Urteil des BPatG vom 15.05.2002

BPatG: geographische herkunftsangabe, unterscheidungskraft, veranstaltung, patent, eugh, unternehmen, zukunft, markt, kunst, werbung

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 202/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 42 889.8
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 15. Mai 2002 unter Mitwirkung des Richters Kraft als Vorsitzendem
sowie des Richters Reker und der Richterin Eder
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152
10.99
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G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung
Dießener Töpfermarkt
für die Waren und Dienstleistungen
"Fachausstellung für handwerkliches Geschirr und keramische
Kunst"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese
Anmeldung zurückgewiesen. Sie besage, daß die angemeldeten Dienstleistungen
in der Art und Weise der Veranstaltung eines Töpfermarktes in der Gemeinde
Dießen angeboten würden. Die angemeldete Marke sei daher lediglich eine Be-
zeichnung der Art der Dienstleistung im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Da es
aber auch anderen Veranstaltern eines Töpfermarktes in Dießen möglich sein
müsse, hierauf mit der Bezeichnung "Dießener Töpfermarkt" hinzuweisen, handle
es sich um eine freihaltebedürftige Angabe. Zudem fehle der angemeldeten Marke
jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, denn sie sei nicht
geeignet, die Veranstaltung verschiedener Töpfermärkte in Dießen voneinander
unterscheidbar zu machen. Ihr fehle ein Element, das sie für die angesprochenen
Verkehrskreise einem bestimmten Veranstalter zuweise. Keine Rolle spiele es,
daß die Anmelderin die Gemeinde Dießen selbst sei, denn diese sei, sofern sie
sich am Wettbewerb beteilige, den anderen Wettbewerbern gleichgestellt.
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Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. In Dießen
a. Ammersee habe es in den letzten 23 Jahren den von einer Privatperson durch-
geführten "Süddeutschen Töpfer-Markt" gegeben. Im Jahr 2001 habe erstmals die
Gemeinde Dießen den von ihr selbst organisierten "Dießener Töpfermarkt" der
Öffentlichkeit präsentiert. Das Recht, mit dem Namen "Dießen" auftreten und wer-
ben zu können stehe ausschließlich der Gemeinde selbst zu. Die Gemeinde ver-
anstalte einen Markt und verwende dazu ihren eigenen Namen. Dieser Name sei
durch die Gemeindeordnung und das Grundgesetz besonders geschützt.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 30. Oktober 2001 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Eintragung der angemeldeten
Bezeichnung stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG
entgegen.
Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind Bezeichnungen von der Eintragung ausge-
schlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Be-
stimmung, der geographischen Herkunft oder zur Bezeichnung sonstiger Merk-
male der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Zu den nach
dieser Vorschrift vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen darüber
hinaus nicht nur die dort ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für
den Warenverkehr oder die Erbringung von Dienstleistungen wichtige und die
umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem
Bezug auf die betreffenden Waren oder Dienstleistungen selbst beschreiben (BGH
GRUR 1998, 813, 814 – CHANGE; BlPMZ 1999, 410, 411 – FOR YOU) und die
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entweder bereits als Sachaussage benutzt werden oder deren Benutzung als
Sachaussage aufgrund konkret feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu
erwarten ist (BGH GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH). Eine solche konkret und
unmittelbar dienstleistungsbeschreibende Angabe ist die angemeldete Bezeich-
nung.
Diese setzt sich zusammen aus einem Hinweis auf eine zeitlich und örtlich be-
grenzte Fachausstellung für Töpferwaren, der eine geographische Herkunftsan-
gabe vorangestellt ist. Dabei sind nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs (GRUR 1999, 723 - Chiemsee) bei der Prüfung von Ortsangaben
nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Vielmehr muß auch die
Möglichkeit erörtert werden, ob eine entsprechende beschreibende Verwendbar-
keit der fraglichen Angabe vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist, so daß
die Angabe zur Bezeichnung der geographischen Herkunft "dienen kann". Eine
dahingehende Eignung als geographischer Herkunftsangabe kommt insbesondere
den Namen bekannter Orte zu, bei denen nicht unwahrscheinlich ist, daß die be-
teiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu der einschlägigen Waren- oder
Dienstleistungsgruppe herstellen können (vgl EuGH aaO, Tz 32 f). Diese Bezie-
hung zwischen den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und dem fragli-
chen Ort muß dabei nicht notwendigerweise auf der Herstellung der Waren bzw
Erbringung der Dienstleistungen in dem Ort beruhen, sondern kann sich auch aus
anderen Anknüpfungspunkten ergeben, wie zB dem Umstand, daß die verwen-
deten Rohstoffe aus dem betreffenden Gebiet stammen können. Letztlich besteht
ein Freihaltungsbedürfnis nicht nur an geographischen Herkunftsangaben, die ei-
nen unmittelbaren Bezug zu bestimmten Eigenschaften der einschlägigen Waren
oder Dienstleistungen aufweisen, sondern auch an Ortsnamen, welche die Vorlie-
ben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, zB dadurch, daß
diese eine Verbindung zwischen den Waren und Dienstleistungen sowie dem Ort
herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen (vgl EuGH aaO,
Tz 26, 36). Ausgehend von diesen Grundsätzen muß im vorliegenden Fall von ei-
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nem rechtserheblichen Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung
ausgegangen werden.
Die adjektivierte Angabe "Dießener" bezeichnet nämlich den Ort, an dem der in
der angemeldeten Marke bezeichnete Töpfermarkt stattfindet. Dießen aber ist ein
bekannter Ort am Ammersee, der - wie die Gemeinde Dießen selbst in ihrer Ho-
mepage www.diessen.de ausführt - bereits seit dem Jahr 1927 für die vielen Kera-
mikwerkstätten bekannt war. 1934 wurde sogar die Arbeitsgemeinschaft Diesse-
ner Kunst gebildet. Auch in dem von der Anmelderin selbst eingereichten Keramik-
Magazin 4/2001 wurde neben dem Markttreiben am See eine sog keramische
Route angesprochen, die über neun Stationen führte und Werkstätten, Läden und
Ausstellungen tangierte (aaO, S 14). Die Errichtung eines individuellen oder aus
mehreren Anbietern bestehenden Töpfermarktes liegt also nicht außerhalb jegli-
cher Wahrscheinlichkeit. Dafür sprechen nicht nur die in Dießen ansäßigen Werk-
stätten, sondern auch die Tatsache, daß es als Vorläufer zum Dießener Töpfer-
markt den sog Süddeutschen Töpfermarkt gegeben hat und immer noch gibt. Da-
mit besteht für die in Dießen ansäßigen Unternehmen ein Bedürfnis, auf die Her-
kunft ihrer Erzeugnisse aus diesem für handwerkliche und künstlerische Keramik
bekannten Gebiet hinweisen zu können. Dabei geht der Senat angesichts der
Entwicklung und der Bezeichnungsgewohnheiten auf dem vorliegenden Sektor,
wie Süddeutscher Töpfermarkt, Internationaler Töpfermarkt, Darmsheimer
Töpfermarkt, Bürgeler Töpfermarkt usw, bereits von einem gegenwärtigen Frei-
haltebedürfnis der Mitkonkurrenten aus. Jedenfalls aber begründen die Umstände
ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines künftigen Freihaltebedürfnis-
ses. Die Annahme einer solchen zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung wird
durch die Beispiele aus der Vergangenheit, aber auch der Gegenwart unterstützt.
Dabei steht das Recht, auf die geographische Herkunft der Waren oder Dienst-
leistungen hinzuweisen, nicht nur der Gemeinde Dießen, sondern allen Gewerbe-
treibenden zu, deren Waren oder Dienstleistungen tatsächlich aus dem Ort
Dießen stammen oder dort erbracht werden. Das der Gemeinde zustehende Na-
mensrecht führt nicht zu einem Ausschließlichkeitsrecht der Gemeinde, vielmehr
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ist der Hinweis auf die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen
jedem Gewerbetreibenden unbenommen. Der Hinweis auf den Ort der Herstellung
von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen ist unabhängig von ge-
meindlichen Namensrechten jederzeit möglich und dient ausschließlich als be-
schreibender Hinweis.
Der angemeldeten Bezeichnung fehlt auch jegliche Unterscheidungskraft im Sinne
von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Unterscheidungskraft besitzt eine Marke dann, wenn
sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denje-
nigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei reicht nach der Formulie-
rung des Gesetzes jede wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus,
um das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft zu überwinden.
Einer Marke kann aber dann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen
werden, wenn ihr kein für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen im
Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann
und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder ei-
ner bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH BlPMZ 1999, 408 - YES).
Die angemeldete Marke ist jedoch, wie bereits festgestellt, unmittelbar beschrei-
bend. Sie weist auf Inhalt und Ort der genannten Veranstaltung hin. Zwar ist der
Verkehr erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, eine Waren- oder Dienstleistungsbe-
zeichnung begrifflich zu analysieren (BGH GRUR 1992, 515 - Vamos; aaO -
PROTECH), wenn sie markenmäßig verwendet wird (BGH BlPMZ 2000, 53, 55 -
FÜNFER). Im vorliegenden Fall entbehrt die angemeldete Bezeichnung jedoch
jeglicher Mehrdeutigkeit oder phantasievoller Umschreibung. Vielmehr beschränkt
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sie sich auf einen ausschließlich sachbezogenen Hinweis, der auch nur so ver-
standen werden kann.
Kraft Reker Eder
Bb