Urteil des BPatG vom 22.03.2000

BPatG: marke, unternehmen, rückzahlung, hersteller, konsum, herstellungsweise, verzicht, bekleidung, kennzeichen, kenntnisnahme

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 20/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 398 23 062.5
BPatG 154
6.70
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hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 22. März 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel sowie der Richterinnen Grabrucker und Martens
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden sowie ihr Antrag auf
Rückzahlung der Beschwerdegebühr werden zurückgewie-
sen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 15. Mai 1998 erfolgte Eintragung der für "Juwelierwaren, Schmuck-
waren, Edelsteine, Uhren und Zeitmeßinstrument" geschützten Marke 398 23 062
Pharao
ist Widerspruch erhoben worden aus der für
"Motorradbekleidungsstücke, Stiefel, Rucksäcke"
unter der Nummer 2 053 752 seit 10. Januar 1994 eingetragenen Marke
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siehe Abb. 1 am Ende
Die Markenstelle hat den Widerspruch aufgrund fehlender Warenähnlichkeit
zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehlten beachtliche Berüh-
rungspunkte zwischen den Waren, die zumindest die Annahme einer geringen
Ähnlichkeit rechtfertigen würden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, daß
die sich gegenüberstehenden Waren enge Berührungspunkte aufwiesen. Die
Hersteller der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren brächten auch
Accessoires auf den Markt, wie sie den Waren der angegriffenen Marke entsprä-
chen. Hinzu komme die vorliegende Markenidentität, da der übereinstimmende
Bestandteil "Pharao" innerhalb der mehrgliedrigen Widerspruchsmarke eine den
Gesamteindruck prägende Wirkung und eine damit selbständig kennzeichnende
Stellung im Gesamtzeichen habe. Die Bildbestandteile - zwei die Umrahmung dar-
stellende Dreiecke und ein unterer Balken - seien übliche und wenig phantasie-
volle Verzierungen, denen das Publikum keine besondere Aufmerksamkeit
schenke und die nicht in Erinnerung blieben.
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Die Widersprechende stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluß des DPMA aufzuheben, die
angegriffene Marke zu löschen und die Rückzahlung der
Beschwerdegebühr anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist bereits für
unzulässig. In der Sache selbst weist sie hinsichtlich der Warenähnlichkeit darauf
hin, daß sich ein Vergleich mit bekannten Modeherstellern wie Esprit und Stefanel
verbiete, da die Widersprechende als Spezialanbieterin von Motorradbekleidung
keine Kollektionslinie außerhalb der angemeldeten Waren anbieten könne. Was
die Marke betreffe, sei die Herauslösung des Wortelements "Pharao" aus der
Widerspruchsmarke eine unzulässige Abspaltung, aus der keine isolierten
Schutzrechte geltend gemacht werden könnten.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig gem § 66 Abs 1 und 2 MarkenG. Die gesetzlich
vorgesehene Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses ist mit
Eingang der Beschwerde am 17. Juli 1999 beim DPMA ausweislich des sich bei
den Akten befindenden Empfangsbekenntnis des Vertreters der Markenin-
haberin eingehalten (§§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 BGB). Aus dem Empfangsbe-
kenntnis ist als Absendedatum des Beschlusses beim DPMA der 14. Juni 1999
und als dessen Zustellungsdatum beim Empfänger der 17. Juni 1999 zu erse-
hen. Die Fristberechnung erfolgt nach ständiger Rechtsprechung für jeden Ver-
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fahrensbeteiligten im Hinblick auf das ihn betreffende Zustellungsdatum selb-
ständig (30 W (pat) 46/99 Beschl. vom 20. September 1999 - COSMOS; BPatG
BlPMZ 96, 467; 97, 231; sowie Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 66
Rdn 33). Dies trägt der Tatsache möglicher unterschiedlicher Absendedaten
- wie im vorliegenden Verfahren an die Widersprechende am 17. Mai 1999 und
an die Markeninhaberin am 14. Juni 1999 - Rechnung.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Nach ständiger Rechtsprechung
(EuGH WRP 1998, 39, 41 - Sabel/Puma) ist die Verwechslungsgefahr unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Eine Marke ist
gem § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu löschen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähn-
lichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität
oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum
die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die
Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.
2.1. Da Benutzungsfragen keine Rolle spielen, ist von der Registerlage auszu-
gehen.
2.2. Zur Feststellung der Warenähnlichkeit zwischen den für die Marken bean-
spruchten sich gegenüberstehenden Waren müssen die verwechslungsrele-
vanten Ähnlichkeitskriterien der Waren bestimmt werden. Die Gefahr von
Verwechslungen bei Verwendung einer mit der älteren Widerspruchsmarke
identischen angemeldeten Marke für andere Erzeugnisse als diejenigen, für
die die Widerspruchsmarke Schutz beanspruchen kann, kommt nämlich nur
dann in Betracht, wenn zwischen den betreffenden Erzeugnissen so enge
Beziehungen bestehen, daß sich den Abnehmern, wenn sie an den Waren
das Zeichen angebracht sehen, der Schluß aufdrängt, diese Waren stamm-
ten vom selben Unternehmen (BGH WRP 1998, 747, 749 - GARIBALDI).
2.3. Das erfordert eine umfassende Berücksichtigung der maßgeblichen wirt-
schaftlichen Zusammenhänge, die das Verhältnis zwischen den Waren
kennzeichnen. Hierzu zählen ua die Herstellungsstätten und Vertriebswege
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der Waren, deren stoffliche Beschaffenheit und Zweckbestimmung oder Ver-
wendungsweise, inwieweit sie einander ergänzen oder miteinander konkur-
rieren sowie im übrigen Berührungspunkte bei den Verkaufs- und Angebots-
stätten (BGH MarkenR 1999, 93 - Tiffany). Aus den vom Senat getroffenen
Feststellungen und den sich daraus ergebenden vorliegenden tatbestandli-
chen Voraussetzungen ergibt sich keine Ähnlichkeit der Waren miteinander.
2.4. Hinsichtlich der Ware "Edelsteine" ist es offensichtlich, daß diese mit den
Waren der Markeninhaberin, nämlich "Motorradbekleidung, Stiefel, Ruck-
säcke" keinerlei Berührungspunkte aufweist, die auf eine gemeinsame
Ursprungsidentität beider Waren schließen ließe. Aber auch zwischen
"Juwelierwaren, Schmuckwaren, Uhren und Zeitmeßinstrumenten" der ein-
getragenen Marke einerseits und den Waren der Widerspruchsmarke ande-
rerseits liegt ein sehr deutlicher Unterschied in ihrer Beschaffenheit und
Grundkonsistenz. Die Waren der Markeninhaberin sind überwiegend aus
Metall geformt oder damit verbunden, die der Widersprechenden jedoch aus
Leder, Lederimitation oder Plastik. Bereits aus Gründen der Bearbeitung und
Herstellungsweise dieser sich gegenüberstehenden Waren mit unterschied-
lichen Geräten sowie Fachkräften einer völlig anderen Ausrichtung wird der
Verkehr sie unterschiedlichen Unternehmen zuordnen. Schmuck und Uhren
werden in der Regel in Präzisionsarbeit hergestellt und es bedarf eines qua-
lifizierten Personals, wie Goldschmieden oder Uhrmachern, die sich beson-
derer zur Anfertigung der Waren geeigneter Arbeitsinstrumente bedienen.
Diese sind idR Präzisionsinstrumente besonderer Art, die in keiner Weise bei
der Anfertigung der Waren des Widerspruchszeichens herangezogen werden
können. Bei letzteren steht vielmehr die Fachrichtung der Schneiderei in
einer Spezialausrichtung sowie der Lederverarbeitung und der Schuh-
macherei mit speziellen Nähmaschinen im Vordergrund. Bereits diese
grundlegenden unterschiedlichen Voraussetzungen bei der Herstellung der
Waren geben keinen Anlaß für die Vorstellung beim Publikum, wenn es die
Marke sieht, es mit einer gemeinsamen Herstellungsstätte zu tun zu haben
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und zwar im Sinne der Ursprungsidentität der Waren, verbunden mit der
Qualitätsverantwortung für sie. Dem entsprechen die tatsächlichen Fest-
stellungen des Senats anhand von Prospektkatalogen und Werbematerial,
die er mit den Beteiligten in der von diesen nicht wahrgenommenen mündli-
chen Verhandlung erörtert hätte. Auf dem Warensektor der "Motorradbeklei-
dung, der Stiefel und Rucksäcke" werden von den dort auftretenden Herstel-
lern nicht gleichzeitig die von der Markeninhaberin beanspruchten Waren
zum Kaufe angeboten oder beworben. Beide Warenbereiche haben je für
sich einen völlig unterschiedlichen Marktauftritt. Die sich gegenüberstehen-
den Waren ergänzen sich auch nicht in dem Sinne, daß sie notwendiger-
weise beim Konsum aufeinandertreffen und einem bestimmten Verwen-
dungszweck zu dienen geeignet sind. Aus dem Prospekt- und Katalogmate-
rial geht vielmehr hervor, daß weder die Stiefel, noch die Motorradkleidung
selbst, noch Rucksäcke mit irgendwelchem Schmuck verbunden sind. Auch
Uhren spielen keine sichtbare oder erkennbare Rolle beim Tragen der
Waren. Vielmehr legt im Gegenteil der Trend zu "coolness" den Verzicht auf
derartige schmückende Waren nahe. Damit können sie auch nicht als "Zu-
behörartikel" gewertet werden und in den weiteren Ähnlichkeitsbereich ein-
bezogen werden, was bei den von der Widersprechenden zitierten Entschei-
dungen (Richter/Stoppel, 11. Aufl S 83) der Fall war. Dort war nämlich
Modeschmuck in der Form von Schnallen, Gürteln oder Broschen als
Damenbekleidung ergänzende, weil schmückende, übliche oder notwendige
Zubehörartikel angesehen und deshalb entfernte Warenähnlichkeit zwischen
diesen und "Damenbekleidung" angenommen worden. Für eine Übertragung
dieser Warensituation auf den vorliegenden Fall, wie von der Wider-
sprechenden behauptet, fehlt jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkt.
2.5. Auch die Vertriebswege der Vergleichswaren überschneiden sich aufgrund
ihrer spezialisierten Ausrichtung und ihrer unterschiedlichen Verwendungs-
zwecke nicht. Es mag zwar sein, daß große Unternehmen der Bekleidungs-
industrie im Sinne der "Bekleidung" als Oberbegriff einzelne Produktlinien,
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wozu unter Umständen auch gelegentlich Rucksäcke als Teil eines bestimm-
ten trendmäßigen "outfits" gehören, mit Uhren oder anderen Schmuckele-
menten verbunden anbieten. Dies ist jedoch nicht übertragbar auf die von der
Widersprechenden in Anspruch genommenen Spezialwaren. Hier ist die
Wahrscheinlichkeit der unter einen Oberbegriff fallenden Waren, die sich
möglicherweise begegnen können, ausgeschlossen. Ihr Auftritt ist durch die
gegebene Spezialität so eingeschränkt, daß sich daraus keine Verbindungen
im Warenverkehr ergeben. Daher wird der Verkehr auch nicht bei der
Wahrnehmung der beiden Kennzeichen, die damit beanspruchten Waren
einem Hersteller zuordnen.
Kann somit zwischen den sich gegenüberstehenden Waren keine Ähnlichkeit im
Rechtssinne festgestellt werden, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
3. Für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr bestand keine Veranlassung,
denn es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, daß die Marken-
stelle den Schriftsatz vom 3. Mai 1999 nicht mehr in die Gründe des Beschlus-
ses vom 18. März 1999, der erst am 17. Mai 1999 abgesandt worden war, mit-
einbezogen hat. Für eine derartige Beeinträchtigung ist Voraussetzung, daß die
Entscheidung darauf beruht. Das ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen
werden kann, daß die Kenntnisnahme des Schriftsatzes zu einer anderen,
günstigeren Entscheidung geführt hätte (BVerfGE 62, 392, 396). Dies ist hier
jedoch nicht der Fall, denn die Rechtsfragen, die die Markenstelle zu entschei-
den hatte, konnten auch unter Kenntnis der Ausführungen im Schriftsatz vom
3. Mai 1999 nicht anders beurteilt werden. Darüber hinaus ist die Beeinträchti-
gung auch dadurch geheilt, daß der Senat im Beschwerdeverfahren vor dem
Bundespatentgericht die Ausführungen der Widersprechenden miteinbezog und
sich in seiner Entscheidung damit auseinandersetzte (BVerfG aaO S 397).
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Der Senat sah keine Veranlassung einem der Beteiligten die Kosten des
Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG).
Vorsitzender Richter Stoppel
ist wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung verhin-
dert.
Grabrucker
Martens
Grabrucker
Fa
Abb. 1