Urteil des BPatG vom 17.10.2000

BPatG (beschreibende angabe, abgrenzung zu, bildmarke, gestaltung, marke, beurteilung, unterscheidungskraft, verwendung, beschwerde, eintragung)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 42/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung M 78 667/1 Wz
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 17.
Oktober
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Winkler sowie der Richter v. Zglinitzki und Dr. Albrecht
BPatG 152
6.70
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 18. Januar 1999 wird aufgehoben.
G r ü n d e :
I
Der Anmelder hat am 17. August 1994 die Marke
M
für ein umfangreiches Waren- und Dienstleistungsverzeichnis als „Wortzeichen
(Bildzeichen) s. Anlage“ und mit dem sonstigen Antrag „Schriftgestaltung und An-
ordnung des Wortzeichens wie Muster“ angemeldet. Am 13. April 1995 hat er sich
mit einer Verschiebung des Zeitranges auf 1. Januar 1995 einverstanden erklärt.
Mit Beschluss vom 24. September 1996 hat die Markenstelle für Klasse 1 der
angemeldeten Marke den Schutz insgesamt versagt. Nach Aufhebung und Zu-
rückverweisung durch den Senat mit Beschluss vom 1.
August
1997,
33 W (pat) 12/97 (Mitt. 1998, 232), hat die Markenstelle mit dem streitgegen-
ständlichen Beschluss vom 18. Januar 1999 den Schutz nur noch für einen Teil
der beanspruchten Waren und Dienstleistungen versagt, darunter auch
„Zahnbürsten (auch elektrisch); Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen“.
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Sie hat dazu ausgeführt, an einzelnen Buchstaben ohne graphische Besonderheit
bestehe ein Freihaltungsbedürfnis, wenn sie als Abkürzung einer Sachangabe
nachweisbar seien und diese Sachangabe zur Beschreibung der angemeldeten
Waren und Dienstleistungen ernsthaft in Betracht komme. Die hier gewählte
Schriftart „Neil fett“ sei nichts Besonderes. Die Abkürzung M stehe für Mark, Hel-
ligkeit, mega, medium, memory, monochrom, molare Masse, Mittel, Mired,
Maxwell, Monitor, Modul, Massendurchsatz, Manipulator, mittelflüssig, Metaphase,
Metazentrum, measurement, Holzschutzmittel, MNSs-Hauptantigen, morbus,
Muskel, Molaris, Methionin oder Matinee und sei ein Mengenzeichen. Damit sei
sie für die versagten Waren und Dienstleistungen nicht schutzfähig.
Hiergegen hat der Anmelder am 1. März 1999 Beschwerde eingelegt und sinn-
gemäß beantragt,
den Beschluss vom 18. Januar 1999 aufzuheben und die Eintra-
gung der Anmeldung für alle Waren/Dienstleistungen zu be-
schließen.
Am 12.
Juli
2000 hat der Anmelder unter Streichung der Waren
„Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Zahnbürsten (auch elektrisch)“ das Wa-
ren- und Dienstleistungsverzeichnis auf
„Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, foto-
grafische, land- und gartenwirtschaftliche Zwecke; chemische Er-
zeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmit-
teln; unbelichtete fotografische Filme; Farben, Firnisse, Lacke;
Holzkonservierungsmittel; Beizen; Zahnputzmittel; Leuchtstoffe;
Kerzen; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse
sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeug-
nisse für medizinische Zwecke; Schrauben; elektrische Meß- und
Kontrollapparate und -instrumente; elektrische Bügeleisen, Was-
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serkocher und Reinigungsapparate für den Haushalt; fotografi-
sche, kinematografische und optische Apparate und Instrumente;
Geräte für die Aufzeichnung‚ die Be- oder Verarbeitung, die
Übermittlung (drahtlos oder per Draht), den Empfang oder die
Wiedergabe von Bild, Ton oder Daten; Beleuchtungs-, Heizungs-,
Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Was-
serleitungsgeräte; Drucksachen, Bilder; Fotografien; Baumateria-
lien, wie halbverarbeitetes Holz, Sperrholz; Bürsten; Samenkörner;
frisches Obst und Gemüse; Sämereien; Finanzwesen, GeId-
geschäfte, Geldwechselgeschäfte, Bankgeschäfte; Installation und
Montage von Beleuchtungsanlagen, Heizungs-, Lüftungs- und
Klimaanlagen; Schiffsbau; Ausstrahlung von Rundfunk- und
Fernsehprogrammen; Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeu-
gen, Schienenbahnen, Schiffen und Flugzeugen; Be- und Entla-
den von Schiffen; Filmentwicklung und Erstellen von fotografi-
schen Abzügen; Holzbearbeitung; Mahlen von Getreide; Musik-
darbietungen und Theateraufführungen; Veranstaltung von Aus-
stellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Gesundheitsbe-
ratung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung;
Forschung auf dem Gebiet der Bakteriologie; technische Öle;
Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe)“
beschränkt. Für diese Waren und Dienstleistungen ist er der Ansicht, lexikalische
Nachweise ohne konkrete Anhaltspunkte für eine beschreibende Verwendung
reichten nicht aus, die Schutzfähigkeit zu verneinen. M sei die Abkürzung für ein
veraltetes Währungsmittel, die Mark der DDR, bzw. eine veraltete Maßeinheit,
Maxwell. Für Helligkeit stehe M nur bei Gestirnen, nicht bei Lampen. Zu M mit der
Bedeutung Mega müsse noch eine Bestimmung hinzutreten, wie MV für Megavolt,
für Mol-Masse ein tiefergestelltes R. Als Abkürzung für Mittel, Modul, Massen-
durchsatz, Metaphase und -zentrum, Schiffsladungen, Gesundheitsberatung so-
wie Zahnputzmittel, Mired und memory sei M nicht unmittelbar beschreibend.
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Gleiches gelte für M in der Mengenlehre sowie als Abkürzung für Methionin, das
zudem üblicher Weise auf Met. verkürzt werde. Für monochrom und Matinee sei
M keine gängige Abkürzung. Selbst „Monitor“ in Langform sei nicht beschreibend
für die beanspruchten Geräte. „Manipulator“ beschreibe nur manuell bediente Ge-
räte. Für Heizöl komme M nur in den technischen Angaben vor. Bei Holzschutz-
mitteln gebe M den Verwendungszweck „Schwammbekämpfung“ an, was bei den
beanspruchten Farben etc. ausscheide. Für Matinee habe nur ein spezieller Ver-
anstalter M als Überschrift gewählt und mit „Matinee“ erläutert. Die von der Mar-
kenstelle genannten Beispiele seien damit kein Nachweis dafür, dass gerade die
konkret beanspruchte graphische Gestaltung des Buchstabens M in Alleinstellung
als beschreibende Angabe benötigt werde. Eben weil der Buchstabe M in allen
möglichen Bedeutungen gebräuchlich sei, komme es auf die konkrete Verwen-
dungsweise entscheidend an. Allein die abstrakte Erwähnung in Lexika dürfe nicht
als Grundlage für die Eintragungsversagung herangezogen werden.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin führt zur Aufhebung des angefochte-
nen Beschlusses hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen, die noch Gegen-
stand der Beschwerde sind.
Im Markengesetz gilt das frühere gesetzliche Eintragungsverbot des § 4 Abs 2
Nr 1 Halbs 2 WZG für Zahlen und Buchstaben nicht mehr. Sie sind damit wie alle
Marken nur von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie jeglicher Unterschei-
dungskraft entbehren (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) oder ein konkretes Bedürfnis der
Mitbewerber an ihrer Verwendung als beschreibende Angabe besteht (§ 8 Abs 2
Nr 2 MarkenG). Das gilt auch für Marken, die aus einem einzelnen Buchstaben
gebildet sind, selbst wenn sie in einer einfachen üblichen Schrifttype wiedergege-
ben sind. Sie sind auch nicht wegen der geringen Zahl der Buchstaben des Al-
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phabets von Haus aus zu Gunsten der Mitbewerber freizuhalten (BPatGE 38, 116
- L).
Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit ist allerdings zu unterscheiden, ob der
Anmelder die Eintragung als Wort- oder Bildmarke beantragt. In den Formularen
des Patentamts war 1994 die Unterscheidung „Wortzeichen (Bildzeichen)“ nicht
eindeutig. Der Anmelder hat allerdings zu erkennen gegeben, dass er die Marke
als Bildmarke anmelden wollte, weil er im Anmeldeformular auf die Darstellung in
der Anlage Bezug genommen hat. Eine Wortmarke hätte er in das dafür vorgese-
hene Feld des Anmeldeformulars maschinenschriftlich eintragen können. Der Se-
nat ist deshalb bereits in seinem Beschluss vom 1. August 1997 von einer Bild-
marke ausgegangen.
Dem kommt insofern maßgebliche Bedeutung zu, als sich bei Buchstaben in Form
einer Bildmarke die Prüfung auf die konkret beanspruchte Gestaltung beschränkt.
Selbst eine verkehrsübliche einfache Schreibweise, wie die hier gewählte breite
Blockschrift, die auf den meisten elektronischen Textverarbeitungsgeräten als
Font vorhanden ist, kann sich von anderen, möglicherweise noch einfacheren,
üblichen Wiedergabeformen unterscheiden. Sie läßt bei einer späteren Prüfung
der Verwechslungsgefahr und des markenmäßigen Gebrauchs (vgl BGH GRUR
1989, 349 -
ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy) eine Abgrenzung zu
anderen gebräuchlichen Schrifttypen zu. Daraus folgt, dass bei einem als
Wortmarke beanspruchten Buchstaben von Haus aus ein strengerer Beurtei-
lungsmaßstab geboten ist als im Fall eines als Bildmarke angemeldeten Buchsta-
bens.
Bei der Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses ist daher ausschließlich darauf
abzustellen, ob der Buchstabe M gerade in seiner konkreten Gestaltung für sich
allein zur Beschreibung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen tatsächlich
dienen kann.
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Konkrete Tatsachen, die eine Eignung des M in der angemeldeten Schrift zur
Beschreibung der noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen zeigen, liegen
nach Auffassung des Senats nicht vor. Die von der Markenstelle insoweit ge-
nannten Fachbedeutungen vermitteln für sich allein ohne erläuternden Textzu-
sammenhang oder ohne weitere Angaben oft schon keine klare Aussage. In aller
Regel werden die belegten Bedeutungen zudem nicht als Abkürzung in hervorge-
hobener Form auf den Waren angebracht. Erfolgt die Verwendung üblicherweise
nur im Verbund mit weiteren Buchstaben und/oder Zahlen oder sonstigen Anga-
ben, wie MV (Megavolt) oder M
r
(Mol-Masse), kann dies kein Freihaltungsbedürf-
nis an dem Einzelbuchstaben begründen.
Wegen der Vielfalt der möglichen Bedeutungen wird sich außerdem selten eine
einzige aufdrängen (BPatGE 38, 182 - MAC; 40, 85 - CT; 41, 36 - ACC), was die
Fähigkeit zu beschreiben und das Bedürfnis nach Freihaltung mindert.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke gemäß § 8
Abs 2 Nr 1 MarkenG ist der auch für die Beurteilung der Frage der betriebs-
kennzeichnenden Wirkung regelmäßig erforderliche konkrete Bezug zu den be-
anspruchten Waren und Dienstleistungen zu beachten, wobei nach hM bereits
eine geringe Unterscheidungskraft diesen Versagungsgrund ausräumt (vgl BGH
GRUR 1991, 136 - NEW MAN).
Dass der Verkehr bei dem graphisch ausgestalteten M in Alleinstellung eindeutig
und ohne weiteres an die Bedeutungen „Mark, absolute Helligkeit, Modul, mega,
Methionin, Musculus, Morbus, Molaris, Manipulator, Metaphase, measurement,
Mired, MNSs-Gruppe, molare Masse, Massendurchsatz, morbus, Molaris,
Maxwell, monochrom, (mathematisches) Mengenzeichen“ denkt, ist nicht zu er-
warten.
So ist es nicht üblich, auf der Verpackung des chemischen Stoffs Methionin, der
unter den Oberbegriff „chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“ fällt, ein
M in der angemeldeten Gestaltung als Hinweis auf den Inhalt anzubringen.
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Der Anmelder hat zutreffend darauf hingewiesen, dass M nur veraltete Wäh-
rungsmittel und Maßeinheiten benennt. Für Helligkeit steht M nicht bei Lampen
und Kerzen.
Als Abkürzung für Mittel, Modul, Massendurchsatz, Metaphase und -zentrum,
Schiffsladungen, Gesundheitsberatung sowie Zahnputzmittel, Mired und memory
ist M nicht unmittelbar beschreibend. Gleiches gilt für das M aus der Mengenlehre,
das sich nicht auf Mengenangaben im Warenverkehr bezieht. Auch für mo-
nochrom, Monitor und Manipulator ist M keine gängige Abkürzung. Für Heizöl
kommt M nur in den technischen Angaben vor. Bei Holzschutzmitteln gibt M
ebenfalls nur in einem erläuternden Text einen Verwendungszweck an, der bei
Farben etc gar nicht zum Tragen kommt. In Alleinstellung ist damit Unterschei-
dungskraft gegeben.
Bei „Matinee“ hat der Anmelder zutreffend darauf hingewiesen, dass nur ein spe-
zieller Veranstalter M als Überschrift gewählt hat.
Als Größenangabe ist M für die nicht mehr streitgegenständliche Bekleidung ge-
bräuchlich. Solche Größenangaben haben sich über diesen Bereich hinaus für alle
möglichen Dinge eingebürgert, bei denen Größe eine Rolle spielt - bis hin zu
amtlich geregelten Gewichtsklassen von Eiern (BPatG, Beschluss vom
3. November 1998, 27 W (pat) 29/98 - Climate-XXL; zu XXL: Beschluss vom
28. April 1999, 28 W (pat) 192/98 - für Fahrzeuge (= BGH BlPMZ 2000, 113); vom
25. November 1998, 32 W (pat) 79/98 für Schokolade; vom 8. Dezember 1997,
30 W (pat) 18/97 - für Spielautomaten mit Nachweis für CDs, Limousinen, Ta-
schen, Ansparpläne; EG-Verordnung Nr. 1511/96 vom 29. Juli 1996, Amtsbl. Nr. L
189 vom 30. Juli 1996, S. 91, Art. 1 - Gewichtsklassen von Eiern; BPatG, Be-
schluss vom 30. März 1999, 27 W (pat) 42/98 - XS). Von den hier noch strittigen
Waren betrifft dies aber allenfalls Bilder, und gerade für diese sind andere
Größenangaben, wie 13x18 oder WPK, gebräuchlich.
Winkler
v. Zglinitzki
Dr. Albrecht
Cl