Urteil des BPatG vom 12.10.2009

BPatG (zeichen, marke, verwechslungsgefahr, verkehr, körper, eugh, beschwerde, sir, verwendung, verwechslung)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 502/09
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. September 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke DE 307 82 271
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. September 2010 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie des Richters Viereck und der
Richterin Dr. Mittenberger-Huber
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 18. Dezember 2007 angemeldete Wortmarke
SANOO
ist am 5. Mai 2008 in den Klassen 3, 14 und 25 für die Waren
„Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Juwe-
lierwaren und Schmuckwaren, Uhren und Zeitmessinstrumente;
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“
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unter der Nr. 307 82 271 in das Markenregister eingetragen worden.
Widerspruch ist aus der am 10. November 1930 eingetragenen Wortmarke
DE 425 660
Chamo
eingelegt worden, die für die Waren der
„Klasse 5: Ein pharmazeutisches Kamillen-Präparat“
Schutz genießt.
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Be-
schluss vom 12. Oktober 2009 den Widerspruch zurückgewiesen. Nach der Re-
gisterlage bestehe zwischen den Waren „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“
der angegriffenen Marke und dem „pharmazeutischen Kamillen-Präparat“ der Wi-
derspruchsmarke enge Warenähnlichkeit. Trotzdem sei - bei durchschnittlicher
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke - eine Verwechslungsgefahr auszu-
schließen, da ein deutlicher Markenabstand eingehalten werde. In klanglicher Hin-
sicht stimmten die Marken zwar in Buchstabenzahl, Silbenzahl, Vokalfolge und
Lautabstand überein. Es sei aber nicht auszuschließen, dass die Widerspruchs-
marke in entscheidungserheblichem Umfang vom deutschen Verkehr am Wort-
anfang mit „K“ ausgesprochen werde. Aufgrund der unterschiedlichen Wortan-
fänge, die stärker beachtet würden als die festgestellten Übereinstimmungen, ent-
stünden hinreichend differenzierte Klangbilder, die eine Verwechslung ausschlös-
sen. Auch in schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht bestünde keine relevante
Ähnlichkeit.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.
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Zutreffend sei die Markenstelle zwar bei einem Teil der Vergleichswaren von en-
ger Ähnlichkeit ausgegangen. Dies treffe neben den „Mitteln zur Körper- und
Schönheitspflege“ aber auch auf die beanspruchten „Parfümeriewaren“ zu. Die
Verwechslungsgefahr sei dagegen insgesamt falsch beurteilt worden, da zwischen
den sich gegenüberstehenden Zeichen „Chamo“ und „SANOO“ eine - die Ver-
wechslungsgefahr begründende - klangliche Ähnlichkeit bestehe. Die identische
Lautfolge durch Verwendung derselben Vokale mit demselben Lautabstand sei
besonders zu berücksichtigen, da Vokale gegenüber Konsonanten in höherem
Maße geeignet seien, in der Erinnerung des Verkehrs zu verbleiben. Auch die
Konsonanten seien bei undeutlicher Aussprache kaum auseinander zu halten. Es
sei insbesondere nicht auszuschließen, dass Teile des Verkehrs die beiden An-
fangsbuchstaben der älteren Marke „Ch“ wie den Zischlaut „Sch“ aussprechen
würden. Dies umso eher als „Chamo“ ein Kunstwort sei, weshalb der deutsche
Verkehr sich seiner Aussprache nicht sicher sein werde. Dann stünden sich die
Lautbilder [schamo] und [sano] gegenüber, die keinen ausreichenden Abstand
einhielten.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle vom 12. Oktober 2009 aufzuhe-
ben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht
geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die sich gegenüberstehenden Marken unterliegen nicht der Gefahr einer Ver-
wechslung im Verkehr gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall
unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität
bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des
Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Aus-
wahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu be-
urteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 2008, 343 ff. - Tz. 48 - BAINBRIDGE;
GRUR 2006, 413 ff. - Tz. 17 - ZIRH/ SIR; GRUR 2006, 237 ff. - Tz. 18
- Picaro/ Picasso; GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2008, 903 - Tz. 10
- SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch
Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rn. 32, 33).
Bei der Beurteilung der Waren- [und Dienstleistungs]ähnlichkeit sind alle erhebli-
chen Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis von Waren [und Dienst-
leistungen] kennzeichnen. Dazu gehören die Art, der Verwendungszweck und die
Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergän-
zende Waren [oder Dienstleistungen] (EuGH GRUR 2006, 582 ff. - Tz. 85
- VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 941 ff. - Tz. 13 - TOSCA BLU; 2004, 241, 243
- GeDIOS; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN). Nach der Registerlage liegen
die Waren „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ und „ein pharmazeutisches
Kamillenpräparat“ in einem engen Ähnlichkeitsbereich, da Kamille Bestandteil ei-
nes der vorgenannten kosmetischen Mittel sein kann. Dahingestellt bleiben kann,
ob dies auch für weitere für die angegriffene Marke eingetragene Waren gilt, da
auch bei enger Ähnlichkeit der einzuhaltende Zeichenabstand ausreichend ist.
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Die originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich.
Sie verfügt zwar über einen leichten Anklang an die lateinische wissenschaftliche
Bezeichnung der echten Kamille „Matricaria chamomilla“ bzw. den englischen
Begriff „camomile“, erfährt allerdings dadurch keine Schwächung.
Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähn-
lichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die
mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begriff-
licher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414 - Tz. 19 - ZIRH/SIR;
GRUR 2005, 1042, 1044 - Tz. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843
- Tz. 29
- MATRATZEN;
BGH
GRUR 2010,
235
- Tz. 15
- AIDA/AIDU;
GRUR 2009, 484, 487 - Tz. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60 ff. - Tz. 17
- coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder).
Schriftbildlich und begrifflich weisen die Vergleichszeichen keine Gemeinsamkei-
ten auf.
Zwischen „SANOO“ und „Chamo“ besteht aber auch keine klangliche Verwechs-
lungsgefahr. Zum einen werden Wortanfänge im allgemeinen stärker beachtet als
die übrigen Markenteile, und zwar insbesondere dann, wenn der Wortanfang we-
der beschreibend noch sonst kennzeichnungsschwach ist (BGH GRUR 2002,
1067, 1070 - DKV/OKV; GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM; In-
gerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 864). Zum anderen werden Kurz-
wörter durch einzelne Veränderungen im Verhältnis stärker beeinflusst als dies für
längere Markenwörter gilt. Sie bleiben beim Verbraucher zudem besser im Ge-
dächtnis haften (HABM-BK GRUR-RR 2007, 204, 206 - Tz. 63 - she/S-HE; Hacker
in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 198). Zutreffend hat die Widersprechende
deshalb zwar darauf hingewiesen, dass beide Begriffe über dieselbe Vokalfolge
mit demselben Lautabstand verfügen. Aufgrund der unterschiedlichen Wortan-
fänge besteht jedoch ein markanter Unterschied zwischen den Zeichen, und zwar
selbst dann, wenn man von unterschiedlichen Aussprachemöglichkeiten ausgeht.
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Das jüngere Zeichen wird der Verkehr für einen Phantasiebegriff halten und nach
den Regeln der deutschen Phonetik wie [sano] aussprechen. Es ist nicht davon
auszugehen, dass die beiden Endbuchstaben „-oo“ wie im Englischen als „-u“
ausgesprochen werden. Bei Kunstworten sind nämlich nicht alle theoretisch denk-
baren Aussprachemöglichkeiten zu berücksichtigen, sondern nur diejenigen, die
bei ähnlich aufgebauten Wörtern der Umgangssprache naheliegen (Ingerl/Rohnke,
a. a. O., § 14 Rn. 877). Für die Aussprache von „Chamo“ gibt es grundsätzlich drei
Möglichkeiten: Die Buchstabenkombination „Ch“ kann als Rachenlaut wie in „ich“
bzw. „Sache“ ausgesprochen werden, als Zischlaut [Sch] wie in „Champagner“
bzw. „Schule“ oder als [K] wie in „Christkind“ oder „Kringel“. Naheliegend ist - wie
die Markenstelle zutreffend angenommen hat - die Aussprache mit [K], und zwar
insbesondere, wenn man in die Überlegungen einbezieht, dass das Zeichen für
„ein pharmazeutisches Kamillen-Präparat“ eingetragen ist. Kennzeichnet „Chamo“
ein Kamillenpräparat, wird der Verkehr die naheliegende Assoziation zur Kamille
haben und den Markennamen dementsprechend mit einem [K] artikulieren. Eine
verwechslungsfähige Ähnlichkeit zwischen [sano] und [kamo] ist fernliegend. Das-
selbe gilt für die Aussprache von „Ch“ in der Widerspruchsmarke als Rachenlaut.
Aber selbst bei Verwendung des Zischlauts im Sinne von „Schule“ sind [schamo]
und [sano] noch hinreichend weit voneinander entfernt und führen zu einem diffe-
renzierten Klangbild. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die
Vergleichszeichen allenfalls auf ähnlichen, nicht jedoch identischen Waren begeg-
nen werden.
Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht
kein Anlass.
Hacker
Viereck
Mittenberger-Huber
Bb