Urteil des BPatG vom 04.07.2003

BPatG: unterscheidungskraft, verkehr, papier, wiedergabe, eugh, kennzeichnung, edelmetall, musik, unternehmen, radio

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 272/03
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 302 12 149.8
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
5. Juli 2005 durch den Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, den Richter
Schwarz und die Richterin Prietzel-Funk
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluss der Marken-
stelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
4. Juli 2003 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss vom 4. Juli 2003 die als Wortmarke für Waren der Klassen 9, 14, 16,
18, 21, 24, 25 sowie Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 angemeldete
Bezeichnung
Klassik am Odeonsplatz
nach §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zu-
rückgewiesen, weil es sich bei der angemeldeten Marke um eine Sachaussage
über die Art und das Thema der beanspruchten Waren und Dienstleistungen so-
wie über den geografischen Ort, an welchem sie angeboten bzw. erbracht würden,
handele, mit der darauf hingewiesen würde, dass Konzerte klassischer Musik un-
ter freiem Himmel am Münchener Odeonsplatz veranstaltet und im Wege des
Merchandising vermarktet würden; die angemeldete Marke sei daher zur Kenn-
zeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen als aus einem be-
stimmten Geschäftsbetrieb stammend nicht geeignet. Daran ändere auch der
Hinweis der Anmelderinnen auf Voreintragungen anderer Marken nichts.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die nicht begründete Beschwerde der An-
melderinnen. Sie halten das angemeldete Zeichen ebenso wie vergleichbare,
bereits eingetragene Marken („Rock am Ring“, „Rock im Jailhouse“, „Kino im
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Hafen Bremerhaven“, „Hackesches Hof Theater“, „Musical Theater Neuschwan-
stein“) für unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig.
Nach mündlicher Verhandlung und Übergang ins schriftliche Verfahren haben die
Anmelderinnen das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt einge-
schränkt:
„Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, elektrische, elek-
trotechnische und elektronische, fotografische, Film-, optische,
Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- Telekommunikations-
und Unterrichtsapparate und –instrumente;
Elektrische, elektrotechnische und elektronische Geräte und Mul-
timedia-Geräte, nämlich Geräte zur/zum Aufzeichnung, Aufnahme,
Empfang, Übertragung, Verarbeitung, Umwandlung, Ausgabe und
Wiedergabe von Daten, Sprache, Text, Signalen, Ton und Bild;
Waren der Unterhaltungselektronik, nämlich Radio- und Fernseh-
empfänger, Ton- und/oder Bildaufzeichnungs- und –wieder-
gabegeräte, auch tragbar und für digitale Bild-Tonsignale; Ver-
kaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate;
Registrierkassen; Feuerlöschgeräte; Edelmetalle und deren Le-
gierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren,
soweit in Klasse 14 enthalten;
Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmess-
instrumente; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Mate-
rialien, insbesondere Briefpapier, Verpackungsbehälter, Verpak-
kungstüten, soweit in Klasse 16 enthalten; Buchhüllen, Schreib-
waren, einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; insbesondere
Kugelschreiber und Füller, Schüleretuis (ausgenommen aus Le-
der), Bleistiftdosen, Bleistifthalter, Bleistiftverlängerer, Bleistiftspit-
zer; Notizbücher, Notiztafeln, Adressbücher, Briefmappen, Akten-
deckel und –hefter, Kalender, Alben, Briefbeschwerer, Brieföffner,
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Schreibunterlagen, Lineale, Radiergummis, Bücher- und
Lesezeichen; Rubbelbilder, Geschenkpapier, Geschenkanhänger
aus Papier und Pappe; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren
oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel;
Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr-
und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse
16
enthalten; Drucklettern: Druckstöcke; Leder und Lederimitationen
sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, Häute und
Felle; Reise- und Handkoffer, Reisetaschen, Rucksäcke;
Brieftaschen, Geldbörsen, Kartentaschen; Dokumentenkoffer und
–Mappen, Notenmappen, Aktentaschen; Einkaufstaschen;
Handtaschen; Verpackungsbeutel, Schlüsseletuis;
Federführungshülsen; Regenschirme, Sonnenschirme und
Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattelwaren; Ge-
räte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall
oder plattiert, insbesondere Abfalleimer und Eimer aller Art; Be-
cher, Bierkrüge; Krüge und Kannen, nicht aus Edelmetall; Glasbe-
hälter, Trinkgläser, Glasballons, Glaskugeln, bemalte Glaswaren,
Flaschen; Mixbecher; Papier- und Plastikbecher; Papierteller; Pro-
viantdosen; Flaschenöffner; Korkenzieher; Salz- und Pfeffer-
streuer; Zuckerdosen; Isolierbehälter,-gefäße und –flaschen; Kühl-
flaschen; Kühltaschen; Küchengeschirr, Kaffeeservice, Trinkge-
fäße, Tassen; Schalen; Eiskübel; Tabletts; Grillroste, Grillständer;
Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln);
Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlspäne; rohes oder teil-
weise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren,
Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Leuchter,
nicht aus Edelmetall, Kerzenleuchter; Statuen und Statuetten aus
Porzellan, Ton oder Glas; Steingutware; Vasen; Toiletten-
necessaires; Handbetätigte Putzgeräte; Haushaltshandschuhe;
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Putztücher, Reinigungstücher; Blumentöpfe und –übertöpfe; In-
sektenfallen; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24
enthalten, insbesondere Drucktücher und Wandbekleidungen aus
textilem Material; Leinwand; Etiketten aus textilem Material;
Kissenbezüge, Bett- und Tischdecken, Textildecken; Schutz-
überzüge für Möbel; Textilgesichtstücher, -handtücher, -servietten,
Taschentücher; Gläsertücher, Gummitücher, Haushaltswäsche.
Werbung; Merchandising; Geschäftsführung; Unternehmensver-
waltung; Büroarbeiten. Erziehung; Ausbildung; Sportliche Aktivi-
täten; Vermietung, Filmvorführung, Künstlervermittlung, Vermie-
tung von Bühnendekorationen. Verpflegung; Beherbergung von
Gästen; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheits-
pflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der
Landwirtschaft; Rechtsberatung und –vertretung; wissenschaftli-
che und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die
Datenverarbeitung; Verwertung von Film-, Fernseh- und Musik-
und sonstigen Rechten.“
II
Die nach den §§ 64, 66, 165 Abs. 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde ist be-
gründet, weil der Eintragung der Anmeldemarke nach der Einschränkung des Wa-
ren- und Dienstleistungsverzeichnisses keine absoluten Schutzhindernisse nach
§ 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen; insbesondere kann dem angemeldeten Zei-
chen das nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Mindestmaß an Unterschei-
dungskraft nicht abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003,
187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Phi-
lips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 –
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St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 – Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom
durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsver-
braucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 –
SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistun-
gen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu
werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl.
BGH, GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH;; BGH GRUR 2001, 413, 415 -
SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn
die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der
beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen
sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im
Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001,
1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR
2001, 162, 163 m.w.N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei
Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 – Unter uns;
WRP 2000, 298, 299 – Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 – Partner with the
best; GRUR 2001, 1047, 1048 – LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR
2001, 735, 736 – „Test it.“; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft) der Fall
ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammenge-
setzt, ohne sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden
Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinnge-
halt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn
es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten
Begriff handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD). Nach diesen Grundsät-
zen weist die angemeldete Bezeichnung das erforderliche Mindestmaß an Unter-
scheidungskraft auf.
Allerdings ist der Markenstelle entgegen der Ansicht der Anmelderinnen darin zu-
zustimmen, dass der angemeldete Gesamtbegriff „Klassik am Odeonsplatz“ von
den angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich wegen der Art der
beanspruchten Waren und Dienstleistungen um alle inländischen Verbraucher
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handelt, ohne weiteres Nachdenken lediglich als (Sach-) Hinweis darauf verstan-
den wird, dass an einem bestimmten geografischen Ort, nämlich dem Ode-
onsplatz, Aufführungen klassischer Musik oder klassischer Theaterstücke stattfin-
det. Der Verkehr wird die Wortfolge dabei nicht nur dann in diesem ausschließlich
beschreibenden Sinne verstehen, wenn er ihr in Zusammenhang mit den Dienst-
leistungen begegnet, welche – wie die Dienstleistung „kulturelle Aktivitäten“ - sol-
che Aufführungen zu ihrem unmittelbaren Gegenstand haben, sondern auch dann,
wenn er sie bei Waren oder Dienstleistungen wahrnimmt, die typischerweise der
(weiteren) Vermarktung solcher Ereignisse dienen, wie dies beispielsweise bei
Ton- und Bildträgern und Druckereierzeugnissen, aber auch bei Bekleidungsstü-
cken der Fall ist.
Bei den Waren und Dienstleistungen, für welche die Anmelderinnen die Ein-
tragung der angemeldeten Bezeichnung nunmehr nur noch begehren, handelt es
sich aber nicht (mehr) um solche Produkte und Tätigkeiten, die typischerweise mit
der Durchführung solcher Veranstaltungen in derart unmittelbarer Verbindung
stehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Anmeldemarke nur einen für
diese Waren und Dienstleistungen beschreibenden Sachhinweis entnehmen
würden. So liegt es für den Verkehr etwa fern, die angemeldete Kennzeichnung
allein als Hinweis auf die Aufführung klassischer Musik oder Theaterstücke am
Münchener Odeonsplatz zu verstehen, wenn er ihr an den beanspruchten Waren
der Klasse 9 – etwa bei elektronischen Geräten - begegnet; denn auch wenn
diese grundsätzlich zur Wiedergabe von Ton und ggf. Bild geeignet sind, wird der
Verkehr aufgrund der angemeldeten Bezeichnung keine Veranlassung zu der
Annahme haben, dass sie auf die Wiedergabe einer ganz bestimmten Ver-
anstaltung spezialisiert seien, weil bei diesen Geräten die technische Wieder-
gabefunktion als solche ohne Beschränkung auf einen bestimmten Inhalt im
Vordergrund steht. Auch bei den übrigen beanspruchten Waren und Dienst-
leistungen, die von sich aus keinen Zusammenhang mit einer
kulturellen Veranstaltung aufweisen, bedürfte es schon weiterer
Überlegungen des Verkehrs, um der Anmeldemarke einen diese Produkte
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beschreibenden Sinngehalt zu entnehmen; zu solchen analysierenden Be-
trachtungen neigt der Verkehr aber erfahrungsgemäß nicht (st. Rspr., vgl. BGH
GRUR 1992, 515, 516 – Vamos; BGH GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH).
Da auch keine Anhaltspunkte für eine Schutzversagung aus sonstigen Gründen
ersichtlich sind, war auf die Beschwerde der Anmelderinnen der Beschluss der
Markenstelle aufzuheben, mit welcher die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Dr. van Raden
Prietzel-Funk
Schwarz
Na