Urteil des BPatG vom 10.05.2006

BPatG: eugh, marokko, freihaltebedürfnis, stadt, verkehr, markenregister, mitbewerber, allgemeininteresse, herkunftsangabe, ware

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 279/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 58 382.68
hat der 28.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
10. Mai 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist das Wort
FES
zur Kennzeichnung der Waren
„handbetätigte Werkzeuge und Geräte soweit in Kl. 8 enthalten;
Messerschneidwaren, Hieb- und Stichwaffen, Gabeln und Löffel,
Nagelfeilen, Taschenmesser, Fahrtenmesser, Nagelzangen, Na-
gelknipser, Manikürennecessaires, Pedikürennecessaires, Hand-
scheren, Servierbestecke, Probiermesser, Korkenzieher, Fla-
schenöffner“.
Die Markenstelle für Klasse 8 hat die Anmeldung für die Waren wegen Bestehen
eines Freihaltebedürfnisses an dieser geografischen Herkunftsangabe zurück-
gewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, Fes sei eine der wichtigsten Großstädte
Marokkos mit über 500.000 Einwohnern, deren wirtschaftliche Bedeutung lexika-
lisch nachweisbar auch auf vielfältigem Handwerk, u. a. Herstellung von Leder-,
Metallwaren, Waffen, Kunsttischlerei, Färberei, beruhe. Dementsprechend könne
die Marke für die betroffenen Verkehrskreise darauf hinweisen, dass die bean-
spruchten Waren aus dieser Stadt stammten oder in einem für diese Region typi-
schen Stil gehalten sei.
Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben, in der sie das Warenverzeichnis durch
einen Zusatz vor der Aufzählung der Einzelwaren wie folgt
„Handbetätigte Werkzeuge und Geräte aus vorwiegend industrieller Ferti-
gung soweit in Klasse 8 enthalten, nämlich ...“
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eingeschränkt und darauf hingewiesen hat, dass es sich bei ihren Produkten um
Massenware ohne Bezug zu handwerklicher oder traditioneller Machart handele.
Es sei also vernünftigerweise nicht zu erwarten, dass diese mehrdeutige Bezeich-
nung als geografische Angabe von Mitbewerbern benötigt werde, nachdem es
bisher noch nie zu entsprechenden Irritationen des Verkehrs durch das Zeichen
gekommen sei, das die Anmelderin vor vielen Jahrzehnten als Abkürzung aus der
Firmenbezeichnung entwickelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn der begehrten Eintragung in das
Markenregister steht das Eintragungshindernis des Freihalteinteresses der Mitbe-
werber (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) entgegen.
Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1
Buchst. c Markenrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse lie-
gende Ziel, unmittelbar warenbeschreibende Angaben, einschließlich solcher über
die geografische Herkunft, für alle frei verwendbar zu halten. Die Monopolisierung
einer derartigen beschreibenden Angabe zugunsten eines einzigen Unternehmens
ist deshalb nicht zulässig (EuGH GRUR 1999, 723, 725 - Chiemsee, Nr. 25). Im
Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt.
Einer Registrierung von geografischen Bezeichnungen steht aber auch das All-
gemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese nicht
nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzei-
gen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen
können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und ei-
nem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (EuGH
Chiemsee, a. a. O., Nr. 26). Insoweit kommt bei der Prüfung, ob ein geografischer
Begriff als Produktmerkmalsbezeichnung in Betracht kommt (und nicht nur bei der
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Beurteilung der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), auch dem
Verständnis und den Vorstellungen der Endverbraucher Bedeutung zu. Nur wenn
die konkret beanspruchten Waren mit dem betreffenden Ort oder mit den Eigen-
schaften der als solche erkennbaren geografischen Region vernünftigerweise
weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden
können, scheidet das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus (EuGH
Chiemsee, a. a. O., Nr. 31; Ullmann, GRUR 1999, 666, 672 li. Sp.).
Dagegen ist nicht erforderlich, dass ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes „Frei-
haltebedürfnis“ im Sinne der früheren deutschen Rechtsprechung besteht (EuGH
Chiemsee, a. a. O., Nr. 35; vgl. allgemein auch Senatsbeschluss GRUR 2004,
685, 689 li. Sp. - LOTTO).
Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, ist Fes einer der größten und be-
deutendsten Städte Marokkos innerhalb einer dicht bevölkerten Region von mehr
als einer Million Einwohnern und einer ausgezeichneten Verkehrsanbindung. Auf-
grund seiner Geschichte und Sehenswürdigkeiten ist Fes ein beliebtes nordafrika-
nisches Touristenziel, zumal es wegen der bekannten Altstadt seit 1976 unter dem
Schutz der UNESCO steht (
). Es gibt
dort eine Fülle von Produktionsstätten, unter anderem von Handwerkern, für wel-
che Fes seit alters her bekannt ist, weil in der Altstadt die verschiedenen Hand-
werkzweige in getrennten Straßen und Vierteln untergebracht sind. Hierzu zählen
insbesondere diverse Schmiedemanufakturen (Kupfer, Messing, Gold), Waffen-
schmieden, Drechsler, Gerber. Zwischen Deutschland und Marokko gibt es einen
regen Warenaustausch und umfassende Handelsbeziehungen, mit einem Export-
volumen marokkanischer Produkte in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro
liegt Deutschland auf dem 4. Platz (
und auch in Anbetracht der Tatsache, dass in Fes Schneidwaren, Schmuck und
sonstige Metallwaren hergestellt werden, die auch gerade als Souvenir für Tou-
risten erhältlich sind, ist ein Freihaltebedürfnis an dem Namen dieser marokkani-
schen Stadt zu bejahen. Denn für den Senat steht damit fest, dass die gegenwär-
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tige wie zukünftige Verwendung des Begriffes als geografische Herkunftsangabe
für die Waren nicht nur theoretisch möglich ist, sondern dass es ausreichend tat-
sächliche Anhaltspunkte gibt, die eine solche Verwendung vernünftigerweise er-
warten lassen. Nicht notwendig ist, dass die tatsächliche Verwendung des Begrif-
fes bereits feststeht, denn an die bei der Beurteilung eines zukünftigen Freihalte-
bedürfnisses zu treffende Prognoseentscheidung dürften keine höheren Anforde-
rungen als bei den üblichen Sachangaben des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestellt
werden (BGH, MarkenR 2003, 393 - Lichtenstein; EuGH, MarkenR 1999, 189
- Chiemsee).
Auch der nachträgliche Zusatz im Warenverzeichnis rechtfertigt keine andere Be-
urteilung, da „aus vorwiegend industrieller Fertigung“ keine echte Einschränkung
darstellt und zudem eine Abgrenzung zu Handwerkerware für den Außenstehen-
den gar nicht möglich ist. Somit könnte die Marke auch für kleine Serien von
Schneid- und Schmuckwaren Verwendung finden, zu denen auch die Maniküre-
sets und sonstigen Waren gehören können, wenn sie kunstvoll gestaltet sind.
Es gibt auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die beanspruchte
Angabe vom Verkehr nicht auf die geografische Herkunft und damit auf eine Pro-
duktionsstätte bezogen, sondern als Fantasiewort ohne Information über die Wa-
renherkunft verstanden wird. Zwar haben Besteckanbieter in Deutschland Modelle
vereinzelt auch nach Städtenamen oder Regionen aus aller Welt bezeichnet (z.B.
WMF Antwerpen/Valencia/Brasilia; Wilkens Veneto, Silit Como, BSF Ostfriesen,
vgl.
). Aus diesen Einzelfällen lässt sich jedoch keine
Verkehrsgewohnheit dahingehend herleiten, dass der Verkehr geografische An-
gaben als solche gar nicht mehr erkennen und deshalb nicht mehr mit der Waren-
herkunft in Verbindung bringt. Zudem verfolgt der Schutz geografischer Herkunfts-
angaben in erster Linie das Ziel, eine Irreführung über die Herkunft der Waren zu
vermeiden (§ 127 Abs. 1 MarkenG), wobei es für eine solche Irreführung genügt,
dass bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der Verkehrskreise unrichtige Vor-
stellungen über die Herkunft der Ware entstehen. Dieser Schutzzweck entfällt
demnach von vornherein erst, wenn nur ein ganz unbeachtlicher und zu vernach-
lässigender Teil des Verkehrs diesen als geografischen Herkunftshinweis versteht.
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Somit ist ein Freihaltebedürfnis an derartigen Worten bereits dann zu bejahen,
wenn es von einem beachtlichen Teil des Verkehrs zumindest auch als Hinweis
auf die geografische Herkunft der Ware verstanden wird (vgl. hierzu BPatG,
MarkenR 2005, 346 – SPA). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen, wenn
nämlich Touristen, die aus Marokko zurückgekehrt sind, hier entsprechende Wa-
ren aus Fes erwerben wollen. Entsprechend muss es Anbietern in Deutschland
möglich bleiben, auf die Herkunft der Waren aus Fes hinzuweisen, ohne durch
Monopolrechte Dritter daran gehindert zu sein. Erst wenn positiv feststünde, dass
eine Verwendung von geografischen Hinweisen bei allen dem Warenverzeichnis
unterfallenden Geräten unüblich ist, könnte eine derartige Annahme gerechtfertigt
sein. Soll wie hier der Name einer international bekannten und touristisch belieb-
ten Großstadt für Waren monopolisiert werden, die dort auch hergestellt werden
können, so spricht alles für das Bestehen eines bedeutenden Allgemeininteresses
an der Freihaltung einer derartigen geografischen Angabe.
Aus diesen Gründen musste die Beschwerde ohne Erfolg bleiben.
gez.
Unterschriften