Urteil des BPatG vom 09.08.2005

BPatG: unterscheidungskraft, eugh, unternehmen, beförderung, tachometer, wiedergabe, wasser, aufzeichnung, patent, herkunft

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 44/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
9. August 2005
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 303 46 594.8
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2005 durch Richter Dr. van Raden als
Vorsitzenden sowie die Richer Reker und Schwarz
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 12. Januar 2005 wird aufgehoben.
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G r ü n d e
I.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluss einer Angestellten des höheren Dienstes die als Wortmarke u.a. für
„Landwirtschaftliche Maschinen und Geräte sowie deren Be-
standteile, soweit in Klasse 7 enthalten“, „Fahrzeuge, Apparate zur
Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser,
Traktoren, sowie deren Komponenten und Teile, soweit in Klasse
12 enthalten“, sowie für eine Vielzahl von Waren der Klasse 9, u.a.
„photographische und Filmapparate und –instrumente, Geräte zur
Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton,
Thermostate, Tachometer“
angemeldete Bezeichnung
Multi-Contour
gemäß §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nach vorangegangener Beanstan-
dung als freihaltungsbedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe insge-
samt zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Bei der angemeldeten
Marke handele es sich um eine sprachübliche Zusammenstellung zweier Worte,
deren Sinngehalt als „Vielfach-Umriss(e), vielfach-oberflache bzw. Mehrfach-
Kontur“ ohne weiteres Nachdenken verständlich sei und auf Produkte hinweise,
die sich verschiedenen Umrissen und Konturen, auch in Form von landschaftli-
chen Gegebenheiten im Sinne von unterschiedlichen Oberflächenstrukturen, an-
passen könnten. Alle beanspruchten Waren könnten mit derartigen Eigenschaften
versehen sein oder dazu beitragen, dass Produkte über diese Eigenschaften ver-
fügen. Eine solche Beschreibung von Merkmalen sei im Interesse der Allgemein-
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heit der freien Verwendung zugänglich zu belassen und daher gemäß § 8 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Wegen des offensichtlich im
Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts bestehe darüber hinaus
das Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs.
1 Nr. 2 MarkenG.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Sie hält die Anmelde-
marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Bei
ihr handele es sich zwar um eine „sprechende Marke“, die als entfernter Anklang
an bestimmte Produkteigenschaften und Einsatzbereiche interpretiert werden
könne, doch reflektiere die von der Markenstelle gewählte Interpretation keines-
wegs das Verständnis des verständigen Durchschnittsverbrauchers, zumal der
angefochtene Beschluss nicht zwischen den verschiedenen beanspruchten Pro-
dukten differenziere. Insbesondere im Hinblick auf die Waren „photographische
und Filmapparate und –instrumente, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und
Wiedergabe von Bild und Ton, Thermostate, Tachometer“ sowie „Fahrzeuge, Ap-
parate zur Beförderung auf dem Lande oder auf dem Wasser, Traktoren, sowie
deren Komponenten und Teile, soweit in Klasse 12 enthalten“ sei nicht ersichtlich,
inwieweit hier eine Anpassung an Geländeverhältnisse eine wesentliche charakte-
ristische Eigenschaft der Produkte sein könne, für die „Multi-Contour“ eine be-
schreibende Sachaussage wäre. In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelde-
rin nach Erörterung des Sachverhalts, bei der verschiedene Internet-Recherche-
ergebnisse, insbesondere das „Lexikon“ auf der Homepage der Anmelderin
(www.claas.com/lexikon) diskutiert wurden, erklärt, das Warenverzeichnis zu be-
schränken auf die Waren in Klasse 9 (in der Protokollausfertigung irrtümlich un-
richtig wiedergegeben als: in Klasse 8) „photographische und Filmapparate und –
instrumente, Geräte zur Aufzeichnung (in der Protokollausfertigung unrichtig: Auf-
rechnung), Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton, Thermostate, Tacho-
meter“ sowie „Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande oder auf dem
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Wasser, Traktoren, sowie deren Komponenten und Teile, soweit in Klasse 12 ent-
halten“.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat sieht keine hinreichenden
Gründe für die Annahme, dass die Anmeldemarke im Hinblick auf die nach der
Beschränkung des Warenverzeichnisses noch beanspruchten Waren freihal-
tungsbedürftig i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei oder ihr die nach § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle.
1. Ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung i.S.d. § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben.
a) Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen,
die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004,
450, 453 [Rz. 32] – DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben be-
stehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienst-
leistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wich-
tige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände
handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU; GRUR 2000, 211,
232 – FÜNFER). Beschreibt eine Angabe dagegen Umstände, die nicht hinrei-
chend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen, so darf de-
ren Anmeldung als Marke nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses i.S. von § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen werden (BGH GRUR 2004, 683 – Berlin
Card). Das Eintragungsverbot dient dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel,
dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw.
Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden
können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unter-
nehmens monopolisiert werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 –
CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD).
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b) Nach diesen Grundsätzen kann ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten
Bezeichnung nicht festgestellt werden. Zwar ist, wie die Markenstelle zutreffend
angenommen hat, „Multi-Contour“ für den Verkehr durchaus verständlich als Hin-
weis auf „Vielfach-Umriss(e), Vielfach-Oberfläche bzw. Mehrfach-Kontur“. Damit
werden jedoch keine bedeutsamen Merkmale der noch betroffenen Waren selbst
unmittelbar beschrieben; die angemeldete Marke enthält keine Information über
irgendwelche Eigenschaften dieser Waren, so dass sie weder abstrakt noch kon-
kret deren mögliche Merkmale unmittelbar zu beschreiben in der Lage wäre (vgl.
EuG GRUR-RR 2001, 156, 157 [Rz. 29] – EASYBANK), denn keine der noch be-
anspruchten Waren hat für sich oder in einem Verwendungs- oder Einsatzzusam-
menhang besondere Eigenschaften, die sie zu einer Geländeanpassung beson-
ders qualifizieren würden. Auch Landfahrzeuge und Traktoren sind zwar dazu be-
stimmt, mit unterschiedlichen Geländeformationen zurecht zu kommen, doch ist
dieser Umstand dermaßen selbstverständlich und banal, dass ein ausdrücklicher
Hinweis darauf jeglicher Aussagekraft entbehren würde. Da die Anmeldemarke
damit jedenfalls nicht ausschließlich aus unmittelbar produktbeschreibenden An-
gaben besteht, kann ihr nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses nach § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG die Eintragung versagt werden. Es ist aus keinem Gesichts-
punkt ein Interesse oder Bedürfnis der Mitbewerber erkennbar, ihre vergleichbaren
Waren mit der Bezeichnung „Multi-Contour“ zu versehen.
2. Der Marke kommt auch die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unter-
scheidungskraft zu.
a) Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190
[Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington) und
des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR
2000, 720, 721 – Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich infor-
mierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH
GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2) als Unterschei-
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dungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unterneh-
mens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des
grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995,
408, 409 – PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kenn-
zeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Ver-
kehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem
für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden be-
schreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m.w.N. –
RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner
Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 – Unter uns; WRP 2000, 298, 299 – Radio
von hier; WRP 2000, 300, 301 – Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 –
LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 – „Test it.“; GRUR
2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende
Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne dass sich durch die
Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen
Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt
dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um
eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt
(EuGH GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD).
b) Nach diesen Grundsätzen kann der Anmeldemarke die erforderliche Unter-
scheidungskraft im Hinblick auf die beanspruchten Waren nicht abgesprochen
werden. Zwar handelt es sich bei „Multi-Contour“ um einen sprachüblich aus zwei
Wortbestandteilen zusammengesetzten Begriff, der auch in seiner Gesamtheit
einen verständlichen Bedeutungsgehalt hat, nämlich einen Hinweis auf die Anpas-
sung an verschiedene Geländeformationen. Es ist aber, wie oben ausgeführt,
nicht davon auszugehen, dass dieser Bedeutungsgehalt gerade für die noch be-
anspruchten betroffenen Waren einen beschreibenden Begriffsinhalt hat, der für
diese Produkte ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird.
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Vielmehr führt die angemeldete Marke trotz ihres durchaus sprechenden Charak-
ters in ihrer Gesamtheit von dem unmittelbar erschließbaren Bedeutungsinhalt
weg, weil sich dieser nicht sinnvoll auf die Waren beziehen lässt. Weil der Verkehr
dies wahrnehmen wird, wird er mangels anderer Anhaltspunkte dementsprechend
in der Bezeichnung „Multi-Contour“ einen Hinweis auf die Herkunft der damit ge-
kennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen erblicken.
Reker
Richter Schwarz ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
verhindert.
van Raden
van Raden
Ju