Urteil des BPatG vom 18.11.2003

BPatG (luft, bezeichnung, marke, begriff, eintragung, beschwerde, verkehr, anmeldung, ara, verhandlung)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 137/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
18. November 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
U
betreffend die Markenanmeldung 301 43 173.6
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 18. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Schermer sowie der Richterin Eder und des Richters Schwarz
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss vom 3. Februar 2003 die Anmeldung der als Wortmarke für "Schuhwa-
ren, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen" zur Eintragung in das Register ange-
meldete Bezeichnung
ACTIVE AIR
wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist aus-
geführt: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Anmeldemarke nur als
Sachhinweis darauf ansehen, dass die so gekennzeichneten Waren Luftkammern
aufweisen, die sich selbständig regulierten. Denn wie sich aus zahlreichen, dem
angefochtenen Beschluss beigefügten Werbebeispielen ergebe, seien die beiden
Bestandteile "AIR" und "ACTIVE" insbesondere in der Modewerbung als reine
Sachinformation gebräuchlich; mit "AIR" würden dabei mit Luftkammern zu Isola-
tionszwecken, zur Polsterung oder zur besseren Passform ausgestattete Klei-
dungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen bezeichnet, und der Begriff "AC-
TIVE" sei ein vor allem bei Funktions- und Klimabekleidung häufig verwendetes
Werbeschlagwort, das signalisiere, dass die so bezeichneten Waren in besonde-
rer Weise aktiv, dh selbständig wirkten. Auf die Voreintragung der Marke in Groß-
britannien könne sich die Anmelderin nicht berufen, da dieser Eintragung keine in-
dizielle Bedeutung zukomme.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht
geltend, die Anmeldemarke sei in ihrer Kombination nicht lexikalisch nachweisbar
und insbesondere weder in der deutschen noch in der englischen Sprache als
Wortkombination gebräuchlich. Der Verkehr werde die Gesamtmarke daher nicht
rein beschreibend auffassen. Denn er kenne lediglich die beiden Bestandtei-
le "AIR" und "ACTIVE", so dass er die Gesamtmarke nur im Sinne von "aktiver
Luft" übersetzen werde; ein solcher Begriff sage jedoch nichts über die bean-
spruchten Waren aus, da unklar bleibe, weshalb die Luft aktiv sein solle oder ob
aktiv für Luft gesorgt werde. Keinesfalls könne "AIR" mit "Luftkammer" übersetzt
werden, da dieser Begriff im Englischen mit den Wortkombinationen "Air Cham-
ber" oder "Air Cushion" ausgedrückt werde. Auch bedeute "ACTIVE" nicht "selbst-
tätig", da dies im Englischen mit "automatic" zu übersetzen sei. Aber auch auf der
Grundlage der zergliedernden Betrachtungsweise der Markenstelle ergäben sich
mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Es sei nämlich unklar, ob es sich um Luft-
kammern zu Isolations- oder Polsterungszwecken oder zur besseren Passform
handele, ob mit ihr auf ein besonderes Be- und Entlüftungssystem bzw auf beson-
ders atmungsaktive Stoffe hingewiesen werde oder ob die Kleidungsstücke gera-
de für Aktivitäten an der frischen Luft geeignet seien. Gegen eine beschreibende
Wirkung sprächen indiziell auch zahlreiche Voreintragungen, nämlich von "AIR-
ACTIVE" (Nr 300 28 881), "air ACTIVE" (Nr 396 30 025), "active air" (398 41 247)
und "Clarks ACTIVE AIR" (Nr 2 025 224) und "ara air-active" (2 048 926) für ver-
gleichbare Waren. Da auch ein Freihaltebedürfnis nicht bestehe, sei die Marke da-
her einzutragen.
An der auf ihren Hilfsantrag anberaumten mündlichen Verhandlung hat die Anmel-
derin wie von ihr angekündigt nicht teilgenommen.
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II
Die nach § 165 Abs 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache kei-
nen Erfolg. Zu Recht hat die Markenstelle die Anmeldung der Marke "ACTIVE
AIR" nach § 37 Abs 1 MarkenG als für die beanspruchten Waren nicht unterschei-
dungskräftige Bezeichnung im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewie-
sen.
Die Anmeldemarke ist aus den zum englischen Grundwortschatz gehörenden
Wörtern "ACTIVE" und "AIR" zusammengesetzt, die dem hier angesprochenen
breiten Verbraucherpublikum im allgemeinen geläufig sind und daher ohne weite-
res – wie auch die Anmelderin letztlich einräumt – in der Bedeutung von "aktive
Luft" verstanden werden. Dass die Wortzusammensetzung "ACTIVE AIR" lexika-
lisch nicht nachweisbar ist, spielt dabei entgegen der Auffassung der Anmelderin
keine Rolle, weil das Verständnis einer neuen Wortverbindung nicht davon ab-
hängt, dass sie in einem Wörterbuch verzeichnet ist (vgl BGH WRP 2002, 982,
984 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I) oder dass sie im Geschäftsverkehr bereits ver-
wendet wird (vgl BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – markfrisch; GRUR 2001, 1153 –
antiKALK).
Im Zusammenhang mit den beanspruchten "Schuhwaren, Bekleidungsstücken
und Kopfbedeckungen" wird der Verkehr die angemeldete Bezeichnung in dem bei
unbefangener Betrachtung nächstliegenden Sinne verstehen, dass in diesen Pro-
dukten Luft aktiv wirkt. Auf welche Weise dies geschieht, wird damit zwar nicht
zum Ausdruck gebracht. Dies steht dem Verständnis der angemeldeten Bezeich-
nung als bloßer Sachinformation aber nicht entgegen. Gerade weil bei Bekleidung
und Schuhen das Medium Luft bekanntlich für ein kühles und trockenes Klima am
Körper bzw Fuß sorgt, entnimmt der Verbraucher der Aussage "aktive Luft" nur ei-
nen Hinweis auf das allgemeine Funktionsprinzip der Waren und damit eine we-
sentliche Produkteigenschaft, unabhängig davon, mit welchen technischen Mitteln
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die aktive Funktion der Luft bewirkt wird, etwa durch Luftkanäle, Luftschlitze, Netz-
membranen, Luftpolster udgl.
Die Bezeichnung "ACTIVE AIR" stellt sich für den Verkehr auch keineswegs als
sprachlich ungewöhnlich dar, weil er dem Begriff "aktiv" bzw englisch "active" in al-
len möglichen Kombinationen begegnet, die bei genauer Analyse als sprachlich
verkürzt oder nicht ganz korrekt anzusehen sind, sich aber dennoch in einer übli-
chen werblichen Anpreisung erschöpfen, zB Active Line als Hinweis auf eine Pro-
duktlinie mit sportlich aktiver Note (vgl BGH GRUR 1998, 394, 396 mit weiteren
Werbebeispielen wie Video aktiv, funktionelle Aktivhose), hautactiv als Hinweis auf
wirksam für die Haut (BPatG GRUR 1996, 489), ferner die im Modesektor ua übli-
chen Ausdrücke atmungsaktiv und Active (sports)wear. Im übrigen ergibt sich aus
der vom Senat durchgeführten Internetrecherche, deren Ergebnis der Senat der
Anmelderin mit dem Ladungszusatz übermittelt hat, dass die Schlagwörter "Air-ac-
tive" oder Active Air" in der Produktwerbung für Schuhe und (Sport)Bekleidung be-
reits verwendet werden.
Was schließlich die von der Anmelderin genannten Voreintragungen betrifft, han-
delt es sich um Wort-Bildmarken (398 41 124 active air; 396 30 025 Air active)
oder um Marken, in denen der Bestandteil "ACTIVE AIR" bzw "air-active" mit den
Firmennamen "Clarks" und "ara" kombiniert ist. Die Wortmarke 300 00 288 "AIR-
ACTIVE" (mit R im Kreis) allein vermag die Schutzfähigkeit der angemeldeten
Marke weder unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung noch in-
diziell zu begründen (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 8 Rn 262), zu-
mal die Umstände, die zu der Eintragung der Marke durch das Patentamt geführt
haben, dem Senat nicht bekannt sind.
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Da die Markenstelle der Anmeldemarke somit zu Recht die Eintragung versagt
hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Dr. Schermer
Eder
Schwarz