Urteil des BPatG vom 12.03.2001

BPatG: beschreibende angabe, verwechslungsgefahr, verkehr, bestandteil, presse, gesamteindruck, winter, rauch, gestaltung, aufzählung

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 126/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 397 06 802
BPatG 152
6.70
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) in der Sitzung vom 12. März 2001
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Buchetmann sowie der Richterin-
nen Winter und Schwarz-Angele
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 397 06 802 fol-
gende Marke
siehe Abb. 1 am Ende
als Kennzeichnung für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37 und 42. Die
Anmeldung ist am 15. Februar 1997 erfolgt.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren Marke 396 03 653
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die seit dem 26. April 1996 ua ebenfalls für Waren und Dienstleistungen der Klas-
sen 9, 37 und 42 eingetragen ist.
siehe Abb. 2 am Ende
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- (und Marken)amts hat in
zwei Beschlüssen - einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen - eine Ver-
wechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Begründend ist
ausgeführt, auch wenn die Marken identische Produkte kennzeichneten, sei eine
Verwechslungsgefahr unter keinem denkbaren Aspekt gegeben. Zum einen werde
die jüngere Marke nicht durch die bildhaften Elemente geprägt, zum anderen sei-
en die dort abgebildeten Quadrate deutlich anders als die Digits im Wider-
spruchszeichen. Der bloße Umstand, daß in beiden Kennzeichnungen jeweils
quadratische Elemente vorhanden sind, könne eine Verwechslungsgefahr auch
dann nicht begründen, wenn die Widerspruchsmarke eine besonders hohe Kenn-
zeichnungskraft besitze.
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben. Sie behauptet, die jüngere Marke
werde durch die vier quadratischen Bildelemente (Digits) geprägt. Deshalb be-
stehe die Gefahr, daß beide Marken wegen der hochgradigen Ähnlichkeit der Wa-
ren und Dienstleistungen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.
Die Widersprechende betreibe einen bedeutenden Werbeaufwand, der zur Be-
kanntheit der jeweiligen Marken führe. Die Digits seien zum Stammbestandteil
einer Zeichenserie geworden, so daß die jüngere Marke mit der Widerspruchs-
marke gedanklich in Verbindung gebracht werde.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die jüngere Marke
zu löschen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren sachlich
nicht geäußert.
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Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf die patentamtlichen
Beschlüsse Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist ohne Erfolg, denn zwischen den Marken besteht keine Ver-
wechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz.
Auch bei identischen Waren und Dienstleistungen haben die Marken genügend
Abstand, um eine bildliche oder gedankliche Verwechslungsgefahr hinreichend
sicher auszuschließen.
Bei der visuellen Gegenüberstellung der beiden Zeichen sind die Unterschiede in
jeder Hinsicht ausreichend deutlich. Klanglich käme eine Verwechslungsgefahr
nur dann in Betracht, wenn der Gesamteindruck der jüngeren Marke durch den
Bildbestandteil - also die vier Quadrate in unterschiedlicher Größe und Stellung -
bestimmt und hierfür eine ähnliche Bezeichnung wie für die Widerspruchsmarke
gewählt wird. Dafür fehlt es aber an jeglichen Anhaltspunkten. Voraussetzung für
die selbständig kollisionsbegründende Stellung eines Markenbestandteils ist, daß
dieser - entgegen dem Grundsatz wonach ein Zeichen von all seinen Bestandtei-
len bestimmt wird - ausnahmsweise derart in den Vordergrund tritt, daß die weite-
ren Bestandteile für den Verkehr an Bedeutung verlieren und in den Hintergrund
treten (ständige Rechtsprechung zB BGH MarkenR 2000; 20 – RAUSCH / ELFI
RAUCH). Daß eine Wort- / Bildmarke allein durch das Bildmotiv geprägt wird,
kommt noch seltener in Betracht. Denn der Verkehr orientiert sich bei einer Kom-
binationsmarke in der Regel am Kennwort. Denn mit diesem kann er die Marke
ungleich leichter benennen. Nur bei einer besonderen Fallgestaltung (zB wenn der
Bildbestandteil blickfangmäßig hervorgehoben ist und der Wortbestandteil als be-
schreibende Angabe zur Produktkennzeichnung wenig geeignet ist) kann das Bild
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allein (das dann allerdings entsprechend aussagekräftig sein muß) den Gesamt-
eindruck einer Marke ausmachen (vgl BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA). Vier
Quadrate, eines davon als Raute hochkant gestellt, sind nur schwer in Worte zu
fassen. Viel einfacher ist es die Marke mit "DS PRESSE" zu benennen. Auch
wenn "PRESSE" im Bezug auf die gekennzeichneten Waren einen beschreiben-
den Inhalt hat, so ist der Gesamtbegriff zur Unternehmenskennzeichnung doch
hinreichend aussagekräftig. Wenn die jüngere Marke also von einem Bestandteil
geprägt werden sollte, dann allenfalls durch das Kennwort "DS PRESSE", nicht
aber durch die Quadrate.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Widersprechende eine Vielzahl
von Marken besitzt (von deren Benutzungsumfang im übrigen nichts bekannt ist),
die entweder allein aus Digits bestehen oder in denen Digits zusammen mit Buch-
staben und Wortbestandteilen verwendet werden. Die Feststellung, ob der ange-
sprochene Verkehr einem einzigen Bestandteil der angegriffenen Marke prägende
Wirkung beimißt, ist allein anhand der Gestaltung dieser Marke selbst zu treffen,
auf die Frage, wie die Marken anderer gestaltet sind, kommt es hierbei grundsätz-
lich nicht an (ständige Rechtsprechung, BGH GRUR 1996, 198 - Springende
Raubkatze; MarkenR aaO - RAUSCH/ELFI RAUCH).
Auch die Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht
werden, ist hier nicht ersichtlich. Das wäre nur dann möglich, wenn es sich bei den
Digits der Widersprechenden um einen Stammbestandteil handelt, der bereits zum
Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke Hinweischarakter auf die Wi-
dersprechende erlangt hätte und der gleich oder zumindest wesensgleich in der
jüngeren Marke auftaucht. Schon diese Voraussetzung trifft hier nicht zu, denn
während die Digits der Widersprechenden in aller Regel in einer Linie verlaufen
(mit Ausnahme der Marke 396 03 646, bei der die Digits ein umgedrehtes "L" dar-
stellen) tanzt bei der jüngeren Marke ein Quadrat aus der Reihe und steht als
Raute auf dem Kopf. Eine solche Darstellung führt von der Digitreihe der Wider-
sprechenden weg. Auch fehlt jeglicher Sachvortrag, daß sich der Verkehr zum
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Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke im Februar 1997 bereits an eine aus
den Digits bestehende Markenserie der Widersprechenden gewöhnt haben sollte.
Die bloße Aufzählung von geringfügig prioritätsjüngeren "Digitmarken" hat keinen
Aussagewert, solange über den Umfang der Benutzung nichts bekannt ist. Die
Verkehrsbefragung im April 1997 (wonach 71 % der Befragten eine Marke der Wi-
dersprechenden dieser zurechneten) betraf ein anderes Zeichen, nämlich das
magentafarbene T mit mittig durchlaufenden grauen Digits. Wollte man aus die-
sem Ergebnis jedem Bestandteil der dortigen Marke eine entsprechenden Be-
kanntheit zubilligen, so käme dies der Zuerkennung eines Elementenschutzes
gleich, der dem Markenrecht aber fremd ist. Zuletzt erscheint es höchst zweifel-
haft, ob allein fortlaufend angeordnete graue Quadrate charakteristisch genug
sind, den Stamm einer Markenserie zu bilden.
Was die von der Widersprechenden vorgelegten wettbewerbsrechtlichen Ge-
richtsentscheidungen betrifft, so haben die Prozeßgegner der Widersprechenden
quadratisch und aneinandergereihte Digits offenbar in Verbindung mit einem Te-
lefon-/Branchenverzeichnis verwendet, was Rückschlüsse auf die hier gegebene
Verwechslungslage nicht zuläßt.
Die Beschwerde ist demnach ohne Erfolg.
Kosten werden nicht auferlegt (§ 71 Absatz 1 Markengesetz).
Dr. Buchetmann
Winter
Schwarz-Angele
Hu
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Abb. 1
Abb. 2