Urteil des BPatG vom 08.10.2001

BPatG (marke, klasse, verwechslungsgefahr, bestandteil, kennzeichnung, beschwerde, verbraucher, hersteller, verkehr, gesamteindruck)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 236/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Oktober 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 396 55 194
BPatG 154
6.70
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann, des Richters Voit und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Be-
schlüsse der Markenstelle für Klasse 9 vom 4. Januar 1999 und
vom 26. September 2000 teilweise aufgehoben.
Wegen Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 2 083 907 wird
die Löschung der angegriffenen Marke bezüglich der Waren
"Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkohol-
freie, vitaminhaltige und isotonische Getränke, Fruchtgetränke und
Fruchtsäfte, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von
Getränken" angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 55 194 die
Marke
ELCH ART
als Kennzeichnung für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen darunter
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(Klasse 32) Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie,
vitaminhaltige und isotonische Getränke; Fruchtgetränke und Frucht-
säfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Geträn-
ken;
(Klasse 33) alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);
(Klasse 29) nicht alkoholische Milch-Mix-Getränke;
(Klasse 42) Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen.
Gegen diese Waren und Dienstleistungen hat die Inhaberin der rangälteren
farbigen Wort-/Bildmarke 2 083 907
siehe Abb. 1 am Ende
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(nach einer entsprechenden Beschränkung im Beschwerdeverfahren) Wider-
spruch erhoben. Die rangältere Marke ist für die Waren
Biere, nämlich Pils
eingetragen.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in
zwei Beschlüssen eine Verwechslungsgefahr verneint. Zur Begründung ist aus-
geführt, auch bei identischen Waren scheitere eine Gefahr von Verwechslungen
daran, daß die jüngere Marke nicht von dem übereinstimmenden Bestandteil
ELCH geprägt werde. Der weitere Markenbestandteil ART nämlich, der im Deut-
schen im Sinne von "Sorte, Gattung" verwendet werde, heiße im Englischen und
Französischen "Kunst". In eben dieser Bedeutung aber sei er für die maßgebli-
chen alkoholischen und nicht alkoholischen Getränke ohne einen unmittelbar be-
schreibenden Sinngehalt und werde vom Verkehr deshalb nicht vernachlässigt.
Bei einem Vergleich der Zeichen in ihrer Gesamtheit seien Verwechslungen nicht
möglich.
Die Widersprechende hat hiergegen Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, in
beiden Marken komme dem Bestandteil ELCH eine selbständig kollisionsbegrün-
dende Wirkung zu. In der älteren Marke ergebe sich dies schon aus der graphi-
schen und farblichen Herausstellung dieses Wortes und in der jüngeren Marke
werde das Wort ELCH durch den Zusatz ART als Hinweis auf artgleiche Indivi-
duen begrifflich gestützt. Außer der Widersprechenden gebe es keinen Hersteller
von Bieren, der in seiner Marke den Bestandteil Elch führe, so daß von einer
Kennzeichnungsschwäche der Marke nicht ausgegangen werden könne.
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Die Widersprechende beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung
der jüngeren Marke für die nunmehr noch angegriffenen Waren
anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bekräftigt die Ausführungen der Markenstelle zur Mehrdeutigkeit des Be-
standteils ART und weist darauf hin, daß in Verbindung mit ELCH ein Phantasie-
wort ohne bestimmten Bedeutungsinhalt entstehe. Der Verkehr werde deshalb
keinen der beiden Bestandteile außer Betracht lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf
den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 Markengesetz) und hat im
Umfang der im Beschlußtenor genannten Waren Erfolg.
Soweit sich identische und erheblich ähnliche Waren gegenüberstehen
(Klasse 32), besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Mar-
kengesetz, so daß insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen
war.
Soweit die Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit entfernter ist (Klassen 33, 29,
42), war eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
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Die Rechtsfrage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2
Markengesetz vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Einzelfalls durch die Abwä-
gung insbesondere der Faktoren Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen,
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken zu ent-
scheiden (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH
MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN). Im Bereich von identischen und stark ähn-
lichen Waren (hier Biere) kann der Rechtsinhaber eines älteren Markenrechts ei-
nen besonders deutlichen Abstand jüngerer Marken verlangen, vorausgesetzt, es
liegen keine die Verwechslungsgefahr mindernder Umstände vor, wie zB ein ein-
geschränkter Schutzumfang seiner Marke oder ein besonders aufmerksamer
(Fach-)Verkehr. Derartiges ist hier nicht gegeben.
Die Widerspruchsmarke ist eine farbige Wort-/Bildmarke, bestehend aus
zwei Etiketten, wie sie typischerweise auf Bierflaschen zu finden sind. Sie ist nicht
nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch in dem durch Schriftgröße und –farbe her-
vorgehobenen Wortbestandteil ELCH PILS aussagekräftig. Ein beschreibender
Bedeutungsanklang des Namens der größten Hirschart auf ein Pils ist nicht er-
kennbar. Diese ursprünglich gegebene durchschnittliche Kennzeichnungskraft ist
auch nicht reduziert. Hinweise darauf, daß die Marke wegen benutzter Drittzei-
chen in der gleichen oder in eng benachbarten Branchen eine Schwächung erfah-
ren hat, weil sich der Verkehr an die Existenz einer derartigen Kennzeichnung ge-
wöhnt haben sollte (vgl BGH MarkenR 2001, 307 CompuNet/ComNet) haben sich
nicht ergeben; die Behauptung der Widersprechenden, es geben keinen weiteren
Hersteller von Bieren, der das Wort ELCH in seiner Marke benutze, blieb unwider-
sprochen.
Dieser durchschnittliche Schutzumfang wird von der jüngeren Marke im Bereich
der Waren der Klasse 32 zumindest beim klanglichen Vergleich der beiden Mar-
ken berührt, denn der Gesamteindruck beider Marken wird dort durch den Be-
standteil ELCH geprägt. Daß der Gesamteindruck einer Wort-/Bildmarke, wie es
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die ältere Marke ist, in aller Regel durch den Wortbestandteil geprägt wird - denn
dieser bildet die einfachste Möglichkeit, die Marke zu benennen - entspricht stän-
diger Rechtsprechung (zuletzt BGH MarkenR 2001, 311 – Münsterland; BGH vom
26. November 2001, I ZR 212/98, Bit/Bud, veröffentlicht in JURIS). Insbesondere
bei Bieren wird ein bedeutender Umsatz durch die mündliche Bestellung zB in
Gastwirtschaften erzielt (vgl BGH – Bit/Bud aaO). Bei der Benennung der älteren
Marke werden die sich auf dem unteren Etikett befindlichen zT beschreibenden
Hinweise auf den Alkoholgehalt, die Füllmenge, den (kaum lesbaren) Hersteller,
das Haltbarkeitsdatum usw außer Betracht bleiben. Die verbleibende Kennzeich-
nung ELCH PILS wird allein durch den Bestandteil ELCH bestimmt, denn dieser
ist durch die Schriftfarbe (rot) und den abgebildeten Elch deutlich hervorgehoben
und neben dem unzweideutig die Waren selbst beschreibenden Wort PILS einzig
zur Identifikation des Produkts geeignet (vgl MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI
RAUCH). Nimmt man die Neigung des Verkehrs zur Verkürzung von Warenkenn-
zeichnungen hinzu, so wird ein maßgeblicher Teil der Verbraucher die eigentliche
Kennzeichnung der Marke in dem Bestandteil ELCH sehen und bei der Bestellung
das Pils auch allein mit diesem Wort benennen.
Der Aussagegehalt der jüngeren Marke ELCH ART und insbesondere die Frage,
ob der Gesamteindruck durch einen Markenteil bestimmt wird, ist anhand der je-
weiligen Waren zu überprüfen. Ein Begriff, der in Verbindung mit bestimmten Wa-
ren mehrdeutig ist, kann bei anderen Waren einen eindeutigen Aussagegehalt
besitzen. So ist es hier mit dem Bestandteil ART. Der Markenstelle ist Recht zu
geben, daß man in diesem Wort wegen der bekannten Begriffe Pop Art, Art deco
und Art director durchaus das englisch/französische Wort für "Kunst" sehen kann.
Dies kann aber nur für Waren gelten, bei denen der Gedanke an eine fremdspra-
chige Kennzeichnung aufkommt, weil sie dort üblich ist. Das mag zB bei Waren,
wie Schmuck, Kleidung, Kunstgegenstände und auch Software udgl der Fall sein,
bei Bieren und den weiteren angegriffenen Waren der Klasse 32 trifft dies aber
nicht zu. Diese Getränke werden regelmäßig mit deutschen Worten (zB des Her-
stellers, des Ursprungs oder der Zusammensetzung) gekennzeichnet. Auch han-
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delt sich um häufig gekaufte Waren des täglichen Lebens, bei denen der Verbrau-
cher zwar auf die Zusammensetzung und Herkunft achtet, Überlegungen in Rich-
tung mehrdeutiger und gedanklich weiterführender Kennzeichnungen aber nicht
anstellt. Er wird vielmehr das Wort ART in seiner deutschen und naheliegendsten
Bedeutung im Sinne von "Gattung" und "Sorte" verstehen und an Wortverbindun-
gen wie "nach Art des ..." oder "nach .. Art" denken. Die eigentliche Produktkenn-
zeichnung wird er sodann dem Bestandteil ELCH beimessen, womit zumindest bei
identischen Waren eine Verwechslungsgefahr vorliegt.
Angesichts dieser bedeutenden Übereinstimmung der beiden Marken ist eine
Verwechslungsgefahr auch bei den weiteren Waren der Klasse 32 nicht auszu-
schließen. Diese Getränke begegnen dem Verbraucher ständig unmittelbar ne-
beneinander und werden auch regelmäßig von ein und derselben Brauerei herge-
stellt und angeboten, so daß der Verbraucher bei einer identischen Kennzeich-
nung der Waren diese ohne weiteres demselben Hersteller zuordnen wird (vgl
hierzu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen 11. Aufl,
S 88).
Anders ist es bei den alkoholischen Getränken (ausgenommen Biere) der Klas-
se 33, denn diese können zwar im Vertrieb und im Verbrauch auf die Ware Pils
treffen, werden vom Verbraucher und Endabnehmern aber nicht, was ihre Ur-
sprungsidentität betrifft, ohne weiteres der Kontrolle ein und desselben Unterneh-
mers zugeordnet. Ihre Warenähnlichkeit, so sie vorliegt, liegt damit in einem ent-
fernteren Bereich. Nichts anderes gilt für die nicht alkoholischen Mixgetränke der
Warenklasse 29 und die Beherbergung, Verpflegung und Bewirtung von Gästen
(Klasse 42). Selbst wenn man hier zugunsten der Widersprechenden eine ent-
fernte Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bejaht, so ist die Ähnlichkeit der Mar-
ken nicht derart stark, daß sie eine Verwechslungsgefahr begründen könnte.
Insoweit war die Beschwerde deshalb ohne Erfolg.
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Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt , § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.
Dr. Buchetmann
Voit
Schwarz-Angele
Hu
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Abb. 1