Urteil des BPatG vom 08.08.2007

BPatG (wiedereinsetzung in den vorigen stand, ablauf der frist, zahlung, wiedereinsetzung, geschäftsführer, eidesstattliche erklärung, versicherung, hilfskraft, verschulden, auflage)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
5 W (pat) 15/07
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Gebrauchsmuster 203 17 689
(hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
am 17. November 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Müllner sowie
der Richter Baumgärtner und Guth
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der
Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 8. August 2007 aufgehoben und Wiedereinsetzung in die
Frist zur Zahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebühr gewährt.
G r ü n d e
I
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 203 17 689 mit der
Bezeichnung "Vorrichtung zur Nass- und Verweilbehandlung einer textilen Waren-
bahn". Mit einer Nachricht gemäß § 23 Abs. 2 Gebrauchsmustergesetz vom
19. April 2007 wurde die Beschwerdeführerin von der Gebrauchsmusterstelle dar-
über informiert, dass die dreijährige Schutzdauer des Gebrauchsmusters am
15. November 2006 abgelaufen sei. Sofern eine Aufrechterhaltung gewünscht
werde, sei eine Aufrechterhaltungsgebühr nebst Zuschlag bis zum 31. Mai 2007
zu entrichten. Eine Zahlung ist bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht eingegan-
gen.
Mit am 8. Juni 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen
Schriftsatz vom 6. Juni 2007 beantragte die Beschwerdeführerin
Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der ersten Aufrechter-
haltungsgebühr
und zahlte die fällige Gebühr am 5. Juni 2007 ein.
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Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags führte die Gebrauchsmusterin-
haberin aus, ihr Mitarbeiter Herr N… habe versehentlich die Aufrechterhal-
tungsgebühr nicht rechtzeitig überwiesen. Herr N… sei für solche Belange seit
10 Jahren zuständig und mit Ausführung solch wichtiger Aufgaben vertraut. Ihm
sei in der Zeit seiner Betriebszugehörigkeit noch nie ein derartig gravierender Feh-
ler unterlaufen.
Zur Glaubhaftmachung war dem Schriftsatz eine eidesstattliche Versicherung von
Herrn N… beigefügt, in der er erklärt, der Geschäftsführer der Beschwer-
deführerin habe ihn nach Eingang des Löschungsvorbescheides vertrauensvoll mit
der Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr betraut. Aufgrund seiner privaten Pro-
bleme habe er - Herr N… - den Zahlungsvorgang versehentlich auf einen falschen
Termin gelegt. Nachdem er den Fehler bemerkt habe, habe er sofort die Aufrecht-
erhaltungsgebühr bezahlt.
Die Gebrauchsmusterstelle hat den Antrag auf Wiedereinsetzung mit Beschluss
vom 8. August 2007 zurückgewiesen und die Rückerstattung des eingezahlten Be-
trags angeordnet. Das fahrlässige Verhalten des Mitarbeiters N… sei der Antrag-
stellerin zuzurechnen, weil diese in der betreffenden Angelegenheit von ihm ver-
treten worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die im
Wesentlichen wie folgt begründet wird:
Wie sich aus den vor der Gebrauchsmusterstelle eingereichten Unterlagen erge-
be, habe Herr N… nicht als Vertreter der Gebrauchsmusterinhaberin, sondern als
Hilfskraft für deren Geschäftsführer Herrn K… gehandelt, so dass der Beschwer-
deführerin das Verschulden von Herrn N… nicht zuzurechnen sei. Aus der Be-
gründung des Wiedereinsetzungsantrags und der eidesstattlichen Versicherung
des Herrn N… gehe hervor, dass Herr K… der Geschäftsführer der Beschwer-
deführerin und dass der Löschungsvorbescheid von Herrn K… geöffnet und ge-
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lesen worden sei, der dann Herrn N… die Weisung erteilt habe, die Zah-
lung sofort vorzunehmen. Dies habe Herr N… jedoch nicht getan, sondern eine zu
lange und zudem nicht zutreffende Frist notiert. Als Herr N… seinen Fehler kurz
nach Ablauf der Frist bemerkt habe, habe er den Betrag unmittelbar überwiesen.
Gleichzeitig sei Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden. Die Hilfstätigkeit des
Herrn N… sei nicht gleichzusetzen mit einer Vertretung. Insbesondere mangele es
an einer eigenen Entscheidungskompetenz. Vielmehr habe Herr N… auf Anwei-
sung und ohne jeglichen Entscheidungsspielraum gehandelt. Herr N… übernehme
zusätzlich zu seiner eigentlichen Funktion in der technischen Abteilung der Antrag-
stellerin Hilfsarbeiten bzw. Sekretariatsarbeiten für den Geschäftsführer, zu denen
auch die Durchführung von Überweisungen nach Anweisung gehöre. So sei der
Satz "Unser Mitarbeiter, Herr N… ist für solche Belange zuständig" im
Wiedereinsetzungsantrag zu verstehen. Die Zuverlässigkeit von Herrn N… ergebe
sich ebenfalls aus diesem Vortrag.
Weiterhin wird erstmals im Beschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versiche-
rung von Herrn K…vom 15. November 2007 eingereicht, in der der oben
genannte Vortrag im Beschwerdeverfahren nochmals ausgeführt wird.
Die Antragstellerin beantragt,
dem angefochtenen Beschluss aufzuheben und
den Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben,
hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und die Schriftsätze der Antragstellerin sowie
deren Anlagen verwiesen und Bezug genommen.
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II
Die Beschwerde ist zulässig, und hat in der Sache auch Erfolg, weil jedenfalls
nach jetzigem Sachstand dem Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand stattzugeben ist.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig und in rechter Form gestellt worden.
Die versäumte Handlung - Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr - ist innerhalb
der Antragsfrist nachgeholt worden (§§ 21 GebrMG, 123 Abs. 2 PatG).
Nach Auffassung des Senats kann aufgrund des im Beschwerdeverfahren klarge-
stellten Sachverhalts die Wiedereinsetzung gem. §§ 21 Abs. 1 GebrMG, 123
Abs. 1 PatG gewährt werden.
1. Der Vortrag im Beschwerdeverfahren stellt lediglich eine zulässige Klarstellung
und nicht ein unzulässiges Nachschieben von neuen, bisher nicht vorgebrachten
Gründen oder einen Austausch des Sachverhalts dar (vgl. dazu Bühring, Ge-
brauchsmustergesetz, 7. Auflage, § 21 Randnummer 63).
Zwar lassen der Vortrag der Antragstellerin und die eidesstattliche Versicherung
des Herrn N… im Verfahren vor der Gebrauchsmusterstelle nicht eindeutig erken-
nen, ob und inwieweit Herrn N… ein eigener Entscheidungsspielraum zustand. Es
wird nämlich einerseits im Antragschriftsatz davon gesprochen, dass Herr N… für
solche Belange wie die Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr zuständig sei. An-
dererseits ist in der eidesstattlichen Versicherung die Rede davon, dass
Herr K… Herrn N… mit der Zahlung vertrauensvoll beauftragt habe.
Auch ist vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nicht ausdrücklich vorgetra-
gen worden, dass Herr N… regelmäßig überwacht und angeleitet worden sei.
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Allerdings ergibt sich aus der Fußnote im Briefpapier der Antragstellerin, dass
Herr K… alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin ist. Auch kann
man aus dem Vorbringen, dass Herr N… bereits 10 Jahre in dem Unternehmen
tätig, mit dem Umgang solch wichtige Aufgaben vertraut und dass ihm noch nie
ein solch gravierender Fehler unterlaufen sei, schließen, dass eine Anleitung und
Überwachung stattgefunden hat. Das zusätzliche detaillierte Vorbringen in der Be-
schwerdebegründung über die Tätigkeit von Herrn N…, das diesen Sachverhalt
näher erläutert, ist darum lediglich als zulässige Präzisierung des vor dem Deut-
schen Patent- und Markenamt vorgebrachten Sachverhalts zu sehen.
2. Auf dieser Tatsachengrundlage ist hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Be-
schwerdeführerin an der Fristversäumung kein Verschulden trifft und ihr auch kein
Verschulden zugerechnet werden kann (§§ 21 Abs. 1 GebrMG, 123 Abs. 1 PatG).
Nach dem Vorbringen vor der Gebrauchsmusterstelle und dem Bundespatentge-
richt sowie dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen ist davon auszugehen,
dass Herr N… im Betrieb der Antragstellerin nicht eigenverantwortlich über die
Zahlung von Aufrechterhaltungsgebühren zu entscheiden hatte, sondern die Zah-
lung lediglich als Hilfskraft für den Geschäftsführer zu tätigen hatte. Ein Fehler ei-
ner solchen Person kann der Antragstellerin nicht zugerechnet werden, wenn sie
ihre Anleitungs- und Aufsichtspflicht hinreichend wahrgenommen hat.
Der rechtliche Unterschied zwischen einem Vertreter, dessen Handeln dem Ver-
tretenen zuzurechnen ist, und einer bloßen Hilfskraft besteht darin, dass beim Ver-
treter eine eigenständige Handlungsbefugnis mit Wirkung für und gegen den Ver-
tretenen vorliegt, während die Hilfskraft unselbständig Weisungen ausführt (vgl.
Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage, § 21 Rn. 30 ff.). Letzteres ist hier
der Fall.
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Dass Herr N… nur als Hilfskraft - vergleichbar einer Sekretärin - tätig war, kann
- wie schon von der Antragstellerin ausgeführt - bereits aus der eidesstattlichen
Versicherung des Herrn N… geschlossen werden, in der dieser erklärt, der Ge-
schäftsführer Herr K… habe ihn, Herrn N…, mit der Zahlung der Aufrechterhal-
tungsgebühren vertrauensvoll beauftragt. Dies ergibt sich aber auch aus der ei-
desstattlichen Versicherung des Herrn K…, in der ausgeführt wird, Herr N…
übernehme zusätzlich zu seiner eigentlichen Funktion in der technischen Abtei-
lung der Antragstellerin Hilfsarbeiten bzw. Sekretariatsarbeiten für den Geschäfts-
führer, zu denen auch die Durchführung von Überweisungen nach Anweisung ge-
höre. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags steht dem nicht entgegen,
weil die dortige Formulierung, "für solche Aufgaben sei Herrn N… zuständig", nicht
zwingend auf eine selbständige, eigenverantwortliche Tätigkeit hinweist, sondern
auch dahingehend verstanden werden kann, dass Herr N… üblicherweise auf An-
weisung der Geschäftsführung Überweisungen tätigte.
Somit kann das Verschulden von Herrn N… nicht der Beschwerdeführerin zuge-
rechnet werden.
3. Auch ein Verschulden des Geschäftsführers der Antragstellerin liegt nicht vor.
Nach der Rechtsprechung besteht auch keine Verpflichtung nachzuprüfen, ob eine
einer zuverlässigen Hilfskraft erteilte Einzelanweisung, die bei Befolgung die Frist-
wahrung gewährleistet hätte, ausgeführt worden ist. Darauf, dass die Anweisung
befolgt wird, kann sich z. B. ein Anwalt verlassen (vgl. Schulte, Patentgesetz,
7. Auflage, § 123 Rn. 95). Dies muss erst recht für eine Firma der Privatwirtschaft
bzw. für deren Geschäftsführer gelten, zumal die Anforderungen an einen Rechts-
anwalt oder Patentanwalt im Allgemeinen höher sind als an einen Geschäftsmann.
4. Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind auch durch die ein-
gerechten eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht worden
(§ 21 Abs. 1 GebrMG, § 123 Abs. 2 PatG, § 294 ZPO). Zwar fehlt jeweils der Hin-
weis auf die Kenntnis der Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versiche-
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rung. Dies schmälert den Wert jedoch nicht, weil damit gerechnet werden kann,
dass den Versichernden bekannt ist, dass falsche Angaben strafbar sind und weil
rechtliche Unkenntnis vor strafrechtlichen Folgen nicht schützt (vgl. dazu etwa
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 43 Rn. 53; BPatGE 30, 101). Auch
die Verwendung des Briefpapiers der Antragstellerin bzw. des Firmenstempels un-
ter der Unterschrift von Herrn K… schaden letztlich nicht, weil aus der
Formulierung der Erklärungen eindeutig hervorgeht, dass die eidesstattlichen Ver-
sicherungen jeweils im eigenen Namen abgegeben werden und nicht im Namen
der Firma, die nicht eidesfähig ist und folglich auch keine eidesstattliche Erklärung
abgeben kann (vgl. dazu etwa Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 43,
Rn. 47).
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die beantragte Wieder-
einsetzung zu gewähren.
Müllner
Baumgärtner
Guth
Cl/Pü