Urteil des BPatG vom 22.03.2000

BPatG: verkehrsdurchsetzung, patent, form, behandlung, zubehör, markenregister, wortzeichen, unterscheidungskraft

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 134/99
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
22. März 2000
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 14 837.6
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 22. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter
Stoppel, die Richterin Martens und den Richter Sekretaruk
beschlossen:
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen
Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 10 - vom
29. Januar 1999 und vom 6. Juli 1999 aufgehoben und das
BPatG 154
6.70
- 2 -
Verfahren zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das
Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist das Wortzeichen
H.E.L.P.
nach Änderung des Warenverzeichnisses nun für die Waren
"Apparate, Instrumente, Geräte zur Behandlung von Stoff-
wechselerkrankungen sowie dafür vorgesehene pharmazeu-
tische und veterinärmedizinische Erzeugnisse und Präpa-
rate".
Die Markenstelle hat die Anmeldung zurückgewiesen und zur Begründung ausge-
führt:
"Help" sei ein Wort des englischen Grundwortschatzes und mit der allgemeinen
Übersetzung "Hilfe" den Verkehrskreisen bekannt. Es handele sich um ein waren-
anpreisendes Schlagwort in dem Sinne, daß die Waren eine Hilfe bzw ein Hilfs-
mittel für bestimmte Tätigkeiten darstellten. Selbst wenn der von der Anmelderin
interpretierte Sinngehalt als Kürzel für "heparininduzierte extrakorporale LDL-Prä-
zipitation" von den Verkehrskreisen erkannt werde, bestehe auch insoweit ein un-
mittelbarer Warenbezug. Aus diesem Grunde sei das angemeldete Zeichen frei-
haltebedürftig und entbehre auch jeglicher Unterscheidungskraft, zumal der Ver-
kehr den verwendeten "Stolperpunkten", als weit verbreitetes Gestaltungsmittel
- 3 -
der Produktwerbung, keine vom Wortsinn des angemeldeten Zeichens wegfüh-
rende Bedeutung zumessen würde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die nun beantragt,
das Zeichen aufgrund Verkehrsdurchsetzung einzutragen.
Sie macht geltend, daß bis zum Anmeldetag mit "H.E.L.P." gekennzeichnete Me-
dizinprodukte im Werte von etwa 163 Millionen umgesetzt wurden, für Werbe-
maßnahmen, die sich ausschließlich an das Fachpublikum der Ärzte richten,
1,5 Millionen aufgewendet wurden und die Anmelderin als einzige Anbieterin des
Verfahrens "Heparininduzierte extrakorporale LDL-Präzipitation" eine Marktfüh-
rerstellung im Bereich der Behandlung von Fettstoffwechselerkrankungen ein-
nimmt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nach Umstellung des Beschwerdeantrags auf Ein-
tragung der Marke aufgrund Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs 3 MarkenG) insoweit
begründet, als die Sache zur Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurch-
setzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen war (§ 70
Abs 3 Nr 3 MarkenG).
Beruft sich die Anmelderin im Beschwerdeverfahren auf Verkehrsdurchsetzung, so
hat sie deren Voraussetzungen zunächst schlüssig darzulegen. Dies erfordert
Angaben, aus denen sich ergibt, in welcher Form, für welche Waren, von wem, auf
welchem Gebiet und in welchem Umfang sowie seit wann das angemeldete
Zeichen im Verkehr nach Art einer Marke eingesetzt worden ist. Hierfür geeignete
Belege sind insbesondere Warenkataloge, Preislisten, Werbematerial sowie An-
gaben über Umsätze und Werbeaufwendungen. Eine bedeutende Rolle können in
- 4 -
diesem Stadium auch vom Anmelder in Auftrag gegebene Verkehrsbefragungen
spielen. Sinn dieses Verfahrens ist es, zu verhindern, daß in von vornherein aus-
sichtslosen Fällen arbeits- und kostenaufwendige Ermittlungen, insbesondere in
Form amtlicher Befragungen durch das Patentamt angestellt werden, die erkenn-
bar nicht zum Erfolg führen können. Das bedeutet aber umgekehrt, daß an die
schlüssige Darlegung der Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung keine
überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, zumal andernfalls auch der
Eintragungsanspruch des Anmelders nach § 33 Absatz 2 Markengesetz unterlau-
fen werden würde.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze reicht der Vortrag der Anmelderin aus,
die behauptete Verkehrsdurchsetzung im Wege amtlicher Ermittlungen zu prüfen.
So hat die Anmelderin durch eine Kundenumfrage gezeigt, daß die angesproche-
nen fachärztlichen Verkehrskreise das beanspruchte Zeichen überwiegend der
Anmelderin zuordnen, wenn auch nicht übersehen werden darf, daß die Frage-
stellung in Ziffer 2 und 3 bereits den Zeichen-Aspekt vorwegnimmt, was allerdings
für die hier zu treffende summarische Entscheidung unschädlich ist. Des weiteren
hat die Anmelderin durch die Vorlage von Prospekten gezeigt, daß sie Geräte und
Zubehör, die für das "H.E.L.P.-Verfahren" mit dem angemeldeten Zeichen ge-
kennzeichnet sind, umfangreich herstellt und vertreibt. Da hohe Umsätze mit den
beanspruchten Waren auch schon vor dem Anmeldetag getätigt wurden und nicht
unerhebliche Werbeaufwendungen getätigt worden sind, erscheint die behauptete
Verkehrsdurchsetzung durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen, weshalb die
- 5 -
Sache zur Durchführung eines Verkehrsdurchsetzungsverfahrens an das Deut-
sche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen war.
Stoppel Martens
Sekretaruk
Ko