Urteil des BPatG vom 15.10.2008

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 358/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
15. Oktober 2008
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 102 15 663
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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2008 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Pontzen, der Richterin Friehe sowie der Richter
Dipl.-Ing. Reinhardt und Dr.-Ing. Höchst
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
G r ü n d e
I.
Gegen das am 9. April 2002 angemeldete und am 19. Februar 2004 veröffentlichte
Patent mit der Bezeichnung
"Hardtop-Fahrzeugdach mit drei starren Dachteilen"
sind zwei Einsprüche eingelegt worden.
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Die Patentinhaberin verteidigt das Patent in beschränktem Umfang. Sie ist der An-
sicht, dass die geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 2 zulässig
seien und die Gegenstände, für die mit diesen Ansprüchen Schutz begehrt wird,
neu seien und auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Hardtop-Fahrzeugdach mit drei starren Dachteilen, die zwischen
einer den Fahrzeuginnenraum überdeckenden Schließposition
und einer den Fahrzeuginnenraum freigebenden Ablageposition
verstellbar und in Schließposition in Fahrzeuglängsrichtung hinter-
einander liegend angeordnet sind, wobei jedem Dachteil (2, 3, 4)
eine Verstellkinematik (8, 9, 10) zur Einstellung der Dachteilposi-
tion zugeordnet ist und die Dachteile in Ablageposition übereinan-
der liegen und ein Dachteilpaket bilden, wobei das mittlere Dach-
teil (3) unmittelbar an die Fahrzeugkarosserie gekoppelt ist und
das vordere Dachteil (2) und das hintere Dachteil (4) über eine
Verstellkinematik verstellbar am mittleren Dachteil (3) gehalten
sind, wobei beide Verstellkinematiken als Viergelenkkinematiken
mit je zwei gelenkig mit dem vorderen Dachteil bzw. mit dem hin-
teren Dachteil verbundenen Lenkern ausgebildet sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass in Ablageposition im Dachteilpaket das mittlere Dachteil (3)
zuunterst, das vordere Dachteil (2) in der Mitte und das hintere
Dachteil (4) zuoberst abgelegt sind, und dass beide Lenker jeder
Viergelenkkinematik an je einem unmittelbar starr mit dem mittle-
ren Dachteil verbundenen, das mittlere Dachteil in Fahrtrichtung
bzw. entgegen der Fahrtrichtung überragenden Anlenkfortsatz an-
gelenkt sind.
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Der geltende Patentanspruch 2 lautet:
Hardtop-Fahrzeugdach mit drei starren Dachteilen, die zwischen
einer den Fahrzeuginnenraum überdeckenden Schließposition
und einer den Fahrzeuginnenraum freigebenden Ablageposition
verstellbar und in Schließposition in Fahrzeuglängsrichtung hinter-
einander liegend angeordnet sind, wobei jedem Dachteil (2, 3, 4)
eine Verstellkinematik (8, 9, 10) zur Einstellung der Dachteilpositi-
on zugeordnet ist und die Dachteile in Ablageposition übereinan-
der liegen und ein Dachteilpaket bilden, wobei das mittlere Dach-
teil (3) unmittelbar an die Fahrzeugkarosserie gekoppelt ist und
das vordere Dachteil (2) und das hintere Dachteil (4) über eine
Verstellkinematik (8, 9) verstellbar am mittleren Dachteil (3) gehal-
ten sind, wobei beide Verstellkinematiken (8, 9) als Viergelenkki-
nematiken mit je zwei gelenkig mit dem vorderen Dachteil bzw. mit
dem hinteren Dachteil verbundenen Lenkern ausgebildet sind,
dadurch gekennzeichnet,
dass in Ablageposition im Dachteilpaket das mittlere Dachteil (3)
zuunterst, das hintere Dachteil (4) in der Mitte und das vordere
Dachteil (2) zuoberst abgelegt sind, und dass beide Lenker jeder
Viergelenkkinematik an je einem unmittelbar starr mit dem mittle-
ren Dachteil verbundenen, das mittlere Dachteil in Fahrtrichtung
bzw. entgegen der Fahrtrichtung überragenden Anlenkfortsatz an-
gelenkt sind.
Rückbezogen schließen sich hieran die Patentansprüche 3 bis 5 an.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhal-
ten:
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Patentansprüche 1 bis 5, eingegangen den 19.10.2005,
-
Beschreibungsergänzung, eingegangen am 19.10.2005,
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im Übrigen Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.
Die Einsprechenden beantragen,
das Patent zu widerrufen.
Die Einsprechenden vertreten die Auffassung, dass die Hardtop-Fahrzeugdächer
mit den Merkmalen der geltenden Patentansprüche 1 und 2 nicht mehr neu seien
und sich für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik
ergeben. Zur Stütze ihres Vorbringens verweisen sie u. a. auf die Druckschrift
DE 101 50 218 A1. Soweit in die geltenden Patentansprüche 1 und 2 Merkmale
aus den Figurenzeichnungen aufgenommen seien, seien diese jedoch den ur-
sprünglich eingereichten Unterlagen sowie dem Streitpatent nicht als zur Erfin-
dung gehörig zu entnehmen.
II.
Die Zuständigkeit des Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts ist durch
§ 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.
Die Einsprüche sind zulässig. Gegenteiliges hat auch die Patentinhaberin nicht
vorgetragen.
Die Einsprüche führen zum Widerruf der Patents.
Es kann dahinstehen, ob sämtliche Merkmale der geltenden Patentansprüche 1
und 2 als zur Erfindung gehörig offenbart sind, denn die Hardtop-Fahrzeugdächer
nach den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 2 sind nicht mehr neu.
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Die nachveröffentlichte Druckschrift älteren Zeitrangs DE 101 50 218 A1 betrifft
ein Fahrzeugdach mit starren Dachteilen, ein sogenanntes Hardtop-Fahrzeug-
dach. Bei dem bekannten Fahrzeugdach sind ein vorderes, ein mittleres und ein
hinteres Dachteil 3, 4, 5 vorgesehen. Die drei starren Dachteile 3, 4, 5 sind zwi-
schen einer den Fahrzeuginnenraum überdeckenden Schließstellung und einer
den Fahrzeuginnenraum freigebenden Ablagestellung verstellbar (vgl. Abs. 0001,
Anspruch 1). In Schließposition sind die drei starren Dachteile in Fahrzeuglängs-
richtung hintereinander liegend angeordnet (vgl. Fig. 1). Jedem Dachteil 3, 4, 5 ist
eine Verstellkinematik in Form eines Viergelenks zur Einstellung der Dachteilposi-
tion zugeordnet (vgl. Abs. 0028 i. V. m. Abs. 0047 und z. B. Fig. 4). In Ablageposi-
tion liegen die Dachteile 3, 4, 5 übereinander und bilden ein Dachteilpaket (vgl.
Fig. 7). Das mittlere Dachteil 4 ist über einen Hauptlenker 12 und eine Hauptsäu-
le 13 analog zur Verstellkinematik 9 des streitpatentgemäßen Fahrzeugdaches un-
mittelbar an der Fahrzeugkarosserie gelagert (vgl. Sp. 3, Z. 68 bis Sp. 4, Z. 3).
Das vordere Dachteil 3 und das hintere Dachteil 5 sind am mittleren Dachteil 4
vermittels jeweils einer Viergelenkanordnung schwenkbar gelagert. Die Vierge-
lenkanordnung des vorderen Dachteils 3 weist die mit dem Dachteil verbundenen
Lenker 14 und 15 auf, die Viergelenkanordnung des hinteren Dachteils 5 weist die
mit dem Dachteil verbundenen Hebel 16 und 17 als Lenker auf (vgl. Fig. 4 i. V. m.
Sp. 4, Z. 4 bis 15). In Ablageposition im Dachteilpaket sind das mittlere Dachteil 4
zuunterst, das vordere Dachteil 3 in der Mitte und das hintere Dachteil 5 zuoberst
abgelegt (vgl. Fig. 7 und Anspruch 1 i. V. m. Spalte 1, Zeilen 58 bis 61). Die He-
bel 16, 17 der Viergelenkanordnung für das hintere Dachteil 5 sind an einem ge-
kröpften Lagerarm 18, der das mittlere Dachteil 4 entgegen der Fahrtrichtung
überragt, angelenkt (vgl. Fig. 16, 17). An dem das mittlere Dachteil 4 in Fahrtrich-
tung überragenden Tragarm 21 sind die Lenker 14 und 15 der Viergelenkanord-
nung für das vordere Dachteil 3 angelenkt (vgl. Abs. 0047). Lagerarm 18 und
Tragarm 21 sind unmittelbar starr mit dem mittleren Dachteil verbundene Anlenk-
fortsätze im Sinne des Streitpatents. Das ergibt sich einerseits aus den Zeilen 4
bis 15 der Spalte 4, die von einer Lagerung am mittleren Dachteil sprechen, und
andererseits auch aus den Figuren 2 bis 8 und 14, in denen Befestigungspunkte
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des Tragarms 21 am mittleren Dachteil dargestellt sind, sowie aus den Figuren 16
und 17 mit den entsprechenden Befestigungspunkten für den Lagerarm 18.
Die Patentinhaberin macht geltend, dass anhand der Figuren 1 bis 18 ein erstes
Ausführungsbeispiel beschrieben sei, sich der Absatz 0047 jedoch auf ein weite-
res Ausführungsbeispiel beziehe. Da die Druckschrift DE 101 50 218 A1 Stand der
Technik nach § 3, Abs. 2, Nr. 1 sei, müssten sämtliche Merkmale aus einem Aus-
führungsbeispiel hervorgehen. Dabei verkennt die Patentinhaberin jedoch, dass
für das weitere Ausführungsbeispiel in Abs. 0047 nur das Merkmal hervorgehoben
ist, durch das es sich von dem voranstehenden, in Zusammenhang mit den Figu-
ren beschriebenen ersten Ausführungsbeispiel unterscheidet, nämlich die Lage-
rung auch des hinteren Lenkers 15 an dem vorstehenden Abschnitt des Trag-
arms 21 vor der Dachfläche des mittleren Dachteils 4. Nur so können die Angaben
im zitierten Absatz verstanden werden, zumal ausdrücklich auf die Antriebseinrich-
tungen nach voranstehenden Ausführungen Bezug genommen wird (vgl. Sp. 7,
Z. 27 bis 29). Ein Fachmann - ein bei einem Kfz-Hersteller/-Zulieferer mit der Kon-
struktion von Klappdächern betrauter Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau -
ergänzt daher bei aufmerksamer Lektüre der DE 101 50 218 A1 selbstverständlich
die alternative Anbindung des vorderen Dachteils an das mittlere Dachteil gemäß
dem weiteren Ausführungsbeispiel mit dem sonstigen Fahrzeugdachaufbau ent-
sprechend dem ersten Ausführungsbeispiel (vgl. auch „Elektrische Steckverbin-
dung“, BGH X ZB 15/93, GRUR 1995, 330-333).
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist demnach nicht patentfähig.
Gleiches gilt auch für den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 2. Dieser
unterscheidet sich von dem Gegenstand des Anspruchs 1 lediglich dadurch, dass
in Ablageposition im Dachteilpaket das vordere Dachteil nicht in der Mitte, sondern
zuoberst, und das hintere Dachteil nicht zuoberst, sondern in der Mitte abgelegt
sind. Auch diese Variante der Reihenfolge der Dachteile im Dachteilpaket in Abla-
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geposition ist in der oben diskutierten DE 101 50 218 A1 unbestritten offenbart
(vgl. Spalte 1, Zeilen 58 bis 61).
Mit den neuheitsschädlich vorweggenommenen Patentansprüchen 1 und 2 fallen
auch die abhängigen Ansprüche 3 bis 5.
Pontzen
Friehe
Reinhardt
Dr. Höchst
Ko