Urteil des BPatG vom 07.11.2007

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, telekommunikation, beschwerde, kennzeichnungskraft, patent, eugh, beurteilung, empfänger, grad)

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 30/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Markenanmeldung 303 48 039.4
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 7. November 2007 durch die Vorsitzende Richterin Grabrucker sowie
die Richterinnen Fink und Dr. Mittenberger-Huber
beschlossen:
1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 14. Januar 2005 und 9. Januar 2006
werden aufgehoben.
2. Das Deutsche Patent- und Markenamt wird angewiesen, die Lö-
schung der Marke 303 48 039 anzuordnen.
G r ü n d e
I.
Die Wort-/Bildmarke 303 48 039
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wurde am 27. November 2003 für die Dienstleistungen
Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Tele-
kommunikation; Beratung für Telekommunikationstechnik
in das Register eingetragen.
Gegen die Eintragung wurde Widerspruch erhoben aus der Wortmarke
Cellway
eingetragen am 1. Februar 2002 für verschiedene Waren und Dienstleistungen der
Klassen 9, 35, 38, 39 und 42.
Der Widerspruch stützt sich nur auf die Dienstleistungen der Klassen 38 und 42,
nämlich
Telekommunikation, insbesondere Mobiltelefondienste, Telefon-
dienste, Telefaxdienste, Funkdienste, Pagingdienste; Bereitstellen
von Mehrwertdiensten, insbesondere Telefonvermittlungsdiensten,
Telefonauskünften, Zeitansagen, Verkehrsinformationsdiensten
und Pannenmeldediensten; Fernseh- und Rundfunkübertragung,
Ausstrahlung von Kabelfernsehen; Satellitenübertragung; Betrieb
eines Teleshoppingkanals; Bereitstellen von Internetportalen für
Dritte; E-Commerce-Dienstleistungen, nämlich Bereitstellung einer
Internetplattform; Onlinedienste, nämlich Übermittlung von Nach-
richten und Informationen aller Art, Angebote zur Information oder
Kommunikation, insbesondere die Verbreitung von Informationen
und Nachrichten aller Art in Bild und Ton über drahtlose oder lei-
tungsgebundene Netze, Bereitstellen von E-Mail-Diensten und
SMS-Diensten; Bereitstellen von Telediensten, nämlich Dienstleis-
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tungen für den Datenaustausch, zur Vermittlung von Angeboten
der bildlichen, textlichen und akustischen Information oder Kom-
munikation sowie zur Nutzung des Internets oder weiterer Netze;
Dienstleistungen eines Access- und Serviceproviders, nämlich
Einrichtung, Aufrechterhaltung und Wartung von Internetzugängen
und Einwahlknoten; Vermietung von Telekommunikationsgeräten;
Erstellung, Installation, Umwandlung und Vermieten von Compu-
terdaten und -programmen, Erstellung und Pflege von Internetsei-
ten, Webhosting, Dienstleistungen einer Datenbank, insbesondere
Sammlung, Verwertung, Bereitstellen und Übermittlung von Daten;
Vermietung von Datenbankzugriffszeiten.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
rückgewiesen. Unter Berücksichtigung der Identität bzw. Ähnlichkeit der sich ge-
genüberstehenden Dienstleistungen halte die jüngere Marke den erforderlichen
Abstand ein. In schriftbildlicher Hinsicht unterscheide sich die angegriffene Marke
aufgrund der grafischen Ausgestaltung deutlich von der Widerspruchsmarke. Auch
eine klangliche Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Im maßgeblichen Telekom-
munikationsbereich spreche der Verkehr die beiden Wortanfänge „cell“ und „call“
englisch aus, was zu einem deutlich unterschiedlichen klanglichen Gesamtein-
druck führe. Auch der unterschiedliche Sinngehalt der beiden Begriffe „cell“ und
„call“ wirke der Verwechslungsgefahr entgegen.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie im We-
sentlichen aus, dass unter Berücksichtigung der Dienstleistungsähnlichkeit, der
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der schrift-
bildlichen und klanglichen Ähnlichkeit der Marken eine Verwechslungsgefahr ge-
geben sei.
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Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen der Markenstelle in den ange-
fochtenen Beschlüssen.
II.
1.
Die Beschwerde ist nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig. Der Rechts-
übergang der Widerspruchsmarke wurde auf Antrag der Rechtsnachfolgerin der
Beschwerdeführerin am 29. Mai 2007 im Register eingetragen. Die Rechtsnachfol-
gerin hat den Rechtsübergang außerdem im Beschwerdeverfahren durch einen
Handelregisterauszug nachgewiesen. Da sie das Verfahren übernommen hat, war
eine Zustimmung der Beschwerdegegnerin nicht erforderlich (§ 28 Abs. 2 Satz 1
und 3 MarkenG; vgl. Fezer/Grabrucker, Markenverfahrensrecht, 2007, Rn. 538).
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Marken be-
steht die Gefahr von Verwechslungen, so dass die Löschung der Marke anzuord-
nen war (§ 43 Abs. 2 i. V. m. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2).
2.1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beur-
teilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit
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und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen,
dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch
einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kenn-
zeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl.
EuGH GRUR 1998, 922, Rn. 17 ff. – Canon; BGH GRUR 2006, 60, 61 – cocco-
drillo; GRUR 2006, 859, Rn. 16 - Malteserkreuz). Nach diesen Grundsätzen be-
steht für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen.
2.2. Für die Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit ist von der Registerlage
auszugehen, da Benutzungsfragen nicht zu erörtern waren.
2.2.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit sind alle
Faktoren, die das Verhältnis zwischen den Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu
gehören insbesondere Art und Zweck der Dienstleistungen, d. h. der Nutzen für
den Empfänger der Dienstleistungen und die Vorstellung der Abnehmer, dass die
Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht werden (vgl. BGH
GRUR 2002, 544, 546 - BANK 24; GRUR 2001, 164, 165 - Wintergarten).
2.2.2. Die Vergleichszeichen können sich auf identischen Dienstleistungen be-
gegnen, denn die von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen „Lei-
tungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Telekommunikation“
sind umfasst vom Oberbegriff „Telekommunikation“, für den die Widerspruchsmar-
ke Schutz genießt. Die Dienstleistung „Beratung für Telekommunikationstechnik“
liegt im Ähnlichkeitsbereich mit den „Dienstleistungen eines Access- und Service-
providers, nämlich Einrichtung, Aufrechterhaltung und Wartung von Internetzugän-
gen und Einwahlknoten“. Providerdienstleistungen umfassen häufig auch Bera-
tungsdienstleistungen zur notwendigen technischen Ausstattung bzw. zur Kompa-
tibilität mit den vorhandenen Geräten und Anschlüssen. In ihrem Nutzen für den
Empfänger weisen beide Dienstleistungen daher enge Berührungspunkte auf.
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2.3. Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke und der Identität bzw. Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienst-
leistungen ergibt sich beim Vergleich der Zeichen eine die Verwechslungsgefahr
begründende Markenähnlichkeit.
2.3.1. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks beider Marken
nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie
unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzu-
stellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsver-
brauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die
verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR
2005, 1042, Rn.
28
- THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60, Tz. 17 - coccodrillo).
2.3.2. Die grafische Gestaltung in Form des besonders gestalteten Buchstaben
„A“ bewegt sich im Rahmen üblicher Grafik. Das Zeichen wird daher ohne Weite-
res im Sinne von „CALLWAY“ wahrgenommen und benannt. Im maßgeblichen
Gesamteindruck sind die Vergleichsmarken in schriftbildlicher und klanglicher Hin-
sicht sehr ähnlich. Sie stimmen im Anfangsbuchstaben, dem Doppelkonsonanten
„ll“ und der Schlusssilbe „way“ überein und unterscheiden sich lediglich durch die
unterschiedlichen Vokale „a“ und „e“. Diese Unterschiede wirken sich in Schriftbild
und Klang aber nicht in einer Weise aus, die die Verwechslungsgefahr ausschlie-
ßen könnte. Die Zeichenähnlichkeit wird auch nicht durch einen ohne Weiteres er-
kennbaren abweichenden Bedeutungsgehalt der Markenwörter neutralisiert (vgl.
EuGH GRUR 2006, 237, Rn. 20 - PICASSO; BGH GRUR 2005, 326, 327 - il
Padrone/Il Portone; GRUR 2003, 1044, 1046 - Kelly). Zwar handelt es sich bei
„call“ und „cell“ um Begriffe, die dem inländischen Verkehr im hier einschlägigen
Bereich der Kommunikationstechnologie als Bestandteil verschiedener englisch-
sprachiger Wortkombinationen geläufig sind, wie z. B. „call center, call by call, cell
phone“. Für die Gesamtbegriffe „Callway“ und „Cellway“ lässt sich nach der Re-
cherche des Senats aber kein klarer Aussagegehalt feststellen, der der Verwechs-
lungsgefahr entgegen wirken könnte.
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3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Grabrucker Fink
Dr.
Mittenberger-Huber
Ko