestens ein kationisches haarkonditionierendes Polymer
ausgewählt aus quaterisierten Homo- und Copolymeren des
Dimethyldiallylammoniumchlorids, quaternären Vinyl-
pyrrolidon-Compolymeren,
Copolymerisaten aus Vinylpyrrolidon und Vinylimidazolinium-
methochlorid, Copolymeren von Adipinsäure-Dimethylamino-
hydroxypropyldiethylentriamin und Quaterisierungsprodukten
aus Pfropfpolymerisaten von Organosiloxanen und Poly-
ethyloxazolinen,
jeweils berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, die frei
von kationisch derivatisiertem Panthenol ist, als Haarwasch-
mittel.
Der Anspruch 2 betrifft eine Weiterbildung der Verwendung nach Anspruch 1.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin im wesentlichen vorge-
tragen, dass die nunmehr beanspruchte Verwendung der flüssigen Zusammen-
setzung mit der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Viererkombination gegen-
über dem Stand der Technik neu sei. Sie beruhe auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Denn die beanspruchte Verwendung werde ausgehend von der nun-
mehr als nächstliegender Stand der Technik zu betrachtenden Druckschrift
D2:
DE 44 40 315 A1
nicht nahegelegt und weise darüber hinaus, wie der mit Schriftsatz vom
7. Februar 2007 vorgelegte Versuchsbericht zeige, einen synergistischen Effekt
auf. Bezüglich des im Anspruch 1 angegebenen Disclaimers hat die Patentinhabe-
- 5 -
rin in der angepassten Beschreibung eine Erklärung aufgenommen, dass dieser
Disclaimer eine unzulässige Erweiterung darstellt.
Die Patentinhaberin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen beschränkt aufrecht-
zuerhalten.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberin und macht im wesentlichen
geltend, dass die Verwendung gemäß dem nunmehr geltenden Anspruch 1 ge-
genüber der auf dem gleichen technischen Gebiet liegenden Druckschrift D2 nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Daraus sei bereits die Verwendung einer
flüssigen Zusammensetzung als Haarwaschmittel bekannt, die neben anionischen
Tensiden, Alkylpolyglycosiden, Kohlehydraten auch Polymere enthalte. Der Ein-
satz der im geltenden Anspruch 1 angegeben kationischen Polymere sei bei sol-
chen Mitteln für den Fachmann üblich, wie das Standardwerk
D8: K.H. Schrader, Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika,
Hüthig Buch Verlag GmbH, Heidelberg, 2. Auflage, 1989,
S. 700 bis 702
belege. Der geltende Anspruch 1 des Streitpatents umfasse auch keine Kombina-
tion, sondern lediglich eine Aggregation von Bestandteilen, die so nicht ursprüng-
lich offenbart sei und lediglich zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik
diene. Außerdem sei der Disclaimer im Anspruch 1 unzulässig und zur Begrün-
dung der erfinderischen Tätigkeit nicht geeignet.
- 6 -
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut des Patentanspruchs 2,
wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie konnte jedoch nur in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.
1
S. 3 Z. 2 bis 6, S. 4 Z. 5 bis 7, 30 bis 37 und 41 bis 42 der Streitpatentschrift, und
geht auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 3, S. 1 Abs. 1, S. 4 Abs. 4 und 5,
S. 7 Abs. 3 und S. 9 Abs. 1 und 3 der Erstunterlagen zurück. Der Begriff
„N-C
8-22
-Acylglutamat“ lässt sich dabei indirekt aus der Zusammenschau der
Begriffe „C
8-22
-Acylaminocarbonsäuren bzw. deren wasserlösliche Salze“ und
„N-Lauroylglutamat“ auf S. 4 Abs. 4 und 5 der Erstunterlagen bzw. S. 3 Z. 2 bis 9
der Patentschrift ableiten. Der Anspruch 2 entspricht dem erteilten und ursprüngli-
chen Anspruch 2 im Wortlaut.
Die Anspruchsfassung ist auch sonst nicht zu beanstanden. Der im Anspruch 1
angegebene, ursprünglich nicht wörtlich offenbarte Disclaimer „frei von kationisch
derivatisiertem Panthenol“ ist in der geltenden Beschreibung in der Form gekenn-
zeichnet, dass er eine unzulässige Erweiterung darstellt. Dies ist nach herrschen-
der Meinung zulässig (vgl. Benkard PatG 10. Aufl. § 4 Rdn. 25).
2.
Anspruch 1 ist neu. In keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ist eine Ver-
wendung mit sämtlichen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen beschrieben.
Dies wird von der Einsprechenden auch nicht mehr bestritten.
- 7 -
3
keit.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Haarwaschmittel bereitzustellen,
das bei gutem Schaumvermögen und hohem Schaumvolumen eine verbesserte
Wirksamkeit hinsichtlich Volumen, Glanz, Kämmbarkeit und Feeling der damit ge-
waschenen Haare aufweist (vgl. Streitpatent S. 2 Z. 6 bis 12). Diese Aufgabe wird
durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst mit den Merkmalen:
Verwendung einer flüssigen Zusammensetzung als Haarwaschmittel enthaltend:
a)
5 bis 50 Gew.-% mindestens eines anionischen Tensids,
a1) umfassend 0,5 bis 10 Gew.-% N-C
8-22
-Acylglutamat,
b)
1 bis 20 Gew.-% mindestens eines Alkylpolyglycosids,
c)
0,1 bis 10 Gew.-% Saccharose,
d) zumindest ein kationisches haarkonditionierendes Polymer ausge-
wählt aus
d.1) quaternisierten
Polymeren des Dimethyldiallylammo-
niumchlorids,
d.2) quaternären
Vinylpyrrolidon-Copolymeren,
d.3)
Copolymerisaten aus Vinylpyrrolidon und
Vinylimidazoliniummethochlorid,
d.4)
Copolymeren von Adipinsäure-Dimethylamino-
hydroxypropyldiethylentriamin und
d.5) Quaternisierungsprodukte aus Pfropfpolymerisaten
von Organosiloxanen und Polyethyloxazolinen.
Den nächstliegenden Stand der Technik bildet für den Fachmann, einen Kosme-
tikchemiker, die Druckschrift D2, aus der haarkosmetische Zubereitungen bekannt
sind und die unter anderem die Verbesserung der Kämmbarkeit zur Aufgabe hat
(S. 2 Z. 5 bis 12). Dabei werden auch Haarwaschmittel in Form von Shampoos
- 8 -
offenbart, die anionische Tenside, Alkylpolyglycoside, Lactose und nichtionische
Polymere enthalten (vgl. S. 4 Z. 45 bis 48 und S. 7 Beispiel 3). N-C
8-22
-Acylgluta-
mat entsprechend Merkmal a1 wird für die haarkosmetischen Zubereitungen der
D2 nicht in Betracht gezogen. Auch liefert D2 keinen Hinweis kationische Poly-
mere entsprechend Merkmal d des Anspruchs des Streitpatents einzusetzen.
Denn im allgemeinen sollen bei D2 ausschließlich nichtionische oder anionische
Polymere zugesetzt werden (S. 3 Z. 19 bis 35), was auch das das Shampoo
betreffende Beispiel 3 zeigt. Ein kationisches Polymer entsprechend Merkmal d1
des Anspruchs 1 wird zwar im Beispiel 2 von D2 eingesetzt. Dieses Beispiel be-
trifft aber eine Haarkur laeve-on, die auf dem Haar verbleibt, und kein Haar-
waschmittel, das bekanntlich nach dem Waschen wieder ausgespült wird. Des
weiteren erhält zwar der Fachmann in D2 den Hinweis, dass er anstelle der im
Shampoo eingesetzten Lactose auch eine Vielzahl anderer Kohlenhydrate ein-
setzen kann. Dabei werden auch Oligosaccharide, wie Rohrzucker, entsprechend
Merkmal b des Anspruchs 1 genannt. Bevorzugt werden bei D2 aber Mono-
saccharide, wie im Beispiel 3 die Lactose, eingesetzt (vgl. S. 2 Z. 65 bis S. 3 Z. 7
i. V. m. sämtlichen Beispielen). Angesichts der Vielzahl der sich aus D2 ergeben-
den Möglichkeiten findet der Fachmann in D2 daher keine Anregung, gerade eine
flüssige Zusammensetzung entsprechend dem Gegenstand des Anspruchs 1, die
die Bestandteile a, a1, b, c und d aufweist, als Haarwaschmittel zu verwenden.
Aus D8 sind zwar unter das Merkmal d des Anspruchs 1 fallende kationische Po-
lymere als konditionierende Zusätze zu Haarwaschmitteln bekannt. Es fehlt aber
ein Hinweis diese kationischen Polymeren mit den anderen im geltenden An-
spruch 1 genannten Komponenten zu kombinieren. Der Zusatz von N-C
8-22
-
Acylglutamat liegt zwar im Rahmen des Griffbereichs des Fachmanns, da diese
anionischen Tenside, wie die Einsprechende unwidersprochen vorträgt, als
schaumstarke Komponenten übliche Bestandteile von Shampoos sind. Sie konnte
aber keinen Beleg dafür liefern, dass N-C
8-22
-Acylglutamat in Kombination mit
weiteren zwingenden Komponenten gemäß Anspruch 1 des Streitpatents einge-
setzt wurde. Im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden handelt es sich
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beim Gegenstand des Anspruchs 1 auch um eine Kombination der vier zwingen-
den Bestandteile a1, b, c und d und nicht um eine reine Aggregation dieser Be-
standteile, die ursprünglich nicht in dieser Form miteinander kombiniert waren.
Denn die ursprünglichen Beispiele 1 und 3, die den geltenden Beispielen 1 und 2
entsprechen, lehren bereits, die in Rede stehenden Komponenten in einem Haar-
shampoo zu kombinieren.
Die Patentinhaberin konnte durch Vorlage des mit Schriftsatz vom 7. Februar 2007
vorgelegten Versuchsbericht belegen, dass diese Kombination der zwingenden
Bestandteile gemäß Anspruch 1 in einer flüssigen Zusammensetzung zu Verbes-
serungen in Bezug auf die Kämmbarkeit, Glätte, Rauigkeit, Elastizität, Volumen
und Glanz der Haare führt, wobei hinsichtlich der Kämmbarkeit von trockenem
Haar sogar eine synergistische Verbesserung anzuerkennen ist. Im Versuchsbe-
richt wurden dabei flüssige Zusammensetzungen mit den Komponenten a, a1 und
b (Vergleichsversuch A), der zusätzlichen Komponente d1 (Vergleichsversuch B)
und der zusätzlichen Komponente c anstelle d1 (Vergleichsversuch C) mit einer
Zusammensetzung entsprechend dem Anspruch 1 des Streitpatents (Versuch D)
verglichen. Der Einwand der Einsprechenden, dass der Versuchsbericht nicht
aussagekräftig sei, da ein Austausch von Lactose gegen Saccharose oder nicht-
ionischer Polymere gegen kationische Polymere nicht untersucht wurde, kann
nicht durchgreifen, da die Einsprechende hierfür keine eigenen Versuche vorge-
legt hat und für den Nichteintritt von dargelegten Vorteilen im erteilten Patent die
Beweislast trägt (vgl. Schulte PatG 7. Aufl. § 59 Rdn. 206, 208 und 209).
Nach alledem wird der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Stand der Technik nicht
nahegelegt. Die Berücksichtigung der weiteren dem Senat vorliegenden, in der
mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften führt zu keiner
anderen Beurteilung des Sachverhalts.
4
Patentfähigkeit.
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Der geltende Anspruch 1 hat somit Bestand. Der geltende Anspruch 2 betrifft eine
besondere Ausführungsformen der Verwendung nach Anspruch 1 und ist mit die-
sem rechtsbeständig.
Schröder Harrer
Proksch-Ledig
Gerster
Bb