Urteil des BPatG vom 19.12.2002

BPatG (marke, zeichen, beschwerde, verwechslungsgefahr, gesamteindruck, verkehr, wiedergabe, abstand, verhandlung, antrag)

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 236/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
19. Dezember 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 395 20 056
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Kliems sowie des Richters Brandt und der Richterin k.A. Bayer
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewie-
sen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
COLDYN
ist unter der Nummer 395 20 056 für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse,
nämlich Antibiotika/Chemotherapeutika, Broncholytika/Antiastmathika, Dermatika,
Lipidsenker, Magendarmmittel, Rhinologika, Sulfonamide" im Markenregister ein-
getragen. Dagegen hat unter anderem die Inhaberin der unter anderem auch für
die Waren "Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische
Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate" eingetragenen Marke
Nr 458 710
KOLTON
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Be-
schluss vom 4. April 2001 durch eine Beamtin des höheren Dienstes den Wider-
spruch aus der oben genannten Marke zurückgewiesen, allerdings aufgrund eines
weiteren Widerspruchs die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeord-
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net, nämlich hinsichtlich der Waren "Antibiotika/Chemotherapeutika, Dermatika,
Magendarmmittel, Sulfonamide".
Es bestehe zwischen der angegriffenen Marke "COLDYN" und der Widerspruchs-
marke 458 710 "KOLTON" keine Verwechslungsgefahr. Bei den sich gegenüber-
stehenden Waren sei zwar Identität bzw. ein hoher Grad von Ähnlichkeit zu beja-
hen, jedoch seien die Marken sich im Gesamteindruck weder klanglich noch
schriftbildlich ähnlich, auch wenn die Anfangssilbe "C(K)OL" klanglich übereinstim-
me. Die angesprochenen Verkehrskreise seien aufgrund der zahlreichen Marken
mit der Anfangssilbe "C(K)OL", die es auf dem Warengebiet gäbe, genötigt, auf
die weiteren Wortbestandteile sorgfältiger zu achten, gerade auch weil die letzte
Silbe betont gesprochen werde. Somit käme es vor allem auf die Endsilben an, bei
denen trotz des gemeinsamen Konsonanten "N" nicht damit zu rechnen sei, dass
"DYN" für "TON" gehört würde oder umgekehrt. Vielmehr würden die Endsilben
wegen der unterschiedlichen Laute "DY" und "TO" so deutlich verschieden klin-
gen, dass sie dem jeweiligen Gesamteindruck der Marken ein unterschiedliches
Gepräge verleihen würden. Durch diese Abweichungen sei auch keine schriftbildli-
che Verwechslungsgefahr gegeben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag
(sinngemäß),
den Beschluss vom 4. April 2001 aufzuheben, soweit der Wi-
derspruch aus der Marke 458 710 zurückgewiesen wurde,
und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus
der Marke 458 710 zu löschen.
Wegen der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der Waren sei ein hoher Ab-
stand der kollidierenden Zeichen erforderlich. Sie wiesen jedoch eine hohe klangli-
che Ähnlichkeit auf. So stimmten die beiden Zeichen in der Anzahl der Silben und
Buchstaben sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus überein. Auch sei ein
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nahezu identisches Konsonantengerüst gegeben. Insbesondere der klanglich
identische Wortanfang sei prägend für beide Zeichen. Die Anfangslaute "T" bzw.
"D" der jeweiligen Zweitsilbe seien besonders bei nicht ganz korrekter Aussprache
bzw in der Umgangslautung nicht zu unterscheiden, so dass beide Zeichen die na-
hezu identische Lautfolge "KOLT/D-N" aufwiesen. Daher würde der auch nur in
der weniger beachteten zweiten Worthälfte bestehende einzige Unterscheid "Y"
(als "I" oder "Ü" gesprochen) gegenüber "O" an Bedeutung verlieren. Aufgrund
dieses Übergewichts an Gemeinsamkeiten sei im Gesamteindruck keine sichere
Unterscheidung gewährleistet, vielmehr sei insbesondere aus der unsicheren Erin-
nerung heraus ein Auseinanderhalten nicht ohne weiteres möglich.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke, die in der mündlichen Verhandlung vom
19. Dezember 2002 nicht erschienen ist, hat im Beschwerdeverfahren auf ihr bis-
heriges Vorbringen verwiesen, ohne sich weiter zur Sache zu äußern oder einen
Antrag zu stellen. Vor der Markenstelle hatte sie beantragt, den Widerspruch zu-
rückzuweisen, da wegen der völlig voneinander abweichenden Endsilben "TON"
gegenüber "DYN" keine klangliche Ähnlichkeit bestehe, und auch das Schriftbild
hinreichend verschieden sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch kei-
nen Erfolg.
Auch nach Auffassung des Senats besteht bei den sich gegenüberstehenden Mar-
ken nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG,
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so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war (§ 43 Abs. 2
Satz 2 MarkenG).
Die Marken können sich auf identischen, teilweise auch rezeptfrei zu erwerbenden
Waren begegnen, da nach der hier maßgeblichen Registerlage alle Waren der an-
gegriffenen Marke von den "Arzneimitteln und pharmazeutischen Präparaten" der
Widerspruchsmarke umfasst werden. Ausgehend von einer durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und angesichts der möglichen Wa-
renidentität sind daher hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen.
Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung auf einen durchschnittlich informierten,
aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser ist generell im
Gesundheitsbereich aufmerksamer als bei Waren des täglichen Bedarfs (vgl BGH
GRUR 1995, 50, 53 – Indorektal/Indohexal).
Die angegriffene Marke "COLDYN" hält sowohl klanglich als auch schriftbildlich
den gebotenen Abstand von der Widerspruchsmarke "KOLTON" ein. Entschei-
dend ist dabei der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen
(Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Abs 80), wobei auf die unter-
scheidenden und dominanten Elemente abzustellen ist (so EuGH GRUR 1998,
387 –Sabèl/Puma).
Die angegriffene Marke kommt der Widerspruchsmarke nicht so nahe, dass eine
Verwechslungsgefahr besteht, selbst wenn die Zeichen nicht nebeneinander wahr-
genommen werden, sondern der Verkehr auf das Erinnerungsbild angewiesen ist.
In klanglicher Hinsicht sind die Marken nicht ähnlich, da sie lediglich aus zwei Sil-
ben bestehen und die Unterschiede in den betonten zweiten Silben so deutlich
sind, dass das Gesamtklangbild trotz gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus
und identischer Anfangssilbe stark verschieden ist und auch aus der undeutlichen
Erinnerung heraus nicht zu Verwechslungen führt. Dabei ist zu berücksichtigen,
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dass der Vokal "o" der zweiten Silbe der Widerspruchsmarke dunkel klingt, bei der
angegriffenen Marke jedoch der Buchstabe "y" wie "i" oder "ü" ausgesprochen
wird und einen hellen Klangcharakter aufweist. Der unterschiedliche Klangcharak-
ter dieser Vokale wirkt sich stark auf das Klangbild des jeweiligen Zeichens aus,
da die zweite Silbe betont wird und in den jeweils nur zweisilbigen Wörtern sehr
auffällig ist.
Verstärkt wird der klangliche Unterschied noch durch die unterschiedlichen Anlau-
te der zweiten Silben, dem weichen "d" der angegriffenen Marke und dem harten
"t" der Widerspruchsmarke. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden
klingen diese Buchstaben in den Zeichen regelmäßig nicht gleich. Zwar mögen bei
der Umgangslautung, die weniger deutlich und schriftnah ist als die Standardlau-
tung (Duden, Das Aussprachewörterbuch, 4. Aufl S. 64) die Unterschiede zwi-
schen dem weichen "d" und dem harten "t" weniger deutlich sein oder bei verein-
zelten Dialekten möglicherweise ganz wegfallen, jedoch ist hier zu beachten, dass
der Verkehr bei den vorliegenden Waren sich stärker an die Schriftsprache an-
lehnt als dies bei Dialektausdrücken oder Wörtern der Umgangssprache der Fall
sein mag.
Das Gesamtklangbild der Widerspruchsmarke ist daher härter und dunkelklingen-
der als das der angegriffenen Marke. Soweit die Widersprechende auf Zeichen-
paare hingewiesen hat, bei denen Unterschiede in der letzten Silbe nicht ausge-
reicht haben, eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, unterscheiden sich die Fäl-
le dadurch, dass es sich dabei um Zeichen handelte, die nicht lediglich aus zwei
Silben bestanden. Dies gilt insbesondere auch für die "Corvaton" / "Corvasal" Ent-
scheidung des BGH (GRUR 1993, 118). Bei den hier zu beurteilenden Zeichen
stellt die unterschiedliche Silbe jedoch nicht lediglich eine Endung dar, auf die der
Verkehr nicht mehr besonders achten würde, sondern es handelt sich um einen
wesentlichen Bestandteil der Gesamtmarke.
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In schriftbildlicher Hinsicht sind die Marken ebenfalls nicht verwechselbar, denn
die Hälfte der Buchstaben ist zum Teil sehr unterschiedlich (c/k, d/t, y/o bzw C/K,
D/T, Y/O), so dass die Zeichen in jeder Schreibweise nicht füreinander gehalten
werden können. Selbst bei einer handschriftlichen Wiedergabe sind die Unter-
schiede sehr deutlich, insbesondere der Anfangsbuchstabe der jeweiligen Zeichen
und die Unterlänge des Buchstabens "y" in der angegriffenen Marke. Zudem spielt
eine handschriftliche Wiedergabe für Bestellungen beim Pharmagroßhandel und
die Erstellung von Rezepten infolge weitreichenden EDV-Einsatzes keine so
große Rolle mehr (BPatG 25 W (pat)220/95 "Glinnda" / "GIANDA").
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems Brandt
Bayer
Ko