Urteil des BPatG vom 28.10.2010

BPatG (grundsatz der perpetuatio fori, stand der technik, perpetuatio fori, patg, zpo, patent, vertreter, nachlass, verlassenschaft, patentinhaber)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 312/07
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 198 46 442
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 28. Oktober 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Küest
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beschlossen:
Das Patent 198 46 442 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
G r ü n d e
I .
Gegen das Patent 198 46 442, dessen Erteilung am 28. Juli 2005 veröffentlicht
wurde, ist am 20. Oktober 2005 Einspruch erhoben worden.
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2010, eingegangen per Fax am selben Tag, hat
die einzige Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.
Der Patentinhaber beantragt,
das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Der österreichische Patentinhaber ist am 17. August 2009 verstorben. Der Be-
zirksnotar K…, dem vom zuständigen Bezirksgericht die Verwaltung des Nach-
lasses übertragen worden ist, hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2009 bestä-
tigt,
dass
der
rechtsfähigen
P…
Privatstiftung,
in
B…
in
E…,
(Österreich)
aufgrund
ihrer
bedingten
Erban-
trittserklärung die Verfügungsgewalt über den Nachlass einschließlich der Vertre-
tung zusteht. Die P… Privatstiftung hat die Bestellung des deutschen Ver-
treters des früheren Patentinhabers als Vertreter des Rechtsnachfolgers bestätigt
und ihn weiterhin mit der Durchführung der anhängigen Einspruchsverfahren be-
auftragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
1.1.
Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden
Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fas-
sung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen
Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zu-
ständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. - Informationsüber-
mittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. - Informationsübermittlungsverfah-
ren II; BGH GRUR 2009, 184 f. - Ventilsteuerung).
1.2
Nach dem Tod des im Register eingetragenen österreichischen Patentinha-
bers ist dessen Verlassenschaft (= Nachlass), der nach österreichischem Recht
(§§ 797 ff. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch und III. Hauptstück des Außer-
streitgesetzes) bis zur Einantwortung des Erben durch das Verlassenschaftsge-
richt, die hier noch nicht erfolgt ist, ein rechts- und prozessfähiges Sondervermö-
gen darstellt, Verfahrensbeteiligte geworden. Vertreten wird die Verlassenschaft
durch die rechtsfähige P… Privatstiftung, der aufgrund ihrer bedingten
Erbantrittserklärung, der die Verfügungsgewalt über den Nachlass einschließlich
der Vertretung nach § 810 ABGB zusteht, der also innerhalb der gesetzlichen
Grenzen bindend für den Nachlass handeln kann und zu dessen Pflichten die Ab-
wicklung des Nachlasses gehört (vgl. auch §§ 817, 819 ABGB; vgl. dazu auch
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=9894).
1.3.
Der Umstand, dass nach wie vor der Erblasser als Patentinhaber eingetra-
gen ist, aber nunmehr die Verlassenschaft Verfahrensbeteiligte ist, hat im Fall der
Gesamtrechtsnachfolge keine Auswirkungen auf die Prozessführungsbefugnis
(vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 30 Rn. 51,52; Busse, Patentgesetz, 6. Aufl.,
§ 30 Rn. 100, 101).
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Ebenso führt der Tod eines Prozessbeteiligten nicht bereits zum Erlöschen der
Vollmacht des anwaltlichen Vertreters (§ 99 Abs. 1 PatG, § 86 ZPO).
1.4.
Das Verfahren ist durch den Tod des Patentinhabers auch nicht unterbro-
chen.
Zwar tritt nach § 99 Abs. 1 PatG, § 239 Abs. 1 ZPO im Falle des Todes einer
Partei eine Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens bis zu dessen Aufnahme
durch den Rechtsnachfolger ein. Dies gilt nach § 246 ZPO aber dann nicht, wenn
- wie hier - die verstorbene Partei nicht durch einen Prozessbevollmächtigten ver-
treten war. Der Vertreter macht auch von der Möglichkeit eines Antrags auf Aus-
setzung des Verfahrens gem. § 246 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO keinen Gebrauch.
Demnach ist das Verfahren fortzuführen.
Demgegenüber hält der Senat die vom Vertreter der Patentinhaberin in Betracht
gezogene Regelung des § 243 ZPO i. V. m. § 241 ZPO nicht für anwendbar, wo-
nach im Falle, dass ein Testamentsvollstrecker vorhanden ist, das Verfahren un-
terbrochen wird, bis dieser dem Gericht seine Bestellung oder der Gegner seine
Absicht, das Verfahren fortzusetzen, mitteilt. Denn vorliegend handelt es sich um
ein gewöhnliches österreichisches Erbschaftsverfahren, bei dem ein „Executor“,
d. h. Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter (Prokurator) - wie auch nach
österreichischem Recht möglich - (§§ 811, 816 ABGB) nicht tätig wird.
Diese Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil die Vertreterin der Ver-
lassenschaft jedenfalls die Bestellung des deutschen Vertreters des früheren Pa-
tentinhabers als Vertreter der Rechtsnachfolgerin bestätigt und ihn weiterhin mit
der Durchführung der anhängigen Einspruchsverfahren beauftragt hat.
2.
Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit des Einspruchs sind nicht ersichtlich.
Der zwischenzeitlich eingelegte Einspruch war ausreichend substantiiert und da-
mit zulässig. Auch nach Rücknahme des zulässigen Einspruchs ist das Ein-
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spruchsverfahren von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen und die
Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Patents zu prüfen (§ 61 Abs. 1 Satz 2
PatG; § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG). Bei dieser Prüfung kann im Wege der
Amtsermittlung auf alle im Verfahren vorgelegten oder ermittelten Unterlagen zu-
rückgegriffen werden (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 59 Rn. 217).
3.
Der Senat hält das Patent in vollem Umfang aufrecht.
Alle Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 sind den Ursprungsunterlagen zu
entnehmen, eine unzulässige Erweiterung des Patentgegenstands liegt damit
nicht vor. Dies wurde im Übrigen von der Einsprechenden auch nicht geltend ge-
macht.
Die Prüfung der Einspruchsgründe und der im Verfahren befindlichen Entgegen-
haltungen hat ergeben:
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist klar und ausführbar offenbart. Er be-
schreibt das Verfahren zum Füllen von Randfugen von Isolierglasscheiben so de-
tailliert, dass es für den Fachmann - einen Maschinenbautechniker mit mehrjähri-
ger Erfahrung auf dem Gebiet der Automatisierung von Herstellungsprozessen
insbesondere bei der Herstellung von Isolierglasscheiben - keinerlei Probleme
gibt, die technische Lehre nachzuarbeiten. Gegenüber dem vorveröffentlichten
Stand der Technik ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch neu und be-
ruht auf erfinderischer Tätigkeit, denn keine der im Verfahren befindlichen Druck-
schriften offenbart den Verfahrensschritt, bei dem die Bewegungsbahn der Achse,
um welche die Düse verdrehbar ist, im Bereich der Ecken der Isolierglasscheibe
entlang einen Bogen, der innerhalb der Isolierglasscheibe liegt, verläuft oder gibt
eine Anregung zu einer solchen Lösung.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 147 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 59 Abs. 3, § 47
Abs. 1 Satz 3 sowie § 94 Abs. 2 PatG ohne eine weitere detaillierte sachliche Be-
gründung, da nach Rücknahme des Einspruchs nur noch der Patentinhaber am
Verfahren beteiligt ist, deren Antrag durch die getroffene Entscheidung stattgege-
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ben wird. Der Senat folgt insoweit der Vorgehensweise des 11. Senats (BlPMZ
2004, 60; vgl. auch Schulte, a. a. O., § 95 Rn. 17) und macht sich die Begründung
hierfür zu eigen.
Lischke
Guth
Hildebrandt
Küest
Cl