Urteil des BPatG vom 27.01.2004
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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
29. Januar 2008
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 46 705.6-25
6 W (pat) 42/07
Verkündet am
ndem sowie der Richter
Guth, Dipl.-Ing.
Ganzenmüller und Dipl.-Ing. Küest
…
hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung am 29. Januar 2008 unter Mitwirkung des Richters
Dipl.-Ing.
Schneider als Vorsitze
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beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 04 B des Deut-
schen Patent- und Markenamtes vom 27. Januar 2004 wird auf-
gehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung:
Tragwerk für Gebäude
Anmeldetag: 7.
Oktober
2002
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
-
Ansprüche 1 bis 9, eingereicht in der mündlichen Verhand-
lung,
- Beschreibung
und
-
Zeichnungen vom Anmeldetag.
G r ü n d e
I.
Die Erfindung ist am 7. Oktober 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt
angemeldet worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse E 04 B hat mit Beschluss vom 27. Januar 2004 die
Anmeldung zurückgewiesen, da ihr Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tä-
tigkeit beruhe. Er ergebe sich vielmehr für den Fachmann in naheliegender Weise
aus der Druckschrift DE 32 32 838 C1.
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Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde des Anmel-
ders vom 2. Juni 2004, eingegangen per Fax beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt am 2. Juni 2004.
Der Anmelder beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
aus der Beschlussformel ersichtlichen Unterlagen zu erteilen.
Im Prüfungsverfahren ist die DE 32 32 838 A1 zum Stand der Technik in Betracht
gezogen worden.
Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
Einfamilienhaus mit einem Tragwerk zur Aufnahme der Gebäude-
lasten und Zugkräfte, bestehend aus mindestens drei zweischenk-
ligen Tragelementen (1), dessen von den beiden Schenkeln ein-
geschlossener Winkel (α) größer als 90° ist, und mit Dach-,
Decken- und Wandelementen, wobei jedes Tragelement (1) mit
dem ersten Schenkel (11) eine Vertikalstütze des Tragwerks und
mit dem zweiten Schenkel (12) einen Dachträger des Tragwerks
bilden, die freien Enden des zweiten Schenkels jedes Tragele-
mentes an einem höchsten Raumpunkt miteinander verbunden
sind und die Tragelemente (1) auf horizontaler Ebene durch eine
Rahmenanordnung (2) miteinander verbunden sind, die auf Höhe
einer einzulegenden Geschoßdecke angeordnet ist und gleichzei-
tig als Drempel zur Auflage der Dachbalken dient, und wobei die
Dach-, Decken- und Wandelemente auf diesem Tragwerk montiert
werden und es zu einem geschlossenen Gebäude komplettieren,
und die Tragelemente (1) an ihren Außenseiten Auflageflächen
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(16, 16´) aufweisen, die mit den Ebenen der aufzulegenden Dach-
und Wandelemente zusammenfallen.
Gemäß der in Abs. [0005] der DE 102 46 705 A1 angegebenen Aufgabe soll ein
Tragwerk für Gebäude, insbesondere Einfamilienhäuser, angegeben werden, bei
dem der umbaute Raum von jeglicher Tragkonstruktion frei ist, um eine vollständig
individuelle Aufteilung von Decken und Wänden zu ermöglichen.
Wegen der Unteransprüche sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
II.
1. Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und hat mit
dem geänderten Patentbegehren Erfolg.
2. Die gemäß Beschlussformel der Patenterteilung zugrunde liegenden Unterla-
gen sind ursprünglich offenbart und damit zulässig.
Der Anspruch 1 setzt sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2, 3,
6 und 12 sowie Ergänzungen aus der Beschreibung Seite 5, Zeilen 14 bis 16 zu-
sammen. Dass der Anspruch 1 nunmehr auf ein Einfamilienhaus gerichtet ist, ist
offenbarungsgemäß insbesondere auf Seite 5, Zeilen 20 bis 22 der Beschreibung
gestützt.
3.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist patentfähig.
3.1 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist gegenüber dem angeführten
Stand der Technik neu, wie auch die nachfolgenden Ausführungen zeigen.
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3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit
nicht in Zweifel steht, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Fachmann, hier ein Bauingenieur mit Fachhochschulausbildung der Fach-
richtung konstruktiver Ingenieurbau und einigen Jahren Berufspraxis in einem Pla-
nungs- und Statikbüro mit Schwerpunkt Hochbau, versteht den Gegenstand nach
Anspruch 1 als Einfamilienhaus mit einem Tragwerk zur Aufnahme der Gebäude-
lasten und Zugkräfte und mit Dach-, Decken- und Wandelementen. Das Einfami-
lienhaus hat ein Tragwerk, das aus mindestens drei zweischenkligen Tragele-
menten besteht, dessen von den beiden Schenkeln eingeschlossener Winkel
größer als 90° ist. Jedes Tragelement bildet mit dem ersten Schenkel eine Verti-
kalstütze des Tragwerks und mit dem zweiten Schenkel einen Dachträger des
Tragwerks. Die freien Enden des zweiten Schenkels jedes Tragelementes sind an
einem höchsten Raumpunkt miteinander verbunden. Die Tragelemente sind auf
horizontaler Ebene durch wenigstens eine Rahmenanordnung miteinander ver-
bunden, die auf Höhe einer einzulegenden Geschoßdecke angeordnet ist und
gleichzeitig als Drempel zur Auflage der Dachbalken dient. Die Dach-, Decken-
und Wandelemente werden auf diesem Tragwerk montiert und komplettieren es
zu einem geschlossenen Gebäude. Die Tragelemente weisen an ihren Außensei-
ten Auflageflächen auf, die mit den Ebenen der aufzulegenden Dach- und Wand-
elemente zusammenfallen.
Damit wird die Aufgabe gelöst, ein Einfamilienhaus anzugeben, bei dem der um-
baute Raum von jeglicher Tragkonstruktion frei ist, um eine vollständig individuelle
Aufteilung von Decken und Wänden zu ermöglichen.
Anregungen für eine derartige Lösung, zu der alle im Anspruch 1 angeführten
Merkmale entscheidend beitragen, ergeben sich aus dem gesamten aufgezeigten
Stand der Technik nicht.
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Die DE 32 32 838 A1 zeigt insbesondere in den Figuren 2a, 2b, 2c, 2d ein Trag-
werk zur Aufnahme der Gebäudelasten und Zugkräfte, bestehend aus mindestens
drei zweischenkligen Tragelementen 1, dessen von den beiden Schenkeln einge-
schlossener Winkel (α) größer als 90° ist.
Jedes Tragelement 1 (L-förmiges Bauelement 1) bildet mit dem ersten Schenkel 3
eine Vertikalstütze des Tragwerks und mit dem zweiten Schenkel 2 einen Dach-
träger des Tragwerks. Die beiden Schenkel 2, 3 des Tragelements 1 sind über
eine Abwinkelung einstückig miteinander verbunden (vgl. u. a. Beschreibung S. 18
Zeile 32, L-förmiges Bauelement 1).
Die freien Enden des zweiten Schenkels 2 jedes Tragelementes sind an einem
höchsten Raumpunkt miteinander verbunden (vgl. u. a. Beschreibung S. 18 Zei-
le 32).
Auch wenn diese Druckschrift sich vorrangig auf temporäre Bauten bezieht, wird
sie der Fachmann - entgegen der Meinung des Anmelders - in Betracht ziehen,
weil unter temporären Bauten auch Gebäude zu verstehen sind, die u. a. als Er-
gänzung bei Raummangel zum Wohnen, Arbeiten, Unterrichten usw. durchaus
auch über mehrere Jahren stehen und deren konstruktive Planung mit entspre-
chenden Standsicherheitsnachweisen zu den Aufgaben des zuvor definierten
Fachmannes gehört.
Hinweise insbesondere auf
● eine Rahmenanordnung, die die Tragelemente auf horizonta-
ler Ebene miteinander verbindet und die auf Höhe einer ein-
zulegenden Geschoßdecke angeordnet ist und gleichzeitig als
Drempel zur Auflage der Dachbalken dient sowie
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● auf Auflageflächen, die an den Außenseiten der Tragelemente
angeordnet sind und die mit den Ebenen der aufzulegenden
Dach- und Wandelemente zusammenfallen,
kann der Fachmann der DE 32 32 838 A1 jedoch nicht entnehmen.
Denn aufgrund der besonderen Ausbildung als temporäres Gebäude ist beim Ge-
genstand nach der DE 32 32 838 A1 zu seiner Aussteifung eine Seilverspannung
vorgesehen und das Dach und die Wände sind als membranartige Außenhaut
ausgebildet.
Der Fachmann würde allenfalls alternativ zur Seilverspannung einen Rahmen als
Aussteifung anordnen. Dies würde ihn jedoch nicht in Richtung des Anspruchsge-
genstandes führen, weil die DE 32 32 838 A1 keinen Hinweis darauf gibt, den
Rahmen über die Aussteifung des Gebäudes hinaus als Deckenauflage und als
Drempel zur Auflage von Dachbalken auszubilden.
Darüber hinaus gibt diese Druckschrift dem Fachmann keine Anregung, Auflage-
flächen anzuordnen, die an den Außenseiten der Tragelemente angeordnet sind
und die mit den Ebenen der aufzulegenden Dach- und Wandelemente zusam-
menfallen.
Der aufgezeigte Stand der Technik vermag somit zusammenfassend keine Anre-
gung zur erfindungsgemäßen Lösung zu geben, da die DE 32 32 838 A1 dem
Fachmann eine in sich abgeschlossene Lösung für die dort zugrundeliegende
Aufgabenstellung bietet und ein mit weiteren Merkmalen zusammengefügter An-
spruch mit der Lehre nach dem Anspruch 1 in Kenntnis der Erfindung einer unzu-
lässigen ex-post Betrachtung gleich käme.
Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
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4. Damit sind auch die von diesem getragenen, auf nicht platt selbstverständli-
chen Ausgestaltungen des Anmeldungsgegenstandes gerichteten Unteransprü-
che 2 bis 9 gewährbar.
Schneider Guth
Ganzenmüller Küest
Cl