Urteil des BPatG vom 01.10.2007

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, körper, massage, medizin, beschwerde, verkehr, gesamteindruck, bestandteil)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 154/05
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
25. Januar 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 304 08 191
BPatG 154
08.05
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Vogel von Falckenstein sowie der Richterin Winter und des Richters
Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 03, 41 und 44
Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und
Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur
Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Öle für Körper- und
Schönheitspflege; Kräuter für Körper- und Schönheitspflege;
Zahnputzmittel; Ausbildungsberatung und Fortbildungsberatung
sowie Erziehungsberatung; Coaching; Personalentwicklung durch
Aus- und Fortbildung; Veranstaltung und Durchführung von Work-
shops, Seminaren, Lehrgängen (Ausbildung), insbesondere in
asiatischen Methoden der traditionellen Thai-Medizin (traditionelle
Thai-Massage, Fußmassage, Kräuteranwendungen), Ayurveda-
Medizin und ayurvedische Massagen, Gesundheits- und Schön-
heitspflege, Yoga, Shiatsu, Wellness und SPA (Sanus per
Aquam); Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen in
elektronischer Form, auch im Internet; Behandlungen und Anwen-
dungen von asiatischen Methoden der traditionellen Thai-Medizin
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(traditionelle Thai-Massage, Fußmassage, Kräuteranwendungen),
Ayurveda-Medizin und ayurvedische Massagen, Gesundheits- und
Schönheitspflege, Yoga, Shiatsu, Wellness und SPA (Sanus per
Aquam); therapeutische und physiotherapeutische Behandlungen;
Dienstleistungen von Schönheitssalons; Gesundheits- und Schön-
heitspflege
eingetragene und am 2. Juli 2004 veröffentlichte Wortmarke 304 08 191
Spasia
ist am 1. Oktober 2004 Widerspruch aus der am 8. August 2000 unter der Num-
mer 2 106 346 eingetragenen Wortmarke
„SPA“
eingelegt worden, die eingetragen ist für
„Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Betrieb von
Bädern, Schwimmbädern und Saunen“.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Wi-
derspruch durch Beschluss einer Prüferin des höheren Dienstes vom 2. Au-
gust 2005 zurückgewiesen mit der Begründung, selbst im Bereich identischer Wa-
ren sei der erforderliche Abstand zur Widerspruchsmarke gewahrt, zumal deren
Schutzbereich wegen seiner beschreibenden Bedeutung entweder als Hinweis auf
„Heilquelle“ oder im Sinne einer geographischen Herkunftsangabe zu beschrän-
ken sei. Sowohl im klanglichen als auch im schriftbildlichen Vergleich fielen die
Zeichenunterschiede hinreichend auf. Neben der übereinstimmenden Anfangssil-
be verfüge die angegriffene Marke mit dem zweisilbigen Zusatz „sia“ über eine
deutliche Abweichung, die auch klanglich hinreichend zur Geltung komme, zumal
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durch die Betonung der angegriffenen Marke auf der zweiten Silbe die Abweichun-
gen deutlich und unüberhörbar hervorträten. Schließlich sorge auch der Sinnge-
halt der Widerspruchsmarke für ein sicheres Auseinanderhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die
eine gesteigerte Kennzeichnungskraft aufgrund überragender Bekanntheit ihrer
Marke geltend macht. Deren Kennzeichnungskraft sei keinesfalls vermindert, weil
es keine Belege für eine beschreibende Bedeutung von „SPA“ gebe. Sie verweist
hierzu auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (GRUR 2001, 420 - SPA).
Die im Beschwerdeverfahren vom Senat übersandten Belege zeigten deutlich,
dass der Begriff „Spa“ in derart vielfältigen Bedeutungen verwendet werde, dass
ein eindeutiger Begriffsgehalt nicht zugeordnet werden könne. Aus der Bekannt-
heit der Herkunftsangabe und der Monopolstellung der Widerspruchsmarke folge
dagegen, dass der Bestandteil „Spa“ in der angegriffenen Marke eine selbständig
kennzeichnende Bedeutung behalte. Unter Berücksichtigung der zumindest engen
Warenähnlichkeit könne die Widerspruchsmarke einen weiten Abstand beanspru-
chen, der ersichtlich nicht eingehalten sei. Die Übereinstimmung der Wider-
spruchsmarke mit der Anfangssilbe der angegriffenen Marke reiche aus, da die
Endung „asia“ für die betroffenen Waren eine beschreibende Herkunftsangabe
darstelle. Jedenfalls sei wegen des gemeinsamen Bestandteils „SPA“ zumindest
eine mittelbare Verwechslungsgefahr zu befürchten.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle vom 2. August 2005 aufzuheben,
und regt hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Ferner beantragt sie die Aussetzung, hilfsweise das Ruhen des Verfahrens bis zur
rechtskräftigen Entscheidung in dem anderweitig anhängigen Löschungsverfahren
gegen die Widerspruchsmarke.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat weder einen Antrag gestellt noch sonst
eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren abgegeben. Den Termin zur mündli-
chen Verhandlung hat er nicht wahrgenommen.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Markenstelle hat nach Auffassung des Senats die Gefahr von Verwechslun-
gen zwischen den Marken zutreffend verneint und den Widerspruch zu Recht zu-
rückgewiesen.
Die Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichti-
gung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehen-
den Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeich-
neten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beur-
teilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch
einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und
umgekehrt (BGH in st. Rspr., vgl. WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907
- Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Benutzungsfragen sind nicht aufgeworfen. Zwar hat der Markeninhaber mit Schrei-
ben vom 4. Februar 2005 vor der Markenstelle die Benutzungseinrede erhoben,
die jedoch seinerzeit unzulässig war, da sich zu diesem Zeitpunkt die am 8. Au-
gust 2000 eingetragene Widerspruchsmarke noch in der fünfjährigen Benutzungs-
schonfrist befand; mangels hinreichend deutlicher Äußerung des Markeninhabers
dahingehend, dass er die Einrede aufrecht erhalte, kommt eine Umdeutung in eine
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Benutzungseinrede gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG nicht in Betracht (vgl.
Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 43 Rdn. 18 m. w. N.).
Demgemäß ist hinsichtlich der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen von der
Registerlage auszugehen. Insoweit stehen den Waren der angegriffenen Marke,
wie die Markenstelle zu Recht festgestellt hat, nur zum Teil identische oder ähnli-
che Waren gegenüber, während hinsichtlich der angegriffenen Dienstleistungen
eine erhebliche Ferne, wenn nicht sogar Unähnlichkeit zu den Widerspruchswaren
und -dienstleistungen besteht, so dass schon deshalb der Widerspruch erfolglos
bleiben muss. Dies gilt insbesondere für die Dienstleistungen der Klasse 41 der
angegriffenen Marke, die weder mit den Waren noch den Dienstleistungen der
älteren Marke ähnlich sind. Zwar mögen insofern Zusammenhänge bestehen, als
die Beratungsdienstleitungen oder Workshops die Waren und Dienstleistungen
der Widerspruchsmarke zum Gegenstand haben; dies allein reicht allerdings nicht
aus, um hinreichend enge Berührungspunkte herzustellen, die die Annahme der
beteiligten Verkehrskreise nahelegen könnten, dass die beiderseitigen Waren oder
Dienstleistungen, sollten sie sie mit identischen Marken gekennzeichnet sein, aus
demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Dagegen
spricht nämlich zum einen der unterschiedliche Charakter und der Einsatzzweck
der beiderseitigen Dienstleistungen und zum anderen die Tatsache, dass weder
die Waren noch die Dienstleistungen der Vergleichsmarken regelmäßig von den-
selben Unternehmen gleichzeitig als selbständige gewerbliche Tätigkeit angebo-
ten werden (vgl. dazu Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O. § 9 Rdn. 83 m. w. N.).
Aber auch soweit ähnliche oder sogar identische Waren und Dienstleistungen be-
troffen sind, scheidet eine Verwechslungsgefahr aus. Dabei kann es im vorliegen-
den Fall dahinstehen, ob der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungs-
kraft zuzusprechen ist, was angesichts der Bedeutung des englischsprachigen
Wortes „Spa“ im Sinne von „(Heil-)Bad, Heilquelle“ zumindest hinsichtlich der
Dienstleistungen „Betrieb von Bädern, Schwimmbädern und Saunen“ eher zweifel-
haft ist. Denn auch bei Anerkennung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft ist
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eine registerrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil die angegriffene
Marke selbst den dann strengeren Anforderungen an den erforderlichen Marken-
abstand noch genügt.
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit steht zwischen den Beteiligten im Grun-
de außer Streit, dass die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche Unterschiede auf-
weisen, weil sie in ihren Bestandteilen unterschiedliche Länge, Buchstaben und
Silbenzahl zeigen, was auch bei einem flüchtigen Verhalten weder überhört noch
übersehen werden kann.
Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit wäre nur denkbar,
wenn man aus der angegriffenen Marke den Bestandteil „Spa“ herausgreifen und
der Widerspruchsmarke isoliert kollisionsbegründend gegenüberstellen könnte,
was sich jedoch grundsätzlich verbietet, weil der Verkehr Zeichen regelmäßig so
auffasst, wie sie ihm entgegentreten, d.h. als einheitliches und eigenständiges Ge-
bilde (vgl. BGH GRUR 2004, 783 (784) - NEURO-VIBOLEX). Gleichermaßen wäre
es rechtsfehlerhaft, ohne Weiteres eine Zeichenkollision feststellen zu wollen, weil
sich die Buchstabenfolge der älteren Marke wie hier identisch in dem jüngeren
Zeichen wiederfindet. Eine Ausnahme ist nur denkbar, wenn in Kombinationsmar-
ken ein Bestandteil den Gesamteindruck der Marke allein prägt, weil etwa die übri-
gen Bestandteile wegen ihrer beschreibenden Bedeutung eindeutig nicht zur
Kennzeichnungskraft der Gesamtmarke beitragen und damit schon aus Rechts-
gründen bei der Kollisionsprüfung ausscheiden. Im vorliegenden Fall steht der Wi-
derspruchsmarke jedoch eine einheitlicher Fantasiebegriff gegenüber, der auch
nicht durch grafische Elemente zergliedert ist, so dass schon deshalb die Anwen-
dung der Grundsätze über die Prägung von Markenbestandteilen ausscheidet (vgl.
Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 9 Rdn. 218 f. m. w. N.).
Selbst wenn man der Argumentation der Widersprechenden folgen wollte, dass in
der angegriffenen Marke der kennzeichnungsschwache geografische Hinweis
„asia“ enthalten sei, so lässt sich daraus keine Verwechslungsgefahr nach dem
Gesamteindruck ableiten. Denn dieser bestimmt sich nicht aufgrund von zerglie-
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dernden analytischen Gedankenschritten, wobei der Verkehr im vorliegenden Fall
entscheiden müsste, ob in der angegriffenen Marke als Wortteil „spa“ oder „asia“
im Vordergrund steht, da beide Teile durch den gemeinsamen Buchstaben „a“ mit-
einander verschränkt sind. Insofern bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Verkehr
erfahrungsgemäß eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt (vgl. Hacker
a. a. O. Rdn. 214, 111 m. w. N.). Im Übrigen sind in einteiligen Marken selbst
kennzeichnungsschwache Bestandteile für den Gesamteindruck mit zu berück-
sichtigen (Hacker a. a. O. Rdn. 214 m. w. N.).
Soweit sich die Widersprechende auf die besondere Bedeutung übereinstimmen-
der Wortanfänge beruft, wogegen Endungen schnell untergehen könnten, so kön-
nen diese Bedenken im vorliegenden Fall nicht durchgreifen. Sowohl in klanglicher
als auch in schriftbildlicher Hinsicht sind die Unterschiede deutlich wahrzunehmen,
wobei der Klangeindruck der angegriffenen Marke durch die zwei weiteren Vokale
„ia“, die selbständige Silben bilden, mitbestimmt wird, von denen entweder der
eine oder der andere betont ist, so dass ein Verschlucken oder Überhören äußerst
unwahrscheinlich ist.
Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr scheidet aus. Abgesehen davon,
dass es sich um einen Ausnahmefall mit restriktiver Anwendung handelt, steht sei-
ner Annahme im vorliegenden Fall entgegen, dass „Spasia“ als ein einheitliches
Fantasiewort aufgefasst wird, in welchem die Widerspruchsmarke gerade nicht
nach Art eines eigenständigen Wortstamms hervortritt und deshalb den Verkehr
von der Vorstellung abhalten, es lägen Serienmarken eines Unternehmens vor
(vgl. Hacker a. a. O. Rdn. 326 m. w. N.).
Somit war die angefochtene Entscheidung der Markenstelle im vollen Umfang zu
bestätigen und die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
2. Für eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens gem. § 82 Abs. 1 S. 1
MarkenG i. V. m. § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung über das beim Bundesge-
richtshof anhängige Löschungsverfahren gegen die Widerspruchsmarke bestand
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keine Veranlassung, weil deren Fortbestand für die Entscheidung im vorliegenden
Verfahren kein vorgreifliches Rechtsverhältnis darstellt (vgl. Ströbele a. a. O., § 43
Rdn. 64), wobei insbesondere dahingestellt bleiben konnte, ob sich „Spa“ zu einer
beschreibenden Bedeutung weiterentwickelt hat.
3. Für die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den gesetz-
lichen Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 MarkenG. Da für den vorliegenden Fall
im Wesentlichen nur tatsächliche Umstände entscheidungserheblich und keine be-
sonderen Rechtsfragen zu klären sind, ist nicht ersichtlich, welche Rechtsfrage
von grundsätzlicher Bedeutung sich stellt bzw. aus welchem Grund eine höchst-
richterliche Entscheidung erforderlich sein soll.
4. Bei der Kostenentscheidung war eine einseitige Auferlegung der Kosten unter
Billigkeitsgesichtspunkten nach § 71 Abs 1 MarkenG nicht veranlasst.
Dr. Vogel von Falckenstein Richterin Winter ist wegen
Urlaubs an der Unterzeich-
nung gehindert.
Dr. Vogel von Falckenstein
Paetzold
Ko