Urteil des BPatG vom 15.09.2003

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BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 3/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 199 36 126.6-12
hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 10. Januar 2007 unter Mitwirkung …
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 15. September 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.
B e z e i c h n u n g :
A n m e l d e t a g :
31. Juli 1999
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 12,
Beschreibung Seiten 1 bis 11 sowie
5 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 8c),
jeweils vom 14. Dezember 2006, eingegangen am
15. Dezember 2006.
Folgende Änderungen sind in den Unterlagen vorgenommen wor-
den:
Im Anspruch 11 ist nach dem Wort „System“ das Wort
„nach“ eingefügt worden.
Auf Seite
2 der Beschreibung, vierter Absatz, ist
„DE 44 22 211 C2“ in „DE 44 22 211 C1“ geändert, auf
Seite 6, zweiter Absatz, letzte Zeile, das Wort „und“
nach dem Wort „Geländer“ gestrichen worden.
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G r ü n d e
I
Die am 31. Juli 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Pa-
tentanmeldung 199 36 126.6 wurde nach Prüfung der Anmeldung durch Be-
schluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 15. September 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass es
ihrem Gegenstand an einer erfinderischen Tätigkeit mangele.
Zum Stand der Technik nennt die Prüfungsstelle die Patentdokumente bzw. Ver-
öffentlichung (Kurzbezeichnungen D1 bis D7)
D1
DE 44 22 211 C1
D2
DE 29 04 776 A1
D3
DE 295 00 655 U1
D4
WO 94/04860 A1
D5
DE 298 03 787 U1
D6
DE 43 36 401 A1 und
D7
W. Schäfer: Moderne Metallkleber unter besonderer
Berücksichtigung der Epoxydharze, DE-Z.: Feinge-
rätetechnik, 6. Jg., Heft 9, September 1957, S. 390-
393.
In der Beschreibung der Anmeldung sind zum Stand der Technik ferner genannt:
D8
US 3 233 871
D9
DE 89 05 325 U1 und
D10
DE 93 05 823 U1.
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Der Zurückweisungsbeschluss, dem die Patentansprüche 1 bis 9 der Anmelderin
vom 22. August 2000 zugrunde liegen, ist gestützt auf die Dokumente gemäß D1
und D2.
Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle richtet sich die Beschwerde der Patent-
anmelderin. Sie legt zuletzt am 15. Dezember 2006 neue, vollständige Unterlagen
(Ansprüche, Beschreibung, Zeichnungen) vom 14. Dezember 2006 vor und bittet,
diese dem nachgesuchten Patent zugrunde zu legen.
Sie stellt sinngemäß den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle vom 15. September 2003 aufzu-
heben und das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1
bis 12, der Beschreibung Seiten 1 bis 11 sowie der Figuren 1, 2a,
2b, 2c, 3, 3a, 4a, 4b, 4c, 5a, 5b, 6, 7, 8a, 8b und 8c, jeweils vom
14. Dezember 2006, zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Rohrverbindungssystem mit Verbindungselementen, die jeweils
einen Grundkörper (10, 50) aufweisen, der wenigstens einen
Zapfen (14, 54) zur formschlüssigen Aufnahme eines Rohrendes
(22) und wenigstens einen Einstich (15, 35, 55) zum Einpassen
eines mit dem Grundkörper (10, 50) verschraubbaren, mit einem
gleichartigen Zapfen (34) versehenen Abzweigkörpers (30, 60, 70)
hat, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Abzweigkörper
(30, 60, 70) und dem Grundkörper (10, 50) zur Winkeleinstellung
ein Paar (40) Ringscheiben (42, 46) angeordnet sind, die mit
- bezogen auf die Scheibenachse (A) - schrägen Flächen (43, 47)
flächenschlüssig aneinander liegen und relativ zueinander stufen-
los verdrehbar sind, und dass der bzw. jeder Abzweigkörper (30,
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60) einen zu seiner Achse (B) in spitzem Winkel verlaufenden Ein-
stich (35) mit einem Schraubkanal (37; 65) aufweist.
Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 12, die Weiterbildungen des Gegen-
standes nach Patentanspruch 1 betreffen, wird auf die Anlagen zum Schriftsatz
vom 14. Dezember 2006 verwiesen.
II
Die Beschwerde ist zulässig.
Sie hat auch Erfolg. Der Anmeldungsgegenstand in der Fassung der geltenden
Patentansprüche stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. § 1 bis § 5 PatG dar.
Die geltenden Patentansprüche 1 bis 12 sind zulässig. Ihre Merkmale sind ur-
sprünglich offenbart.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen
Druckschriften zeigt und beschreibt ein Rohrverbindungssystem mit sämtlichen
Merkmalen des Patentanspruchs 1.
Aus D5 (DE 298 03 787 U1) ist ein Rohrverbindungssystem mit den Merkmalen
des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bekannt (vgl. die mit Bezugszeichen versehe-
nen Figuren i. V. m. der Bezugszeichenliste und den Ansprüchen 1 bis 6). Es sind
dort jedoch keine Ringscheiben zur Winkeleinstellung zwischen Grundkörper
(Rohr- oder Eckverbinder 1) und Abzweigkörper (Anschlussstück 2) vorgesehen.
Die Schrift befasst sich nur mit rechtwinkeligen Anordnungen zwischen Grundkör-
per und Abzweigkörper.
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Gleiches gilt für das Rohrverbindungssystem nach D1 (DE 44 22 211 C1). Die
rechtwinkelig zur Grundkörperachse abzweigenden Rohrelemente (Abzweig-
stücke 39) können selbst zwar abgewinkelt ausgebildet sein. Der Winkel ist jedoch
nicht veränderbar. Er wird schon mit der Herstellung des Rohrelements vorge-
geben.
Mit dem Rohrmontagesystem nach D2 (DE 29 04 776 A1) können Rohrenden so
miteinander verbunden werden, dass die verbundenen Teile einen gekrümmten
Rohrverlauf ergeben, wobei der Grad der Krümmung durch zwei flächig anein-
anderliegende, zueinander verdrehbare Scheiben mit bezogen auf die Scheiben-
achsen schrägen Flächen einstellbar ist. Das bekannte Montagesystem zeigt je-
doch nicht auf, einen rohrförmigen Abzweigkörper in einen Einstich eines rohr-
förmigen Grundkörpers einzupassen und im Abzweigkörper einen Schraubkanal
zum Befestigen des Abzweigkörpers am Grundkörper vorzusehen, dessen Achse
in einem spitzen Winkel zur Achse des Abzweigkörpers verläuft.
Den übrigen Entgegenhaltungen sind keine Rohrverbindungen zu entnehmen, bei
denen Abzweigstücke mittels zweier aneinander anliegender und zueinander ver-
drehbarer Scheiben in ihrem Neigungswinkel gegenüber einem Grundkörper än-
derbar wären.
Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als hier zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur des Allgemeinen Maschinenbaus
anzusehen, der Geländer, Sicherheitsabsperrungen für Treppen, Geh- oder Fahr-
wege, Abtrennungen in Verkehrsmitteln wie Bussen, Zügen, etc. entwirft und dafür
Rohrkonstruktionen in Betracht zieht.
Ausgehend von einem die Oberbegriffsmerkmale des Anspruchs 1 zeigenden
Rohrverbindungssystem nach D5, bei dem ein Abzweigkörper (Anschlussstück 2,
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Rohr 3) in einen 90 Grad zur Längsachse eines Grundkörpers (Eckverbinder 1,
Rohr 3) verlaufenden Einstich (Ausnehmung 7) eingepasst und mit dem Grundkör-
per verschraubt wird, leitet sich die Aufgabe her, unter Beibehaltung einer einfa-
chen Montagemöglichkeit, eines stabilen Aufbaus ohne Vor- und Nacharbeit, einer
Unempfindlichkeit gegen Feuchte- und Schmutzeinwirkung und einer bequemen
Reinigungsfähigkeit ein Rohrverbindungssystem zu schaffen, das eine rasche Ein-
stellung unterschiedlicher Winkel der zu verbindenden Rohrteile zulässt (Beschrei-
bung S. 3, 4. Absatz).
Hierzu lehrt Anspruch 1 gemäß seinen kennzeichnenden Merkmalen, zwischen
dem Abzweigkörper und dem Grundkörper ein Paar Ringscheiben anzuordnen,
die flächenschlüssig aneinander liegen und relativ zueinander stufenlos verdreh-
bar sind, wobei die einander berührenden Scheibenflächen geneigt zur jeweiligen
Scheibenachse liegen, und ferner der Abzweigkörper einen Schraubkanal auf-
weist, der in einem spitzen Winkel zur Achse des Abzweigkörpers verläuft.
Durch Verdrehen der Scheiben relativ zueinander können innerhalb jeder gewähl-
ten Abzweigungsrichtung verschiedene Neigungswinkel des Abzweigkörpers ge-
genüber dem Grundkörper eingestellt werden. Der Einstellbereich ist dabei durch
die vorgegebenen Neigungswinkel der Scheibenflächen gegenüber ihren Schei-
benachsen begrenzt. Durch einen gegenüber der Achse des Abzweigkörpers un-
ter einem spitzen Winkel verlaufenden Einschraubkanal ist die Änderung der Nei-
gung des Abzweigkörpers gegenüber dem Grundkörper bzw. das Befestigen des
Abzweigkörpers am Grundkörper in einfachster baulicher Weise realisierbar.
Die erfindungsgemäße konstruktive Lösung gemäß dem geltenden Anspruch 1 ist
durch den entgegengehaltenen Stand der Technik dem Fachmann nicht nahege-
legt.
Zwar ist in D2 bereits beschrieben, u. a. ein Paar von Scheiben (Bogenelemente
39, 40) mit schrägen Flächen zu dem Zweck einzusetzen, im nicht verspannten
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Zustand eine kontinuierliche Veränderung der Winkelstellung zwischen den beiden
Scheiben möglich zu machen (S. 11 Abs. 2 i. V. m. Fig. 10). Doch werden die
beiden Scheiben axial zwischen stirnseitigen Enden von Rohren angeordnet und
bilden so einen veränderlichen Rohrbogen. Entsprechend ist nach D2 ein Mon-
tagesystem geschaffen, mit dem eine praktisch unbegrenzte Zahl von Bögen ver-
wirklicht werden kann (S. 6 Abs. 2 u. 4). Die flächig aneinander liegenden Bo-
genelemente werden des weiteren durch einen durch den Hohlraum der Bogen-
elemente hindurchgeführten Gelenkbolzen über Andrückelemente (Endstücke 16,
17 und Füllstücke 7), an denen die Rohrenden befestigt werden, gegeneinander
verspannt (S. 8 Abs. 2 bis S. 9 Abs. 1 i. V. m. Fig. 1, wobei hier 3 Bogenelemente
gezeigt sind). Die Übertragung der aus D2 bekannten konstruktiven Maßnahme
zur Bildung variabler Bögen für Rohrverbindungen auf eine Eckverbindung nach
D5 mit dem Ziel, dort eine variable Neigung des Abzweigstücks gegenüber einem
Grundkörper zu erreichen, bot sich dem Fachmann schon wegen der unter-
schiedlichen Zielvorgaben nicht ohne weiteres an. Sofern der Fachmann aus D2
Teilmaßnahmen wie zueinander verdrehbare Scheiben aufgreift, um die damit ver-
bundenen Vorteile, wie Neigungsänderungen, für einen Abzweig gemäß D5 zu
nutzen, bedurfte es z. B. im Hinblick auf die Auffindung einer geeigneten Befesti-
gungsanordnung, hier der Anordnung eines Schraubkanals in einem spitzen Win-
kel zur Achse des Abzweigstücks, weiterer, nicht auf der Hand liegender Überle-
gungen, um zur Gesamtheit der Lehre des Anspruchs 1 zu gelangen.
Gleiches gilt, wenn man die D1 als Ausgangspunkt der vorliegenden Erfindung
heranzieht. Sie offenbart eine Rohrverbindung, bei der ein Abzweigstück (Eck-
stück 39) quer zur Achse eines Grundkörpers (35) an diesem – über konische
Flächen selbstzentrierend - anschraubbar ist (Fig. 11 und zugehörige Beschrei-
bung). Das Abzweigstück ist bogenförmig ausgebildet. Die Berücksichtigung der
D2 vermittelt nach obigem dem Fachmann unmittelbar die Anregung, die Biegung
des Eckstücks mittels mehrerer Bogenstücke variabler zu gestalten, um hierdurch
eine Vielzahl von Abwandlungen des Bogenwinkels des Eckstücks mit wenigen
Bogenelementen realisieren zu können. Die Selektierung der Bogenelemente aus
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der Konstruktion der Rohrverbindung nach D2 und deren Anordnung und Ein-
spannung bei der Rohrverbindung nach D1 (z. B. Fig. 11) derart, dass die gesam-
te Lehre des geltenden Anspruchs 1 erfüllt ist, war daher ohne rückschauende Be-
trachtung in Kenntnis der vorliegenden Erfindung dem Fachmann nicht nahe ge-
legt.
Nichts anderes ergibt die zusätzliche Berücksichtigung einer oder mehrerer der
übrigen Entgegenhaltungen. Soweit sie überhaupt Rohrverbindungen betreffen,
beschreiben sie keine Ausführungen, bei denen zwei oder mehr flächig aneinan-
der anliegende und stufenlos verdrehbare Ringscheiben zur Änderung ihrer Win-
kelstellung relativ zueinander verwendet werden.
Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.
Die Patentansprüche 2 bis 12 sind auf weitere Ausgestaltungen des Rohrverbin-
dungssystems nach Patentanspruch 1 gerichtet. Ihre Gegenstände sind daher
ebenfalls gewährbar.
gez.
Unterschriften