Urteil des BPatG vom 12.09.2000

BPatG: reformatio in peius, rückzahlung, patent, billigkeit, beschränkung, gebühr, begriff, marke, verschlechterungsverbot, ausnahme

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 214/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 36 238.6
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 12. September 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Ströbele sowie des Richters Dr. Hacker und der Richterin Werner
BPatG 152
10.99
- 2 -
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß
der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 20. Mai 1999 aufgehoben, soweit die
Anmeldung für die Waren
"ätherische Öle, Haarwässer"
zurückgewiesen worden ist.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeord-
net.
G r ü n d e
I.
Die Marke
Toners
ist ursprünglich angemeldet worden für die Waren:
"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs-
und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel
zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputz-
mittel".
- 3 -
Mit Erstbeschluß vom 21. Januar 1999 hat die Markenstelle für Klasse 3 des
Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Regierungsangestellte im geho-
benen Dienst diese Anmeldung teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren
"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege".
Mit Beschluß vom 20. Mai 1999 hat dieselbe Markenstelle durch einen Beamten
des höheren Dienstes die gegen den Erstbeschluß gerichtete Erinnerung der
Anmelderin zurückgewiesen und über den Erstbeschluß hinaus die Anmeldung
auch für die beanspruchten Waren "ätherische Öle, Haarwässer" zurückgewiesen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Beschwerdeverfahren die
Anmeldung hinsichtlich der Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege"
zurückgenommen.
Sie beantragt (sinngemäß),
den angefochtenen Erinnerungsbeschluß insoweit aufzuhe-
ben, als die Anmeldung für die Waren "ätherische Öle, Haar-
wässer" zurückgewiesen worden ist.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.
- 4 -
II.
Die Beschwerde ist begründet, nachdem die Anmelderin die Anmeldung für die
Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" zurückgenommen hat. Damit ist
die Anmeldung auf diejenigen Waren beschränkt worden, für die die Erstprüferin
die Anmeldung nicht zurückgewiesen hat.
Mit der weitergehenden Zurückweisung der Anmeldung bezüglich dieser Waren
hat der Erinnerungsprüfer den Erstbeschluß der Markenstelle zu Ungunsten der
Anmelderin geändert und damit das Verbot der Schlechterstellung (reformatio in
peius) verletzt. Dieses Verbot gilt auch im markenrechtlichen Verfahren über die
Erinnerung gegen die (teilweise) Zurückweisung einer Anmeldung. Das Marken-
gesetz enthält zwar ebensowenig wie früher das Warenzeichengesetz Vorschriften
über das Erinnerungsverfahren im einzelnen. Offenbar wird der Begriff der
"Erinnerung" als im Zivilprozeßrecht bekannt vorausgesetzt (vgl Nadler, Mitt 1969,
167). Im zivilprozessualen Erinnerungsverfahren aber gilt das Verschlechterungs-
verbot, da mit der Einführung dieses Verfahrens eine Verschlechterung des
Rechtsschutzes für den Bürger dahin, daß ein Erinnerungsführer mit einer nach-
teiligen Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechnen muß, nicht beab-
sichtigt war (vgl Dallmayer/Eickmann, RpflG, 1996, §
11 Rdn
128; auch
Baumbach/Lauterbach, ZPO, 56.
Aufl, §
104 Rdn
72; Thomas/Putzo, ZPO,
21. Aufl, § 104 Rdn 48).
Von diesen Grundsätzen im markenrechtlichen Erinnerungsverfahren abzuwei-
chen, hält der Senat für nicht gerechtfertigt (ebenso Nadler, aaO, 170). So ist bis-
her auch lediglich bezüglich der Kostenentscheidung die Abänderung eines Erst-
beschlusses zu Ungunsten des Erinnerungsführers für möglich erachtet worden
(vgl BGH GRUR 1972, 600 "Lewapur"), wobei die insoweit auch im Zivilprozeß-
recht herrschende Ansicht einer Ausnahme des Verbots der Schlechterstellung
übernommen worden ist (vgl Kirchner, Mitt 1972, 156 ff).
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Der Beschwerde der Anmelderin ist somit stattzugeben.
Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 71 Abs 3
MarkenG. Die Einbehaltung dieser Gebühr entspräche nicht der Billigkeit. Dabei
kommt es nicht darauf an, daß die Anmelderin - erst - im Beschwerdeverfahren
durch eine entsprechende Beschränkung des Warenverzeichnisses die Anmel-
dung teilweise zurückgenommen hat. In jedem Fall hätte das vom Erinnerungs-
prüfer mißachtete Verbot der Schlechterstellung die Einlegung einer - zumindest
auf die betroffenen Waren beschränkten - Beschwerde notwendig gemacht, um
die Aufhebung des insoweit fehlerhaften Teils des Erinnerungsbeschlusses zu
erreichen.
Dr. Ströbele
Dr. Hacker
Werner
Fa