Urteil des BPatG vom 06.11.2002

BPatG (marke, benutzung, beschwerde, glaubhaftmachung, unterlagen, verhandlung, verwechslungsgefahr, umfang, video, klasse)

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 105/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. November 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 2 913 944
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 6.
November 2002
unter
Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Stoppel sowie der Richterin Schwarz-Angele und des
Richters Paetzold
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 10 vom 23. Februar 2001 aufgehoben,
soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 003 005 die
Teillöschung der angegriffenen Marke wegen der Waren "Aus-
rüstung für genetische Diagnosen für medizinische und für
nichtmedizinische wissenschaftliche Zwecke, bestehend aus
DNS-Sonden, Nachweisreagenzien und Antikörpern" angeord-
net worden ist.
2. Der Widerspruch aus der Marke 2 003 005 wird zurückgewie-
sen.
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3. Auf die Beschwerde der aus der Marke 2 032 833 Widerspre-
chenden wird der Beschluß aufgehoben, soweit dieser Wider-
spruch zurückgewiesen worden ist. Wegen dieses Widerspru-
ches wird die Löschung der angegriffenen Marke wegen der
Waren
"integrierte Systeme, bestehend aus Computer, Farbmonitor,
Bildplattenlaufwerk, photographischem Drucker und hochauflö-
sendem Video für das Auffinden, Speichern und Klassifizieren
von Chromosomenbildern ohne Mikroskop" angeordnet.
4. Im übrigen wird die weitergehende Beschwerde der aus der
Marke 2 032 833 Widersprechenden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Wortmarke
VYSIS
die am 7. April 1998 für die Waren
Ausrüstungen für genetische Diagnosen für medizinische und für
nichtmedizinische wissenschaftliche Zwecke, bestehend aus DNS-
Sonden, Nachweisreagenzien und Antikörpern; integrierte
Systeme, bestehend aus Computer, Farbmonitor, Bildplattenlauf-
werk, photographischem Drucker und hochauflösendem Video für
das Auffinden, Speichern und Klassifizieren von Chromosomen-
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bildern ohne Mikroskop; Filter für optische Interferenzen für
Fluoreszenzmikroskope
in das Markenregister eingetragen und am 30. Mai 1998 bekanntgemacht worden
ist, ist Widerspruch erhoben worden
a) aus der nachfolgend wiedergegebenen Marke 2 032 833 (Widerspruchs-
marke 1)
siehe Abb. 1 am Ende
die seit dem 19. März 1993 für "Elektronische Apparate, Geräte und Bauelemente
(soweit in Kl. 9 enthalten)" geschützt ist,
b) sowie aus der Wortmarke 2 003 005 (Widerspruchsmarke 2)
ISIS
die seit 1991 u.a. für "chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftli-
che Zwecke, pharmazeutische Erzeugnisse" eingetragen ist, sich aber noch bis
zum 15. Dezember 1995 im Widerspruchsverfahren befunden hatte.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchs-
marke 1) im Verfahren vor der Markenstelle des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts bestritten, worauf die Widersprechende zu 1) Unterlagen zur Glaubhaft-
machung der Benutzung vorgelegt hat.
Die Markenstelle hat den Widerspruch zu 1) mangels Glaubhaftmachung der Be-
nutzung zurückgewiesen, auf den Widerspruch zu 2) jedoch die Teillöschung der
angegriffenen Marke für die im Tenor unter Ziffer 1 genannten Waren wegen
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hochgradiger Waren- wie Markenähnlichkeit angeordnet, im übrigen aber den
weitergehenden Widerspruch mangels Warenähnlichkeit zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Markeninhaberin wie die Widerspre-
chende zu 1) Beschwerde eingelegt.
Die Markeninhaberin wendet sich gegen die Anordnung der Teillöschung und be-
streitet nunmehr auch die Benutzung der Widerspruchsmarke zu 2). Die Be-
schwerde der Widersprechenden zu 1) hält sie für unbegründet, da es nach wie
vor an einer ausreichenden Glaubhaftmachung der Benutzung fehle.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss im Umfang der angeordneten Teil-
löschung aufzuheben und die Beschwerde der Widersprechenden
zu 1) zurückzuweisen.
Die Widersprechende zu 1) beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit ihr Wider-
spruch zurückgewiesen worden ist, und die Löschung der ange-
griffenen Marke anzuordnen.
Sie rügt, dass die Markenstelle die vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung
der Benutzung unzutreffend gewürdigt habe. Auszugehen sei vielmehr von einer
Benutzung für Monitore und elektronische Bauelemente, so dass zwanglos Wa-
renähnlichkeit bestehe und angesichts der quasi identischen Marken eine Ver-
wechslungsgefahr auf der Hand liege.
Die Widersprechende zu 2) hat keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zur Sa-
che geäußert.
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II.
1. Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig und hat in Bezug auf die Wi-
derspruchsmarke zu 2) schon deshalb Erfolg, weil die Widersprechende zu 2) eine
rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht glaubhaft gemacht hat. Der Wider-
spruch konnte daher mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf Seiten der Wi-
derspruchsmarke zu 2) bereits aus diesem Grund keinen Erfolg haben und war
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Umfang der angeordneten
Teillöschung zurückzuweisen (§§ 43 Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 2 MarkenG), ohne
dass es noch einer Entscheidung über die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr
im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bedurfte.
Für die Widerspruchsmarke zu 2) war die Benutzungsschonfrist 5 Jahre nach Ab-
schluss des Widerspruchsverfahrens, also am 15. Dezember 2000, abgelaufen, so
dass die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede der Nichtbenutzung zu-
lässigerweise erheben konnte, was im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom
2.
Oktober
2002 geschehen ist, der der Widersprechenden zu 2) am
9. Oktober 2002 förmlich zugestellt worden ist. Die Widersprechende hatte damit
ausreichend Zeit, spätestens in der mündlichen Verhandlung vom
6. November 2002 Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorzulegen.
Das ist nicht geschehen. Stattdessen hat sie mit Schreiben vom
5. November 2002 lediglich mitgeteilt, den Termin nicht wahrnehmen zu wollen,
und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten. Gerichtliche Hinweise nach § 82
Abs 1 Satz 1 MarkenG, analog §§ 139, 273 ZPO zu den Rechtsfolgen dieses
prozessualen Verhaltens waren bei dieser Sachlage nicht veranlasst. Vielmehr
war der angefochtene Beschluss antragsgemäß aufzuheben und der Widerspruch
zurückzuweisen, wobei der Senat von einer Kostenauferlegung aus
Billigkeitsgründen nur deshalb abgesehen hat, weil auch die Markeninhaberin den
Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen hat.
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2. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden zu 1) hat ebenfalls Erfolg, da
der angefochtenen Beschluss insoweit nicht nur auf einer fehlerhaften Wertung
der vorgelegten Benutzungsunterlagen beruht, sondern in der Begründung allein
auf eine Inlandbenutzung nach § 26 Abs 1 MarkenG abstellt, die Möglichkeit der
Benutzung nach § 26 Abs 4 MarkenG aber nicht berücksichtigt. Die Markenstelle
hat sich hierbei offensichtlich von dem Umstand fehlleiten lassen, dass die zusätz-
lich zur eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechen-
den zu 1) eingereichten Unterlagen (vor allem Produktprospekte) in englischer
Sprache abgefasst waren, was indes auf dem hier angesprochenen Warengebiet
der Elektronik nicht unüblich ist und für sich genommen nicht schon gegen eine
Benutzung im Inland, geschweige denn gegen eine Verwendung als Exportmarke
spricht. Im übrigen belegen diese Unterlagen eindeutig, dass die Waren in
Deutschland (Braunschweig) hergestellt und dort auch mit der Widerspruchsmarke
versehen werden.
Die Glaubhaftmachung der Benutzung ist im übrigen auch nach Art und Umfang
nicht zu beanstanden. So ist zum einen nachgewiesen, dass die Waren unmittel-
bar mit der Marke versehen werden, und zum anderen, dass unter der Wider-
spruchsmarke auch ausreichende Umsätze erzielt werden, um von einer ernst-
haften Benutzung im Rechtssinne zu sprechen. Das gilt auch für die Monitore, die
vorliegend bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit eine entscheidungserhebliche
Rolle spielen; zwar ist insoweit lediglich für das Jahr 1998, das in beide Benut-
zungszeiträume nach § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG (BGH GRUR 1998, 938
DRAGON) fällt, ein Umsatz von nur 21 Stück genannt, was auf den ersten Blick
Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung erwecken könnte. Die Widerspre-
chende zu 1) hat jedoch insoweit in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen
vorgetragen, dass es sich hierbei nicht um einfache PC-Monitore für Endverbrau-
cher, sondern um hochpreisige Spezialgeräte im Wert von jeweils über … €
handelt, die in wissenschaftlichen und gewerblich verwendeten Anlagen und
Systemen etwa im Fahrzeug- oder Flugzeugbau zum Einsatz kommen, gleicher-
maßen aber auch im medizinischen Forschungsbereich eingesetzt werden kön-
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nen. Von einer geringen Stückzahl, die die Ernsthaftigkeit der Benutzung in Frage
stellen könnte, kann bei dieser Sachlage mithin nicht ausgegangen werden (vgl.
auch BPatG Bl 2001,157 Cobra Cross).
Nach dem Vorbringen der Widersprechenden zu 1) drängt sich gleichzeitig aber
auch die Annahme einer zumindest durchschnittlichen Warenähnlichkeit zu den im
Tenor unter Ziff. 3 versagten Waren auf, da solche Monotore wesentlicher Be-
standteil der von der Inhaberin der angegriffenen Marke vertriebenen integrierten
Systeme sein können, was bei den ferner als benutzt anzusehenden elektroni-
schen Bauelementen wie Graphikkarten oder VGA-Controller nicht selbstver-
ständlich ist. Vor diesem Hintergrund ist der Abstand der sich gegenüberstehen-
den Marken aber selbst für den ausschließlich beteiligten Fachverkehr viel zu ge-
ring, um noch Verwechslungen auszuschließen. Die Marken sind nicht nur hoch-
gradig nach Klang und Schrift ähnlich, sondern müssen trotz der Vertauschung
von "Y" und "i" als mehr oder minder identisch angesehen werden. Ein sicheres
Auseinanderhalten ist dem Verkehr damit zumal aus der Erinnerung heraus nicht
mehr möglich, so dass hier von einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist. Das
gilt allerdings nur für den Bereich der identischen oder ähnlichen Waren, so dass
der weitergehende Widerspruch zurückzuweisen war, da er sich auch gegen die
Waren der angegriffenen Marke in Klasse 1, 5 und 10 richtet, die ersichtlich nicht
mit den als benutzt nachgewiesenen Waren der Widerspruchsmarke zu 1) ähnlich
sind.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen im Verhältnis der Mar-
keninhaberin zur Widersprechenden zu 1) bestand keine Veranlassung.
Stoppel Schwarz-Angele
Paetzold
Bb
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Abb. 1