Urteil des BPatG vom 29.11.2000

BPatG (verwechslungsgefahr, marke, kennzeichnungskraft, gefahr, benutzung, beschwerde, aufmerksamkeit, kaffee, beurteilung, publikum)

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 82/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
29. November 2000
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 397 04 136
BPatG 154
6.70
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hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichs auf die
mündliche Verhandlung vom 29. November 2000 unter Mitwirkung der Vorsitzen-
den Richterin Winkler, des Richters Dr. Fuchs-Wissemann und der Richterin
Klante
beschlossen:
Die Beschwerde der Widesprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung
CEBELLA
für
Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes
Fleisch, Obst und Gemüse sowie hieraus fertig zubereitete Spei-
sen; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Kaffeeweißer auf
Eiweiß- oder Pflanzenbasis; Milch, Kondensmilch und Milchpulver
für Nahrungszwecke; Milchprodukte, Milch-Cremespeisen und
Dessertspeisen aus Milchprodukten; Milchgetränke; Kaffee,
Kaffee-Ersatzmittel, Tee und Kräutertee; Kakao; Schokolade,
Schokoladewaren, Süßwaren und Zuckerwaren; Kaffeegetränke,
Getränke aus Kaffee-Ersatzmitteln, Teegetränke, Kakaogetränke,
koffeinhaltige, teehaltige und kakaohaltige Getränke; kakaohaltige
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und schokoladehaltige Getränkepulver; Trinkschokolade; Nuß-
Nougat-Creme, Kakao- und Nußpasten; Getreidepräparate (aus-
genommen Futtermittel), Nudeln, Makkaroni und andere Teigwa-
ren; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Hefe, Backpulver,
Speiseeis, Essigsaucen (Würzmittel), Gewürze; Zucker, Fruchtzu-
cker, Invertzucker, Traubenzucker und Honig; Mehl, Grieß,
Leinsamen und Stärke für Nahrungszwecke; Trockenfrüchte;
Speiseeis, Speiseeispulver; fertige Backmischungen; Alkoholfreie
Getränke; alkoholfreie Fruchtgetränke, Fruchtteegetränke,
Fruchtsaftgetränke, Obstsäfte und Gemüsesäfte; Fruchtsirupe,
Schokoladensirupe und andere alkoholfreie Präparate für die
Zubereitung von Getränken; isotonische Getränke; zuckerhaltige
Getränkepulver zur Herstellung von alkoholfreien und isotonischen
Getränken; sämtliche vorgenannten Waren -
soweit möglich
-
auch in Instantform und auch für diätetische, nicht-medizinische
Zwecke
unter der Nr 397 04 136 in das Register eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke 2 020 149
Libella,
die Schutz genießt für
Aromatisierte Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte
sowie Grundstoffe, Essenzen und Präparate zur Herstellung alko-
holfreier Getränke
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Nachdem die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten
hatte, hat die Markenstelle für Klasse 30 den Widerspruch mit Beschluß vom
1. Juli 1998 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes wegen fehlender Ver-
wechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die den
Vergleichsmarken gemeinsame Endung "-ella" sei in überaus zahlreichen Dritt-
marken enthalten und damit kennzeichnungsschwach (unter Bezugnahme auf
Heil, Verwechslungsgefahr 1976 bis 1984, Anhang "Verbrauchte Wortendungen").
Auch wenn diese verbrauchten, kennzeichnungsschwachen Bestandteile bei der
Würdigung des Gesamteindrucks mitberücksichtigt werden müßten, sei das Publi-
kum zu größerer Aufmerksamkeit hinsichtlich der übrigen Bestandteile veranlaßt,
so daß bereits geringfügige Abweichungen ausreichten. An den ohnehin stärker
beachteten Wortanfängen wichen die Vergleichsmarken durch "CE-" und "Li"
klanglich und schriftbildlich hinreichend deutlich voneinander ab.
Nachdem die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaft-
machung der Benutzung und zur Geltendmachung einer erhöhten Kennzeich-
nungskraft eingereicht hatte, hat die Markenstelle - besetzt mit einer Beamtin des
höheren Dienstes - die Erinnerung durch Beschluß vom 1. Dezember 1999 eben-
falls wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung
wurde ausgeführt, selbst bei Unterstellung eines erhöhten Schutzumfangs der
Widerspruchsmarke für "alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte"
und Berücksichtigung einer teilweise gegebenen Warenidentität seien die Ver-
gleichsmarken ausreichend verschieden. Da das Zeichenelement "-ella" wegen
seines häufigen Vorkommens verbraucht sei, betrachte der Verkehr verstärkt die
übrigen Bestandteile. Demgemäß würden die markanten Abweichungen in den
Anfangssilben "CE-" gegenüber "Li-" nicht unbemerkt bleiben. Auch in klanglicher
Hinsicht werde sich selbst bei einer Betonung auf der jeweiligen Mittelsilbe die in
der Regel als "Zebella" wiedergegebene jüngere Marke markant von dem weich
und fließend klingenden Widerspruchswort "Libella" abheben, zumal sich diese
deutlichen Abweichungen am stärker beachteten Wortanfang befänden.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie macht eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend.
Sie habe erhebliche Umsätze in den letzten Jahren mit unter "Libella" vertriebenen
Produkten erzielt. Seit zwei Jahren betreibe sie intensive Werbung mit "Libella",
um die Marke "wieder in den Vordergrund zu rücken". Die Markenstelle habe bei
ihrer Entscheidung nicht den Beschluß des Bundespatentgerichts vom
23. Juli 1977 - 24 W (pat) 316/75 berücksichtigt, wonach eine Kollisionsgefahr
zwischen "Libella/Bizzella" für gleiche und gleichartige Waren festgestellt worden
sei. Angesichts der hochgradigen Warenähnlichkeit und des erhöhten Schutzum-
fangs seien deshalb Verwechslungen nicht auszuschließen. Der Klang beider
Marken werde wesentlich von der gemeinsamen Lautfolge "(e)-ella" bestimmt. Die
Vokale "i" und "e" seien klanglich ähnlich. Die Kennzeichnungsschwäche der En-
dung "-ella" werde dadurch zurückgedrängt, daß der Ton beider Marken regelmä-
ßig auf der Mittelsilbe liege und der Wortteil "-ella" daher den Gesamtklang erheb-
lich mitpräge. Die Anfangslaute "C" und "L" seien nicht besonders deutlich ver-
schieden. Der Mitlaut "b'" sei in beiden Zeichenworten identisch enthalten. Außer-
dem handele es sich um Massenartikel, bei denen der Verbraucher keine allzu
große Aufmerksamkeit aufwende.
Sie beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse vom 1. Juli 1998 und 1. Dezember 1999 aufzuhe-
ben und die angegriffene Marke für "alkoholfreie Getränke, alko-
holfreie Fruchtgetränke, Fruchtteegetränke, Fruchtsaftgetränke,
Obst- und Gemüsesäfte, isotonische Getränke" und außerdem für
"Sirupe und andere alkoholfreie Präparate für die Zubereitung von
Getränken" zu löschen.
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Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet nach wie vor die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchs-
marke, weil sich aus der eidesstattlichen Versicherung nicht ergebe, wie sich die
angegebenen Mengen auf die einzelnen Waren verteilten. Dies sei notwendig ge-
wesen, um festzustellen, für welche Waren im einzelnen die Widerspruchsmarke
rechtserhaltend benutzt worden sei. Auch sei der Gesamtumsatz nicht geeignet,
im Vergleich mit dem Umsatz aller Getränkehersteller zu einer gesteigerten Kenn-
zeichnungskraft gelangen zu können. Eine erhöhte Verkehrsbekanntheit hätte sich
nur durch eine Verkehrsbefragung annähernd zutreffend ermitteln lassen.
Eine Verwechslungsgefahr aus der Entscheidung 24 W (pat) 326/59 herleiten zu
wollen, sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil in dem dortigen Fall die ersten,
stärker kennzeichnenden Silben "Li-" und "Bi-" im Vokal übereinstimmten. Die Wi-
derspruchsmarke "Libella" sei wesensgleich mit "Libelle", womit jedermann im
deutschen Sprachraum ein Insekt verbinde.
II.
Die nach § 66 Abs 1, 2 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde der Widerspre-
chenden ist unbegründet, da eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken im
Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht.
Nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähn-
lichkeit mit einer eingetragenen älteren Marke und der Ähnlichkeit der durch die
beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr
von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken ge-
danklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechs-
lungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu
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beurteilen (EuGH WRP 1998, 39, 41 "Sabèl/Puma"). Die markenrechtliche Ähn-
lichkeit ist hierbei nach den die Vergleichsmarken unterscheidenden und dominie-
renden Elementen zu beurteilen (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 "Lloyd";
BGH GRUR 2000, 506, 509 "ATTACHÉ/TISSERAND").
Hiernach ist eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken nicht gegeben. Für
die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kann eine rechtserhaltende Benutzung
der Widerspruchsmarke und eine erhebliche Warennähe unterstellt werden, so
daß grundsätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind
(BGH GRUR 1995, 216, 219 "Oxygenol II"). Dabei kann aber nur von einer nor-
malen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden, nach-
dem die Markeninhaberin eine erhöhte Verkehrsbekanntheit bestritten hat. Wenn-
gleich das Bestreiten nicht dazu führt, daß die Behauptung einer gesteigerten
Kennzeichnungskraft schlechthin unberücksichtigt bleibt, muß doch eine ab-
schließende Beurteilung ohne weitere Ermittlungen möglich sein (BPatG
GRUR 1997, 840, 842 "Lindora/Linola"). Die angegebenen Umsatzzahlen erlau-
ben keine hinreichend klaren Rückschlüsse auf einen durch entsprechende Be-
kanntheit gesteigerten Schutzumfang (vgl die - in Kurzform bei PAVIS veröffent-
lichten
- Entscheidungen des BPatG 25
W
(pat) 267/99; 25 W (pat) 527/98;
25 W (pat) 130/98; 30 W (pat) 19/95, 30 W (pat) 127/99; 33 W (pat) 163/98; vgl
auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 139), da in der Regel nur
Verkehrsbefragungen oder möglicherweise ein vergleichsweise hoher Werbeauf-
wand zeigen können, inwieweit eine Marke den Verbrauchern bekannt ist. Dazu
hat die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung sogar einräumen müs-
sen, daß sie erst seit zwei Jahren durch eine Intensivierung der Werbung ver-
sucht, die Widerspruchsmarke "wieder in den Vordergrund zu rücken", ein Um-
stand, der nicht geeignet ist, eine durch Bekanntheit gesteigerte Kennzeichnungs-
kraft zum Zeitpunkt der Anmeldung (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 139),
im Januar 1997 zu belegen.
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Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und
einer erheblichen Warennähe reichen die zwischen den Vergleichsmarken beste-
henden Unterschiede aus, um ein sicheres Auseinanderhalten gewährleisten zu
können. Wenngleich die sich gegenüberstehnden Marken lediglich in den ersten
beiden Buchstaben "CE-" und "Li-" voneinander abweichen, ist der Verkehr wegen
der häufig vorkommenden und damit verbrauchten Endung "-ella" bzw "bella" (vgl
Heil, Verwechslungsgefahr 1976 bis 1984, Anhang Wort-Endungen, S 189) ge-
zwungen, besonders auf die sonstigen Unterschiede zu achten (vgl BGH
GRUR 2000, 605, 606 "comtes/ComTel"). Da sich die Abweichung zudem am er-
fahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang befindet, werden die Unterschiede
sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht nicht unbemerkt bleiben.
Akustisch weichen das "C" und das "L" deutlich voneinander ab. Sowohl bei einer
Aussprache des "C" in "Cebella" wie "Z" als auch (wie in "Cello") "Tsch" besteht
eine erhebliche klangliche Abweichung zu dem "L" in "Libella". Zudem tragen auch
die Unterschiede in den Vokalen "e" und "i" zu einem unterschiedlichen Ge-
samteindruck bei. Darüber hinaus erinnert die Widerspruchsmarke "Libella" an die
jedermann geläufige Bezeichnung "Libelle" (Insekt und Haarspange) so daß auch
dieser ohne weiteres erkennbare Begriffsanklang der Gefahr von Verwechslungen
zusätzlich entgegenwirkt.
Darüber hinaus besteht auch nicht die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen.
Die Vergleichsmarken unterscheiden sich sowohl bei Klein- als auch Großschrei-
bung hinreichend deutlich voneinander. Angesichts der verstärkten Aufmerksam-
keit, die dem Wortanfang ohnehin und wegen der verbrauchten Endung im vorlie-
genden Fall in besonderem Maße zukommt, führen die Unterschiede in den
Buchstaben "CE(ce)" und "LI(li)" zu deutlich erkennbaren figürlichen Abweichun-
gen.
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Die Entscheidung des 24. Senats vom 23. Juli 1977 - 24 W (pat) 316/75 - worin
eine Kollisionsgefahr zwischen "Libella/Bizella" festgestellt worden war, führt zu
keiner anderen Beurteilung. Die dort zu beurteilenden Marken sind schon deshalb
nicht mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar, weil "Bizzella" als zwei-
ten Buchstaben denselben Vokal wie "Libella" aufweist.
Eine Kostenauferlegung ist nach der Sach- und Rechtslage nicht veranlaßt (§ 71
Abs 1 MarkenG).
Winkler Dr.
Fuchs-Wissemann Klante
br/Hu/Na