Urteil des BPatG vom 01.02.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 159/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
1. Februar 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 31 843
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der
Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 9. März 2004 aufgehoben.
Der Antrag auf Löschung der Marke 302 31843 wird zurückgewie-
sen.
G r ü n d e
I.
Die Buchstabenmarke
„UPW“
ist für die Waren
„Maschinen für die Metallverarbeitung, insbesondere Gewinde-
walz- und Rohrbearbeitungsmaschinen, Walzmaschinen für Ver-
zahnungen, Gewinderollanlagen, Profilwalzmaschinen, Umform-
werkzeuge; Teile und Werkzeuge für Metallverarbeitungsmaschi-
nen“
am 27. Juni 2002 angemeldet und am 30. Juli 2002 unter der Nummer 302 31 843
in das Markenregister eingetragen worden.
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Dagegen ist Löschungsantrag hinsichtlich aller Waren gem. § 50 Abs. 1 Nr. 3 und
4 MarkenG (nunmehr §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 10) gestellt worden.
Die Antragstellerin hat im Wesentlichen ausgeführt, die Bezeichnung „UPW“ sei
den beteiligten Verkehrskreisen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren
als Abkürzung für „Universal-Profil-Walzmaschine“ bekannt und stelle daher ledig-
lich eine Beschaffenheitsangabe dar. Des Weiteren sei die Markeninhaberin bei
der Anmeldung bösgläubig gewesen, die sie allein in der Absicht vorgenommen
habe, die Antragstellerin in der Verwendung ihrer eigenen identischen Kennzeich-
nung zu behindern, die seit Jahren für dieselben Waren im Markt etabliert sei.
Die Markenabteilung 3.4 hat den Löschungsantrag hinsichtlich der geltend ge-
machten Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückge-
wiesen, da der Buchstabenfolge nicht ohne Weiteres eine beschreibende Bedeu-
tung entnommen werde könne. Die Marke sei jedoch wegen Bösgläubigkeit der
Markeninhaberin im Zeitpunkt der Anmeldung zu löschen, da die Markeninhaberin
als Wettbewerberin im eng begrenzten Marktsegment der beanspruchten Waren
von der seit vielen Jahren im Markt befindlichen traditionsreichen Baureihe der
Antragstellerin mit der Bezeichnung „UPW“ gewusst haben müsse, nachdem im
Rahmen von vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten eine einverständliche Klärung
der gegenseitigen Kennzeichnungen stattgefunden habe; die anschließende An-
meldung durch die Markeninhaberin, für die keine sachlich rechtfertigenden
Gründe ersichtlich seien, könne daher nur zum Zwecke der Behinderung der An-
tragstellerin verstanden werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Ein schutzwürdiger
Besitzstand der Antragstellerin bestehe schon deshalb nicht, weil die streitige
Buchstabenfolge von ihr schon seit Jahren nicht mehr verwendet werde; auch
hätten nach deren eigenen Unterlagen keine Verkäufe mehr seit 1993 - jedenfalls
nicht im Inland und nicht mit der streitigen Kennzeichnung - stattgefunden. Auch
auf der Homepage der Antragstellerin seien keine Hinweise auf Waren mit dieser
Kennzeichnung zu finden, die zudem gar nicht markenmäßig eingesetzt worden
sei, sondern allein nach Art einer internen Produkt-Kennung. Selbst bei Unterstel-
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lung der angeblichen Vorbenutzung verbiete es sich, ohne Weiteres von der Un-
lauterkeit der Markeninhaberin auszugehen. In den Gesprächen der vorangegan-
genen Rechtsstreitigkeiten sei es jedenfalls nicht um die vorliegende Kennzeich-
nung gegangen, mit der die Markeninhaberin eine separate Produktserie auf den
Markt bringen wolle.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung vom 9. März 2004 aufzuhe-
ben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragsstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Sie reicht weitere Unterlagen mit Abbildungen ihrer mit der Kennzeichnung verse-
henen Maschinen ein und verweist im Übrigen auf den Beschluss der Markenab-
teilung. Es könne nicht angehen, dass die Markeninhaberin sich durch Übernahme
der Kennzeichnung der Antragstellerin in deren zukunftsträchtiges Ersatzteilge-
schäft, welches mit ihren hochwertigen und langlebigen Maschinen verbunden sei,
hineindränge, zumal sie selbst bisher keine einzige derartige Maschine hergestellt
habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist auch in der Sache begründet.
Der Löschungsantrag, dem die Markeninhaberin gemäß § 54 Abs. 3 Satz 2
MarkenG rechtzeitig widersprochen hat, muss ohne Erfolg bleiben. Weder ist die
angegriffene Marke entgegen §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 50 Abs. 1 MarkenG einge-
tragen worden, wie die Markenabteilung bereits festgestellt hat, noch kann davon
ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin bei der Anmeldung bösgläubig
gewesen ist (§§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG).
a) Bösgläubigkeit eines Anmelders liegt jedenfalls dann vor, wenn die Anmel-
dung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist. Damit knüpft die Bestim-
mung an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsan-
spruch aus § 1 UWG oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes
an. Zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders nach § 50 Abs. 1 Nr. 4
MarkenG sind daher die insoweit entwickelten Grundsätze weiter heranzuziehen
(vgl. BGH GRUR 2004, 510, 511 „S 100“ m. w. N.).
Nach den genannten Grundsätzen handelt der Anmelder einer Marke nicht schon
deshalb unlauter und ist daher nicht schon deswegen als bösgläubig im Sinne von
§ 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG anzusehen, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe
oder ein ähnliches Kennzeichen im Inland für gleiche oder ähnliche Waren be-
nutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben; ein
Vorbenutzungsrecht in diesem Sinne ist dem Markenrecht fremd (BGH
GRUR
2000, 1032, 1034 „EQUI
2000“; GRUR
1998, 1034, 1036 „Makalu“;
GRUR 1998, 412, 414 „Analgin“ m. w. N.). Etwas anderes kann jedoch dann gel-
ten, wenn auf Seiten der Markeninhaberin besondere Umstände vorliegen, welche
die Erwirkung der Markeneintragung als wettbewerbswidrig erscheinen lassen
(vgl. BGH GRUR 2005, 582 „The colour of Elégance“).
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In der Rechtsprechung werden insoweit im Wesentlichen zwei Fallgruppen unter-
schieden. Ein sittenwidriger Markenerwerb kann zum Einen darin liegen, dass der
Markeninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers
ohne zureichenden sachlichen Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähn-
liche Bezeichnung für gleiche oder ähnliche Waren (oder Dienstleistungen) mit
dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für
diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Marke hat eintragen las-
sen.
Zum Anderen kann er auch darin gesehen werden, dass ein Markenanmelder die
mit der Eintragung der Marke entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich un-
bedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes ein-
setzt (vgl. BGH a. a. O. „EQUI 2000“; a. a. O. „Makalu“). In diesem Fall hängt die
rechtliche Bewertung des Handelns des Markeninhabers als sittenwidrig nicht von
der Feststellung eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ab (vgl.
BGH GRUR a. a. O. „Analgin“ m. w. N.).
b) Der Senat konnte keine Feststellungen dahingehend treffen, dass die Antrag-
stellerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke über
einen sowohl in tatsächlicher Hinsicht ausreichenden wirtschaftlich wertvollen wie
in rechtlicher Hinsicht schutzwürdigen Besitzstand an der Kennzeichnung „UPW“
verfügte.
Für die Annahme eines wertvollen und schutzwürdigen Besitzstandes ist in tat-
sächlicher Hinsicht eine hinreichende Bekanntheit der Kennzeichnung erforderlich,
wobei es neben den objektiven Feststellungen hinsichtlich des Umfangs und der
Dauer der Verwendung auch darauf ankommen kann, welche Bedeutung die
Kennzeichnung bei der konkreten geschäftlichen Betätigung des Vorbenutzers
erlangt hat (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 50 Rdn. 17). Insoweit sind Umsatz-
zahlen, Dauer der Benutzung, Werbeaufwendungen, eine erreichte Marktposition,
bestehende Konkurrenzverhältnisse und damit Absatzchancen und Gewinner-
wartungen auf dem jeweiligen Markt maßgeblich, ohne dass es auf die absoluten
Stückzahlen verkaufter Produkte ankäme (vgl. BGH Mitt. 2004, 315 „P21S“).
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Die Antragstellerin konnte aber für den maßgeblichen Zeitpunkt weder wesentliche
Umsätze und damit einen deutlichen Marktanteil nachweisen noch vertreibt sie ein
spezielles Produkt für einen beschränkten Abnehmerkreis (vgl. BGH a. a. O.
„S 100“, „P21S“).
Die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 22. November 2005 eingereichten
Unterlagen mit eidesstattlich versicherten Umsatzzahlen belegen zum Einen keine
Benutzung der Bezeichnung „UPW“ in Alleinstellung, sondern beziehen sich auf
Produktbezeichnungen, die sich aus der Bezeichnung „UPW“ und weiteren Be-
standteilen (z. B. „6,3“, „12,5“, „25.1“, „12,5 X 70“) zusammensetzen oder die
Kennzeichnung „UPWS“ enthält. Zum Anderen beziehen sich die eingereichten
Rechnungen entweder auf Auslandslieferungen oder von der Sache her auf ge-
brauchte Maschinen bzw. Ersatzteile und Generalüberholungen. Lediglich auf ei-
ner Rechnung vom 2. Oktober 2002 fehlt ein entsprechender Gebrauchtwaren-
hinweis. Allerdings ist der angegebenen Maschinen-Nr. 3421 zu entnehmen, dass
es sich auch hierbei um eine ältere Maschine handeln muss, wenn es in der
gleichzeitig von der Antragstellerin eingereichten Übersicht über ihre Produkt- und
Firmengeschichte („Profiroll ist: Maschine, Werkzeug, Verfahren aus einer Hand -
UPW-Baureihe
Überhaupt ist in der genannten Übersicht wie auch in anderen Unterlagen im Zu-
sammenhang mit „UPW“ wiederholt von „Type“, „Reihe“ oder „Baureihe“, „Typen-
schild“ oder „Typenzeichen“ die Rede, so dass ein markenmäßiger Einsatz gerade
nicht nahe gelegt ist. Dies trifft insbesondere auf die mit Schriftsätzen der Antrag-
stellerin vom 26. Januar 2006 (Bl. 86 ff. der Gerichtsakte) und 27. Januar 2006
(Bl. 114 ff.) eingereichten Anlagen zu, wobei wiederum alte Maschinen betroffen
oder Auslandsmärkte (fremdsprachige Katalogauszüge) angesprochen sind. Ob
die Löschungsantragstellerin möglicherweise früher einmal einen wirtschaftlich
wertvollen Besitzstand erworben hatte, kann dahinstehen, weil es im Löschungs-
verfahren auf den Zeitpunkt der Anmeldung ankommt (vgl. Ströbele/Hacker,
a. a. O. § 50 Rdn. 15, 16 m. w. N.). Andernfalls wäre die Antragstellerin mit ihrer
Kennzeichnung rechtlich besser gestellt als die Inhaberin einer eingetragenen,
aber wegen Verfalls löschungsreifen Marke.
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Dem Vortrag hinsichtlich des wirtschaftlich wertvollen Besitzstandes zum Zeitpunkt
der Anmeldung im Jahre 2002 fehlen damit nicht nur die erforderlichen Belege,
sondern er ist generell als nicht ausreichend substantiiert zu werten. Aufgabe der
Antragstellerin wäre aber ein insoweit lückenloses Vorbringen gewesen, da sie im
Löschungsverfahren eine besondere Mitwirkungspflicht hat, während das in den
§§ 59, 73 MarkenG verankerte Amtsermittlungsprinzip eingeschränkt ist (vgl.
BPatG GRUR 1997, 833, 835 digital; Ströbele/Hacker a. a. O. § 54 Rdn. 28, § 73
Rdn. 16, 18).
c) Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin
bei der Anmeldung die Absicht hatte, die mit der Eintragung des Zeichens „UPW“
kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche
Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes gegenüber der An-
tragsstellerin einzusetzen.
Dieser Tatbestand erfordert neben einer objektiven Eignung des Zeichens, eine
Sperrwirkung zu entfalten und als Mittel des Wettbewerbskampfes zu fungieren,
eine entsprechende Absicht des Anmeldenden. An einer wettbewerbswidrigen
Behinderungsabsicht fehlt es aber insbesondere dann, wenn die Förderung des
eigenen Wettbewerbs im Vordergrund steht (vgl. BGH a. a. O. - „The colour of
Elégance“), was hier zutrifft.
Zum Einen ist eine Verwendung der Bezeichnung „UPW“ in Alleinstellung weder
für die Antragstellerin noch für andere Wettbewerber belegt. Zum Anderen ergibt
sich aus der zwischen den Verfahrensbeteiligten vor dem OLG Frankfurt ge-
schlossenen Vergleich vom 25. Mai 2000) nicht, dass die Markeninhaberin zur
Unterlassung der hier streitigen Markenanmeldung verpflichtet war. Schließlich ist
der Vortrag der Antragsgegnerin nachvollziehbar, sie habe die von ihr verwendete
Buchstabenkombination zur Kennzeichnung einer eigenen Produktreihe für sich
angemeldet, so dass eine Absicht zur Verwendung der angemeldeten Bezeich-
nung als Sperrmarke nicht von Vornherein angenommen werden kann. Ob letzt-
lich die Behauptung der Antragstellerin zutrifft, dass ihre Marktposition durch Ver-
wendung ihrer Kennzeichnung als Marke unlauter ausgenutzt werden soll, entzieht
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sich der beweisrechtlichen Feststellung im Register-(Löschungs-)-Verfahren. Denn
selbst wenn die Markeninhaberin über keinen entsprechenden Geschäftsbetrieb
verfügt, ist dies seit der Reform des Warenzeichenrechts durch § 47 ErstrG auch
nicht mehr notwendig, so dass nicht allein deshalb eine Bösgläubigkeit festgestellt
werden kann. Vielmehr lässt sich dies nur durch eine wettbewerbsrechtliche Klage
vor den ordentlichen Gerichten klären.
Andere Schutzhindernisse, die einer Eintragung des Zeichens „UPW“ für die ein-
getragenen Waren entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich.
Das von der Antragstellerin benutzte Kennzeichen „UPW“ war somit am Tag der
Anmeldung der angegriffenen Marke schutzfähig.
Der Anregung der Antragstellerin zur Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht
zu folgen, da im vorliegenden Registerverfahren weder eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war noch die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine höchstrichterliche
Entscheidung erfordert.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
so dass es bei der grundsätzlichen Kostenregelung des § 71 Abs. 1 MarkenG
bleibt.
gez.
Unterschriften