Urteil des BPatG vom 08.08.2003

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, verkehr, gefahr, beschwerde, publikum, anlass, verbindung, zeichen, kennzeichnungskraft)

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 279/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 25 931
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Schermer, den Richter Schwarz und die Richterin
Prietzel-Funk am 16. November 2004
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die Eintragung der Wort/Bild-Marke 302 25 931
u.a. für die Waren „Spielwaren; Brettspiele“
ist – beschränkt auf diese Waren - Widerspruch eingelegt aus der Wortmarke
732 242
Paddy
die unter anderem Schutz für die Waren „Spielwaren, insbesondere Spielfahr-
zeuge, Tretroller, Tierfiguren, Schwimmtiere, Puppen und Spiele“ genießt.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den
Widerspruch mit Beschluss vom 8. August 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung
hat sie ausgeführt, trotz einer im Hinblick auf die sich gegenüberstehenden Waren
bis zur Identität reichenden hochgradigen Ähnlichkeit sei selbst bei Anlegung
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strengster Maßstäbe eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, weil der Ge-
samteindruck beider Marken selbst bei einer Beurteilung aus der Erinnerung her-
aus hinreichend unterschiedlich sei. Beide Kennzeichnungen wiesen nur schein-
bar weitgehende, letztlich aber lediglich formale Übereinstimmungen auf. Die je-
weiligen Ausgestaltungen der Vergleichsmarken wichen vielmehr prägnant von-
einander ab. Der Klangwert der Buchstabenfolge „P-a-d“ hebe sich klar erkennbar
von dem Klangbild der Buchstabenkombination „g-a-d“ der angegriffenen Marke
ab. Da die angesprochenen Verkehrskreise dem Wortanfang besondere Beach-
tung schenkten, wirke dies einer Verwechslungsgefahr entgegen. Die Abweichun-
gen träten zudem besonders wegen der konkreten Betonung hinreichend prägnant
hervor. Hinzu komme, dass der Verkehr die Widerspruchsmarke wie „Pädih“ aus-
sprechen werde, während die angegriffene Marke mehrheitlich mit „gadihs“ be-
nannt werde. Darüber hinaus bestehe die Widerspruchsmarke aus einem auch im
Inland geläufigen englischen Vornamen mit griffigem Sinnanklang, den der Ver-
kehr ohne weiteres heraushören und erinnern werde. Eine Verwechslungsgefahr
in schriftbildlicher Hinsicht scheide wegen der jeweils unterschiedlichen Ausges-
taltung der Vergleichsmarken ebenfalls aus.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie
ist der Auffassung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der bei-
derseitigen Waren erforderliche große Abstand der Marken sei nicht eingehalten.
Es sei damit zu rechnen, dass relevante Teile des angesprochenen Verkehrs das
Genitiv-S in der Anmeldemarke nicht aussprächen, weil hierin lediglich eine der
Bezeichnung einer Mehrzahl von Waren dienende die Pluralform von „gaddi“ ge-
sehen werde. Die beiden dann noch verbleibenden Wörter seien jeweils zweisilbig
und wiesen eine übereinstimmende Wortfolge auf. Sie seien sowohl in der Länge
als auch in der Betonung identisch. Aufgrund der prägenden Vokalfolge in beiden
Wörtern komme den unterschiedlichen Anfangskonsonanten keine Unterschei-
dungswirkung zu. Zudem werde auch die Widerspruchsmarke nach deutschen
Sprachregeln und nicht englisch ausgesprochen.
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Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
Marke 302 25 931 anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, weil die sich
gegenüberstehenden Marken ohne weiteres von einander unterschieden werden
könnten. Das Publikum werde, da es die Bedeutung von „Gaddis“ als biblischem
Eigennamen nicht kennen werde, bei der Anmeldemarke von einer Fantasiebe-
zeichnung ausgehen, die das Genitiv-S aber mit umfasse. Für das Publikum be-
stehe daher kein Anlass, das Endungs-S wegzulassen. Die im angegriffenen Be-
schluss zitierte Entscheidung des BGH „Bally/Ball“ sei daher entgegen der Auffas-
sung der Widersprechenden einschlägig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr
von Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG zutreffend verneint.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeit-
rang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten
Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen
besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in
Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verletzungsgefahr ist von dem
allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen
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allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlich-
keit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft
der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR
2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 239 - DONLINE).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzuse-
hen, insbesondere sind keine stärkenden oder schwächenden Umstände ersicht-
lich.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass die durch die Vergleichsmarken jeweils
geschützten Waren teils identisch sind, kann auch bei Anlegung strengster Maß-
stäbe an den erforderlichen Abstand der Marken eine Verwechslungsgefahr im
Sinne des § 9 Abs. 1 S. 2 MarkenG nicht bejaht werden.
Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Be-
deutungs- (Sinn-)gehalt ist von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden
Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander
gegenüberstehenden Zeichen ankommt (EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz.23 –
Sabèl/Puma; BGH GRUR 2002, 167, 169 – Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 –
Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 – Ferrari-Pferd). Dass die Vergleichsmarken in
bildlicher Hinsicht nicht verwechslungsfähig sind, steht zwischen den Beteiligten
zu Recht außer Streit. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist aber
auch eine Verwechslung der Marken weder unter dem Gesichtspunkt der klangli-
chen noch der begrifflichen Ähnlichkeit zu erwarten.
In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die beiden Marken hinreichend, so dass
nicht erwartet werden kann, dass die eine Marke für die andere gehalten wird. Die
Markenwörter weisen einen klanglich deutlich unterschiedlichen Anfangskonso-
nant auf, und weichen auch durch das zusätzliche Genitiv-S in der jüngeren
Marke, das selbst bei schneller Sprechweise unüberhörbar hervortritt, voneinander
ab. Dabei kann entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht angenom-
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men werden, dass der Verkehr das Genitiv-S bei der Aussprache der jüngeren
Marke vernachlässigt. Hierzu besteht trotz der Tatsache, dass das Markenwort
„gaddi’s“ erkennbar wie eine Genitivform von „gaddi“ gebildet ist, für den Verkehr
keine Veranlassung. Der Verkehr nimmt Marken regelmäßig in Form auf, in der sie
ihm entgegentreten, und unterzieht sie nicht einer analysierenden, zergliedernden,
einzelnen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung (vgl.
BGH, GRUR 1999, 735, 736 – MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 2004, 240, 241 –
MIDAS/medAS, m.w.N.; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-
FIBRAFLEX). Selbst wenn der Verkehr weitere Überlegungen anstellte, führte dies
nicht zu einem anderen Ergebnis. Es sind zwar Fälle denkbar, in denen das Geni-
tiv-S nicht zur Beseitigung der Verwechslungsgefahr geeignet ist. Das kann insbe-
sondere dann angenommen werden, wenn die Marken ansonsten klanglich iden-
tisch sind oder jedenfalls nahezu völlig übereinstimmen (zB BPatG,
29
W
(pat)
87/94 – Meier’s Weltreisen
/
MAIR“; 27
W
(pat)
46/03 – SARAS
ACCESSOIRES / ZARA ; jeweils veröffentlich auf der PAVIS CD-ROM). Das ist
hier jedoch nicht der Fall. Denn bei Weglassen der Genitivendung stehen sich
„Paddy“ und „gaddi“ gegenüber, die klanglich, wie ausgeführt, schon nicht iden-
tisch sind. Die Genitiv-Endung wird vorliegend auch aus anderen Gründen nicht
vernachlässigt: Das Wort „gaddi“ ist ganz überwiegenden Teilen der angespro-
chenen Verkehrskreise als biblischer Name wegen seiner Ungebräuchlichkeit im
deutschen Sprachraum nicht geläufig. Sie betrachten das Wort vielmehr als reines
Fantasiewort, das ihnen weder den Eindruck vermittelt, es handele sich um einen
(Familien-)Namen – bei dem sich ein Weglassen des Genitiv-S zur Bildung einer
Herkunftsangabe am ehesten anbietet -, noch ist „gaddi’s“ mit dem
Gattungsnamen einer Ware verbunden (zB gaddi’s Puppen), der zu einem
Weglassen des Genitiv-S (Puppe von Gaddi) führen könnte. Es liegt vielmehr
aufgrund allgemeiner Sprachgewohnheiten nahe anzunehmen, dass der Verkehr
das Wort „gaddi’s“ vollständig wiedergibt, zumal er auch wegen der Kürze und
leichten Aussprechbarkeit des Gesamtworts keinen Anlass hat, das Genitiv-s zu
vernachlässigen. Der starke Konsonant „s“ am Wortende verleiht der jüngeren
Marke aber in Verbindung mit dem unterschiedlichen Anfangslaut einen von der
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Widerspruchsmarke deutlich abweichenden Klangdruck, der auch bei einer jeweils
deutschen oder englischen Aussprache der Zeichen eine noch relevante Gefahr
von Verwechslungen ausschließt.
Eine Verwechslungsgefahr in Hinblick auf den Sinngehalt der Marken ist ebenfalls
nicht erkennbar. Die sich gegenüberstehenden Marken weisen keinen überein-
stimmenden Sinngehalt auf. In der Widerspruchsmarke erkennt der angespro-
chene Verkehr allenfalls den englischen Vornamen bzw. die Namensabkürzung
„Paddy“, während ihm das Markenwort „gaddi’s“ als reiner Fantasiebegriff entge-
gentritt.
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist von der Widersprechenden nicht geltend
gemacht worden. Zudem besteht vorliegend auch objektiv keine Veranlassung,
dieser Frage nachzugehen.
III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 Mar-
kenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. Schermer
Schwarz
Prietzel-Funk
Na