Urteil des BPatG vom 07.10.2003

BPatG: stand der technik, fig, nachbehandlung, automatisierung, patentanspruch, gerät, computer, erfindung, kuh, zeichnung

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 5/03 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
7. Oktober 2003
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
9.72
- 2 -
betreffend das europäische Patent 0 535 754
(DE 692 21 243)
hat der 4.Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2003 unter Mitwirkung des Richters
Müllner als Vorsitzenden, des Richters Dipl.-Ing. agr. Dr. Huber, der Richterin
Schuster sowie der Richter Dipl.-Ing. Gießen und Dipl.-Ing. Kuhn
für Recht erkannt:
1.
Das europäische Patent 0 535 754 wird mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der An-
sprüche 1 bis 4, 7 und 9 bis 14 teilweise für nichtig erklärt.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu voll-
streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesre-
publik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 535 754 (Streitpatent), das
am 1. Oktober 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der niederländischen
Patentanmeldungen 9101676 vom 4. Oktober 1991 und 9200258 vom 13. Febru-
ar 1992 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffent-
lichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer
692 21 243 geführt wird, betrifft ein Gerät zum Melken von Tieren und ein
Verfahren zur Zitzennachbehandlung eines gemolkenen Tieres. Es umfasst 14
Ansprüche. Die angegriffenen Ansprüche 1 bis 4, 7 und 9 bis 14 haben folgenden
Wortlaut:
- 3 -
1.
Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, wie z.B.
von Kühen, mit einer automatisch zu betätigenden Reini-
gungseinheit (84) zum Reinigen der Zitzen eines Tieres vor
dem Melken und einem Melkroboter (8) mit einem Arm (45)
zum Anschließen von Zitzenbechern (53; 54) an die Zitzen
des Tieres und anschließenden Melken des Tieres sowie zum
Abkoppeln der Zitzenbecher (53; 54) von den Zitzen des Tie-
res,
dadurch gekennzeichnet
eine automatisch zu betätigende Nachbehandlungsvorrichtung
(105) zum Nachbehandeln des Euters und/oder der Zitzen ei-
nes gemolkenen Tieres aufweist, die sich in dem Roboter-
arm (45) befindet.
2.
Vorrichtung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß die Nachbehandlungsvorrich-
tung (105) eine Sprühdüse (108) sowie eine Zufuhrlei-
tung (107) mit darin eingebautem Ventil (110) hat.
3.
Vorrichtung nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet, daß das Ventil (110) nahe der
Sprühdüse (108) angeordnet ist.
4.
Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 3,
dadurch gekennzeichnet, daß die Sprühdüse (108) am Ende
des Roboterarmes (45) des Melkroboters (8) angeordnet ist.
7.
Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, daß die Sprühdüse (108) an oder
nahe dem Ende eines Armes (45) eines Melkroboters (8) zum
automatischen Melken von Tieren derart angeordnet ist, daß
- 4 -
ein relativ zu diesem Ende (45) nach vorn und oben gerichte-
ter fächerförmiger Sprühstrahl erzielt wird.
9.
Vorrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, daß der Spitzenwinkel des von der
Sprühdüse (108) erzeugten fächerförmigen Sprühstrahles
etwa 45° beträgt.
10. Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, daß die Nachbehandlungsflüssigkeit
ein Desinfektionsmittel enthält.
11. Verfahren zum Nachbehandeln der Zitzen eines gemolkenen
Tieres in einer Vorrichtung zum automatischen Melken von
Tieren, die einen Melkroboter mit einem Arm (45) zum An-
schließen und Abkoppeln der Zitzenbecher von der Tierzitze
aufweist,
bei dem die Zitzenbecher nach dem Melken des Tieres von
den Tierzitzen abgenommen werden und eine Nachbehand-
lungsflüssigkeit automatisch von dem Arm (45) auf das Euter
und/oder die Zitzen gesprüht wird.
12. Verfahren nach Anspruch 11,
dadurch gekennzeichnet, daß die Nachbehandlungsflüssigkeit
in einem fächerförmigen Sprühstrahl gesprüht wird, und daß
der Sprühstrahl während des Sprühens unter dem Euter ent-
lang in eine Richtung bewegt wird, die der Richtung entspricht,
die sich von der Ebene des fächerförmigen Strahles zu den
Zitzenbechern erstreckt.
13. Verfahren nach Anspruch 12,
- 5 -
dadurch gekennzeichnet, daß nach jedem Melken eines Tie-
res die Nachbehandlungsflüssigkeit von der Rückseite des
Euters in Richtung auf seine Vorderseite gesprüht wird.
14. Verfahren nach Anspruch 12 oder 13,
dadurch gekennzeichnet, daß der Roboterarm nach dem Ab-
koppeln der Zitzenbecher und vor dem Besprühen des Euters
und/oder der Zitzen in eine Position gebracht wird, in der die
Ebene des fächerförmigen Sprühstrahles exakt auf das Euter
trifft oder geringfügig außerhalb desselben liegt.
Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Zur Be-
gründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:
- Henry Scott Stokes, Japan looks to major gains in use of robots, New York
Times, 27.12.1981 (Anlage Ni 1)
- A.R. Frost, Robotic milking: a review, Robotica (1990) volume 8, pp 311-318
(Anlage Ni 2)
- Artmann, Konzepte und Entwicklungen zur Automatisierung des Melkens,
VDI/MEG Kolloquium Landtechnik, Heft 9 (Anlage Ni 3)
- US 4 498 414 (Anlage Ni 4)
- EP 0 323 444 A2 (Anlage Ni 5)
- EP 0 207 572 A1 (Anlage Ni 6)
- EP 0 332 231 A2 (Anlage Ni 7)
- EP 0 320 496 A2 (Anlage Ni 8)
- EP 0 306 579 A1 (Anlage Ni9)
- Dr. Egon Müller, „Krankheiten bei Rindern, Schweinen, Schafen“, BLV
Verlagsgesellschaft München, 1974 (Anlage Ni 11)
- Broschüre „Fight mastitis – it pays!“ von ALFA-LAVAL, 1974 (Anlage Ni 12)
- GB 2 192 351 A (Anlage Ni 13)
- 6 -
- SU 1634193 A1 (Anlage Ni 14)
- US 4 716 032 (Anlage Ni 17)
- GB 1 415 318
(Anlage Ni 23)
- Green, Parlour robot draws nearer (Anlage Ni 24)
- Mate, Back to the future, DAIRY FARMER, May 1986 (Anlage Ni 25)
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 535 754 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4, 7, 9
bis 14 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent für
bestandsfähig.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Ab-
satz 1 lit a EPÜ iVm Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden
Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist begründet
1. Das Streitpatent betrifft ein Gerät zum Melken von Tieren und ein Verfahren zur
Zitzennachbehandlung eines gemolkenen Tieres. Nach der Patentbeschreibung
sind im Stand der Technik entsprechende Vorrichtungen ua mit einer automatisch
zu betätigenden Reinigungseinheit zum Reinigen der Zitzen des Tieres vor dem
Melken bekannt. Aus Gründen der Hygiene und im Hinblick auf die für Milch gel-
- 7 -
tenden Qualitätsnormen sei es jedoch wichtig, die Zitzen nicht nur vor, sondern
auch nach dem Melken zu reinigen.
2. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäss eine
Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren, wie z.B. von Kü-
hen, mit den folgenden Merkmalen:
1.
Die Vorrichtung umfasst eine Reinigungseinheit zum Reinigen
der Zitzen eines Tieres vor dem Melken.
1.1 Die Reinigungseinheit ist automatisch zu betätigen.
2.
Die Vorrichtung umfasst einen Melkroboter mit einem Arm.
2.1 Der Arm dient zum Anschließen von Zitzenbechern an die
Zitzen eines Tieres.
2.2
Der Arm dient zum anschließenden Melken des Tieres.
2.3 Der Arm dient zum Abkoppeln der Zitzenbecher von den Zitzen
des Tieres.
3.
Die Vorrichtung weist außerdem eine Nachbehandlungsvorrich-
tung zur Nachbehandlung des Euters und/oder der Zitzen des
gemolkenen Tieres auf.
3.1 Die
Nachbehandlungsvorrichtung
ist automatisch zu betätigen.
3.2 Die
Nachbehandlungsvorrichtung
befindet sich in dem Roboter-
arm.
Hierbei bezeichnen die Merkmale 1. und 1.1 die vor dem Arbeitsbeginn des Melk-
roboters in Aktion tretende Reinigungseinheit, die Merkmale 2. bis 2.3 den Melk-
roboter und seine Tätigkeit an sich und die Merkmale 3. bis 3.2 die Nachbehand-
lungsvorrichtung. Zur Nachbehandlungsvorrichtung führt Merkmal 3.2 nur aus,
dass diese sich in dem Roboterarm befindet. Dies stimmt im wesentlichen mit
dem Anspruch 1 der maßgeblichen englischen Fassung des Streitpatents überein
- 8 -
(„an automatically operable after-treating device ... included in the robot arm“), so
dass der Ausdruck „in dem Roboterarm“ im wesentlichen als „in diesen integriert“
verstanden werden kann. Jedenfalls kann der Ausdruck „in dem Roboterarm“
nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Nachbehandlungsvorrichtung
ausschließlich innen in diesem Arm angeordnet wäre. Dies mag zwar für
Zuführleitungen, Ventile o.ä. zutreffen, wie auch aus Fig 5, 6 in Verbindung mit
Fig 7 ersichtlich ist. Jedoch müssen nach außen wirkende Teile (z.B. Sprühdüse
108) auch nach außen wirksam angeordnet sein. Wie ein Blick auf die Zeichnung
des Streitpatents erkennen lässt, ist die dort dargestellte Nachbehandlungs-
vorrichtung zumindest nicht ausschließlich im eigentlichen Arm (45) angeordnet,
sondern an einem Endglied (46), also einem weiteren an den eigentlichen Arm
(45) angeschlossenen Bauteil (vgl Fig 2 und 5 bis 7). In der mündlichen
Verhandlung wurde hierzu außerdem seitens der Patentinhaberin (Beklagte)
vorgetragen, dass der Geist der Erfindung darin gesehen werde, dass der
Roboterarm, der schon das Melkzeug zu tragen habe, nun auch noch mit der
Nachbehandlungsvorrichtung versehen werde.
Nach alldem ist nach Auffassung des Senats der Ausdruck „in dem Roboterarm“
ausgehend von der maßgeblichen englischen Fassung „included in...“ so zu ver-
stehen, dass die Nachbehandlungseinrichtung – deren technischer Aufbau wird
im Anspruch 1 nicht thematisiert – in dem Sinne in dem Roboterarm „enthalten“
ist, dass sie – ebenso wie das Melkzeug – von diesem getragen und über dessen
Bewegung positioniert wird.
Die angegriffenen Ansprüche 2 bis 4, 7, 9 und 10 sind auf Anspruch 1 rückbezo-
gen und kennzeichnen weitere Ausgestaltungen einer Vorrichtung nach An-
spruch 1.
3. Der nebengeordnete Anspruch 11 beschreibt ein
- 9 -
Verfahren zum Nachbehandeln der Zitzen eines gemolkenen Tieres
in einer Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren mit fol-
genden Merkmalen:
A)
Die Vorrichtung weist einen Melkroboter mit einem Arm auf.
A) 1 Der Arm dient zum Anschließen der Zitzenbecher an die Tier-
zitze.
A) 2 Der Arm dient zum Abkoppeln der Zitzenbecher von der Tier-
zitze.
B)
Die Zitzenbecher werden nach dem Melken des Tieres von
den Tierzitzen abgenommen.
C) Eine
Nachbehandlungsflüssigkeit wird automatisch auf das
Euter und/oder die Zitzen gesprüht.
C) 1 Die Nachbehandlungsflüssigkeit wird von dem Arm gesprüht.
Das Merkmal C) 1, wonach die Nachbehandlungsflüssigkeit „von dem Arm“ ge-
sprüht werden soll, ist dabei in ähnlicher Weise zu lesen, wie zu dem hierzu kor-
respondierenden Merkmal 3.2 des Anspruchs 1 bereits ausgeführt wurde. So geht
auch hier der wesentliche Inhalt dieses Merkmals dahin, dass der Arm gleichzeitig
auch Träger der Nachbehandlungsvorrichtung ist und demgemäss von dem Arm
aus gesprüht werden kann.
Die angegriffenen Ansprüche 12 bis 14 haben Weiterbildungen eines Verfahrens
nach Anspruch 11 zum Gegenstand.
4.
Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 mag zwar neu und gewerblich an-
wendbar sein, jedoch beruht er aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 10 -
Aus der EP 0 323 444 (Ni 5) ist eine Vorrichtung zum automatischen Melken von
Tieren, z.B. von Kühen mit allen gattungsbildenden Merkmalen des Anspruchs 1
(Merkmal 1. bis 2.3 der Merkmalsgliederung) bekannt geworden, wie auch die Pa-
tentinhaberin in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (Sp 1, Z 1 – 10
iVm Z 11, 12) zum Ausdruck bringt.
So umfaßt diese Vorrichtung eine Reinigungseinheit (halbkugelförmiges Becken
31) zum Reinigen der Zitzen des Tieres vor dem Melken, welche automatisch zu
betätigen ist (vgl z.B. Sp 5, Z 33 – 39). Die Vorrichtung umfaßt dabei einen Melk-
roboter (Steuerung durch Mikroprozessor oder Computer, vgl Sp 5, Z 33 – 39) mit
einem Arm (26), welcher zum Anschließen der Zitzenbecher an die Tierzitzen,
zum anschließenden Melken sowie zum Abkoppeln der Zitzenbecher dient (Sp 5,
Z 33 – 39).
Anders als in der Beschreibungseinleitung formuliert ist, trägt die Beklagte in der
mündlichen Verhandlung nunmehr vor, dass es sich bei dem Gegenstand nach
der EP 0 323 444 (Ni 5) nicht um einen Roboter handle, weil das die Zitzenbecher
tragende und diese zum Euter der Kuh hin- bzw. wegbewegende Organ, hier der
Arm (26), lediglich eine „auf – ab“ Bewegung in vertikaler Richtung und nicht drei-
dimensionale Bewegungen ausführen könne, was aber einen Roboter erst als
solchen definieren würde. Dieser Auffassung konnte sich der Senat nicht an-
schließen, denn zum einen hat die Beklagte selbst bei der Abfassung der Streit-
patentschrift dem Gegenstand nach Ni 5 das Vorhandensein eines Roboterarms
ausdrücklich zuerkannt (vgl Streitpatentschrift Sp 1, Z 11 – 14,“a bowl-shaped
basin .... is pivoted on a robot arm“). Zum anderen vermag der Arm (26) gemäß
Ni 5 – anders als die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorträgt - nicht nur
lineare Auf- und Abwärtsbewegungen wie in Sp 4, Z 44 – 46 der Entgegenhaltung
beschrieben, auszuführen, sondern er kann auch vermittels eines mit dem Rah-
men verbundenen Führungsgestänges seitliche Bewegungen vollführen (Sp 3, Z
12 – 15). Somit ist auch mit Hilfe des Armes (26) gemäß Entgegenhaltung Ni 5
die Erschließung des dreidimensionalen Raumes möglich, so dass dieser Arm
(26) auch zu Recht als Roboterarm bezeichnet werden kann.
- 11 -
Zu den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 ist im Hinblick auf die Ni 5
festzuhalten, dass hieraus nicht zweifelsfrei hervorgeht, ob die an dem Arm be-
findliche Behandlungs- und Reinigungseinrichtung, bestehend aus dem Becken
(31) und darin angeordneten Sprühdüsen (60) sowie zu diesen führenden Ver-
sorgungsleitungen (61) (vgl z.B. Fig 6), eine Nachbehandlungsvorrichtung im
Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents darstellt. Zwar finden sich im Text der
Entgegenhaltung mehrfach Hinweise auf die Verwendung von Desinfektionsmit-
teln in der Reinigungs- und Behandlungseinrichtung (Sp 5, Z 25 – 28 sowie 34 -
39), was als Indiz für eine Nachbehandlung gewertet werden könnte. Zu Gunsten
der Beklagten wird jedoch angesichts der Tatsache, dass vornehmlich im außer-
europäischen Raum zumindest noch vor dem Zeitrang des Streitpatents auch vor
dem Melken Desinfektionsmaßnahmen am Euter der Tiere durchgeführt worden
waren, angenommen, dass es sich bei der gemäß Ni 5 offenbarten Behandlungs-
einrichtung zumindest nicht um eine echte Nachbehandlungseinrichtung im Sinne
des Anspruchs 1 des Streitpatents handelt. Die Behandlungseinrichtung gemäß
Ni 5 ist aber automatisch zu betätigen (Sp 5, Z 33 – 39), so dass das Merkmal 3.1
gemäß Merkmalsgliederung in diesem Sinne bereits grundsätzlich hieraus be-
kannt ist. Auch das weitere Merkmal (3.2), wonach sich die Behandlungsvorrich-
tung in dem Roboterarm befindet, ist durch die Entgegenhaltung vorweggenom-
men, denn die Behandlungseinrichtung (31) wird ebenso wie das Melkzeug (18)
von ein und demselben Roboterarm (26) getragen (Fig 2, 3 und 6). Hierbei ist die
vorher definierte Lesart dieses Merkmals berücksichtigt, wonach „in dem Robo-
terarm“ als in diesen integriert und von diesem getragen zu verstehen ist.
Demgemäß unterscheidet sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 vom
Stand der Technik nach der EP 0 535 734 B1 lediglich noch im Vorhandensein
einer Nachbehandlungsvorrichtung, welche ausschließlich und eindeutig dem
Zweck der Nachbehandlung des Euters nach dem Melkvorgang dient.
Eine Nachbehandlungsvorrichtung im o.g. Sinne, d.h. eine solche, die zur
Euterbehandlung nach dem Melken bestimmt ist, wird durch die GB 2 192 351 A
- 12 -
(Ni 13) beschrieben (vgl S 1, Z 8 bis 13). In dieser Druckschrift wird gemäß Seite
2, Z 118 bis 130 eine Ausführungsform vorgestellt, bei der eine Nachbehand-
lungsvorrichtung, hier eine Sprüheinrichtung, als Teil einer automatischen Anlage
konzipiert sein kann und zwar derart, dass sich diese Sprüheinrichtung in einem
Arm befindet mit dessen Hilfe sie in Position gebracht werden kann.
Für den einschlägigen Fachmann, einem Fachhochschulingenieur der allgemei-
nen Verfahrens- oder Prozesstechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Automati-
sierung von landwirtschaftlichen Arbeitsverfahren, insbesondere auf dem Gebiet
der Tierhaltung, bestanden daher keine Schwierigkeiten, an den vorhandenen Eu-
ter-Behandlungseinrichtungen nach der EP 0 535 754 B1 eine Nachbehandlungs-
einrichtung nach der GB 2 192 351 A vorzusehen bzw. die bei dem Gegenstand
nach der EP 0 535 754 B1 vorhandene Behandlungseinrichtung in diesem Sinne
auszugestalten und im Prozessablauf zum geeigneten Zeitpunkt erstmalig oder
nochmalig zuzuschalten. Hierbei ist auch die gehobene Qualifikation des Durch-
schnittsfachmanns, der sich mit der Automatisierung von Arbeitsverfahren be-
fasst, zu berücksichtigen.
5.
Die auf Anspruch 1 rückbezogenen angegriffenen Ansprüche 2 bis 4, 7, 9
und 10 haben keinen Bestand, da ihre Merkmale durch den im Verfahren befindli-
chen Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt werden.
Die Merkmale der Ansprüche 2 und 4 sind durch die GB 2 192 351 A (Ni 13), Fig
1 – 3 sowie die EP 0 323 444 A2 (Sp 5, Z 21 – 28; Fig 6) vorweggenommen, wäh-
rend das Merkmal des Anspruchs 3 durch die GB 2 192 351 A (Fig 3) nahegelegt
wird. Das Merkmal eines nach vorne und oben gerichteten Sprühstrahls gemäß
Anspruch 7 ist aus der US 4 716 032 (Ni 17), dort Fig 3 und 5 ersichtlich, während
der in Anspruch 9 geforderte Winkelbereich, der von der Sprühdüse erzeugt wird,
ebenfalls aus der US 4 716 032 (Fig 2, 3, 5) ersichtlich ist. Die Verwendung von
Desinfektionsmitteln als Bestandteil von Nachbehandlungsflüssigkeiten, wie in
Anspruch 10 gefordert, ist aus dem Fachbuch „Krankheiten bei Rindern, Schwei-
- 13 -
nen, Schafen“, Dr. Egon Miller, BLV Verlagsgesellschaft München 1974 (Ni 11),
dort S 213, 1. Abs, bekannt.
6.
Das Verfahren zum Nachbehandeln der Zitzen eines gemolkenen Tieres in
einer Vorrichtung zum automatischen Melken von Tieren nach dem nebengeord-
neten Anspruch 11 mag wohl neu sein, beruht aber nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Durch die EP 0 323 444 A 2 (Ni 5) ist zumindest ein Verfahren zum Behandeln
(zu welchem Zeitpunkt auch immer) der Zitzen in einer Vorrichtung zum automati-
schen Melken von Tieren bekannt geworden.
Die Vorrichtung weist hierzu einen Melkroboter mit einem Arm (26) auf (Merkmal
A, der Merkmalsgliederung zu Anspruch 11), wobei der Arm (26) zum An-
schließen bzw. Abkoppeln der Zitzenbecher (18) an die bzw. von der Tierzitze
dient (Merkmale A) 1 und A) 2. Auch werden bei diesem bekannten Verfahren die
Zitzenbecher (18) nach dem Melken des Tieres von den Tierzitzen abgenommen
(Merkmal B) (vgl hierzu auch die Beschreibung des gesamten Verfahrens gemäß
Sp 5, Z 33 – 39 der Entgegenhaltung).
Das automatische Sprühen einer Nachbehandlungsflüssigkeit auf das Euter
und/oder die Zitzen von einem Arm aus, ist aus dem entsprechenden Ausfüh-
rungsbeispiel gemäß S 2, Z 118 – 130 der GB 2 192 351 A (Ni 13) bekannt ge-
worden (Merkmale C) und C) 1.
Für einen im Zusammenhang mit Anspruch 1 bereits näher bezeichneten Durch-
schnittsfachmann war es zum Zeitrang des Streitpatents in Kenntnis des entge-
gengehaltenen Standes der Technik ohne weiteres möglich, durch Aufnahme der
aus dem Verfahren nach der Ni 13 gewonnen Anregungen auf der Grundlage des
Verfahrens nach der Ni 5, wo bereits eine Euterbehandlung an sich vorgesehen
ist, ein Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs 11 zu gestalten. Einer er-
finderischen Tätigkeit bedurfte es hierzu nicht.
- 14 -
7. Die auf ein Verfahren nach Anspruch 11 rückbezogenen, angegriffenen
Ansprüche 12 bis 14 haben keinen Bestand.
Die Merkmale der Ansprüche 12 und 13 werden einem Fachmann durch die Dar-
stellungen gemäß Fig 1, 3 und 5 der US 4 716 032 (Ni 17) nahegelegt. Das Merk-
mal des Anspruchs 14, wonach die Positionierung des Armes derart zu wählen
ist, dass der Behandlungsstrahl exakt auf das Euter trifft, wird bereits durch die
EP 0 323 444 (Ni 5) prinzipiell nahegelegt und geht im übrigen über fachübliches
Handeln nicht hinaus.
8. Die
Kostentscheidung
beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1
ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm
§ 709 ZPO.
Müllner Dr.
Huber
Schuster
Gießen
Kuhn
Cl