Urteil des BPatG vom 28.06.2000

BPatG: bier, begriff, marke, verpflegung, mitbewerber, markt, ware, freihaltebedürfnis, patent, beherbergung

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 71/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Juni 2000
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 397 54 638.6
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Schülke sowie der Richter Kraft und Reker
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 24. Juli 1998 und vom 21. Oktober 1998 insoweit auf-
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gehoben, als die Marke für die Dienstleistungen "Beherbergung
und Verpflegung von Gästen" zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Als Marke angemeldet worden ist das Wort
Eisweiße
für die Waren und Dienstleistungen
"Weißbier einschließlich alkoholvermindertes und alkoholfreies
Weißbier, Beherbergung und Verpflegung von Gästen"
Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung nicht eingetragen. Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt,
es sei von einem Freihaltebedürfnis auszugehen, zudem fehle dem Zeichenwort
jegliche Unterscheidungskraft. Bei "Eisbier" handele es sich um eine gebräuchli-
che Bezeichnung für eine neue Bierspezialität, die in einem bestimmten Verfahren
unter Ausfilterung von Eiskristallen hergestellt werde (zB in Getränkefachgroß-
handel 97, Das coole Bier, 408 ). Das Wort "Weisse" sei eine allgemein geläufige,
umgangssprachliche Bezeichnung für Weiß- oder Weizenbier (Höllhuber/Kaul, Die
Biere Deutschlands, 2. Aufl. S 378). Der Begriff "Eisweiße" sei damit zwanglos im
Sinne von "Eis-Weißbier" zu verstehen. Er entspreche damit Bezeichnungen wie
"Eisbier" und "Eis - Bock" (Mergarten, Von Alt bis Zwickelbier).
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In ihrer Beschwerdebegründung führt die Anmelderin ua aus, daß die von ihr neu
geschöpfte Wortverbindung nicht unmittelbar beschreibend sei. Weder "Eis" noch
"Weisse" seien in Bezug auf Bier naheliegende Sachangaben, das müsse auch für
ihre Zusammensetzung gelten. Der Verbraucher habe keinerlei konkrete Vor-
stellung davon, welche Art Bier oder Herstellungsverfahren sich hinter dieser
hochgradig phantasievollen Bezeichnung verberge. Ein solches Verfahren gebe
es auch nicht.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 24. Juli und 21. Okto-
ber 1998 aufzuheben
und regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
II.
Die Beschwerde ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die angemeldete Bezeichnung ist für die Waren "Weißbier einschließlich alko-
holvermindertes und alkoholfreies Weißbier" nicht schutzfähig, weil sie aus-
schließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art oder der
Beschaffenheit der Waren dienen können (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Zwar ist nicht festzustellen, daß die Bezeichnung "Eisweiße" bereits als Sachan-
gabe tatsächlich benutzt wird. Nach den gegebenen Umständen muß der Senat
aber davon ausgehen, daß die Mitbewerber der Anmelderin diese Wortfolge be-
nötigen werden, um von ihnen in einem bestimmten Verfahren gebraute, behan-
delte oder hergestellte Weißbiere benennen zu können. Damit kann ein
zukünftiges Freihaltebedürfnis festgestellt werden, das ebenso die Versagung der
Eintragung rechtfertigt (vgl. BGH GRUR 1999, 988,989 - HOUSE OF BLUES).
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Die Markenstelle hat nachgewiesen, daß unter der Bezeichnung "Eisbier" Bier
hergestellt wird, das einen hohen Vergärungsgrad aufweist, extra lange gelagert
und vor der Filtration so lange tiefgekühlt wird, bis sich feinste Eiskristalle bilden.
Dabei entwickelt sich ein typischer, abgerundeter Eisbiergeschmack
(Getränkefachgroßhandel 97, 408). Diese Bezeichnung wird somit in Fachpubli-
kationen benutzt und ist damit zumindest dem Fachpublikum geläufig. Es werden
am Markt bereits von mindestens drei großen Brauereien "ICE - " bzw. Eisbiere
angeboten (Licher, Binding, Löwenbräu).
Die Bezeichnung eines Bieres, das nach einem solchen Verfahren hergestellt
worden ist, ist nach Auffassung des Senates auch schon dann freihaltebedürftig,
wenn die als Konsumenten in Frage kommenden Abnehmer nicht präzise wissen,
was sich genau hinter dem Begriff "Eisbier" verbirgt. Die wenigsten Konsumenten
werden nämlich beispielsweise wissen, wodurch sich etwa brautechnisch ein
Münchener Helles von einem Pils oder Weißbier unterscheidet , sie werden den
Unterschied aber schmecken. An der neuen Bezeichnung auf der Ware wird das
Publikum erkennen, daß es sich um eine neue Sorte Bier handelt. Den Mitbewer-
bern der Anmelderin muß die Verwendung einer solchen neuen, in Fachkreisen
schon bekannten und verwendeten und wie bereits existierenden, tatsächlich am
Markt befindliche Sortenbezeichnungen gebildeten Angabe freigehalten werden,
wenn diese noch nicht allgemeinverständlich ist, sondern ihr genauer Bedeu-
tungsinhalt sich nur etwa aus einer Beschreibung auf der Ware, sonstigen Pro-
duktinformationen oder der Werbung ergibt.
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Die angemeldete Bezeichnung ist so gebildet, daß auch das Publikum zu der
Auffassung kommen wird, daß es sich um ein Weißbier nach diesem neuen Her-
stellungsverfahren handelt, da sie nur glatt beschreibende Angaben aufweist. Der
ihm im Zusammenhang mit Bier bereits nicht unbekannte Begriff "Eis-" ist lediglich
in üblicher Weise mit dem Gattungsbegriff "Weisse" verbunden, wie es bereits im
Gattungsbegriff "Bock" in "Eisbock" geschehen ist, wenn dies auch ein Bockbier
mit einer besonders hohen Stammwürze beschreibt, das in einem anderen
Herstellungsverfahren erzeugt wird (Seidl, "Bier", 1997 S 265).
Dabei ist der Begriff "Weisse" nach Auffassung des Senates ohne weiteres mit
"Weißbier" oder "Weizenbier" gleichzusetzen, wie die Markenstelle bereits fest-
gestellt hat und wie er in der mündlichen Verhandlung der Anmelderin anhand der
in Augenschein genommenen Flasche mit dem Etikett "Leichte Dunkle Weisse"
der Fa. Kuchlbauer demonstrieren konnte.
Auch Weißbiere können sich nach dem "Eisverfahren" herstellen lassen und wer-
den bereits tatsächlich so hergestellt. Dies konnte der Senat am Beispiel der
Weißbierbrauerei Hopf feststellen, die ein "Eisweißbier" mit dem auf dem Etikett
angebrachten Hinweis "eisgebraut" vertreibt. Da "Eisweisse" nur einen anderen,
aber auch üblichen Begriff für Weißbier verwendet, muß angenommen werden,
daß die Mitbewerber der Anmelderin ein Interesse haben können, auch diese
Wortverbindung in Zukunft zu benutzen.
Für die angemeldeten Dienstleistungen gelten diese Erwägungen nicht. Das Mar-
kenwort hat für diese keinen unmittelbar dienstleistungsbezogenen beschreiben-
den Sinngehalt, auch wenn bei der Verpflegung von Gästen Eisweisse gereicht
werden kann. Dies stellt nur eine mittelbare Verknüpfung zur Dienstleistung dar
und kann deshalb nicht vom Eintragungsverbot nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
erfasst werden (vgl. BGH aaO, 989). Insoweit weist die Marke auch hinreichende
Unterscheidungskraft auf.
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Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde hat der Senat keine Veranlassung.
Weder ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden noch
gebietet die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung (§ 83 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG) eine Entscheidung durch
den Bundesgerichtshof. Vielmehr hat sich der Senat bei der Feststellung des zu-
künftigen Freihaltebedürfnisses an den vom BGH vorgegebenen rechtlichen
Rahmen, wie er der zitierten Entscheidung entnommen werden kann, gehalten.
Schülke Kraft Reker
prö