Urteil des BPatG vom 14.01.2009

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
35 W (pat) 466/07
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
14. Januar 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Gebrauchsmuster 298 18 178
(hier: Löschungsantrag)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2009 durch den Vorsitzen-
den Richter Müllner sowie die Richter Dipl.-Phys. Dr.rer.nat. Frowein und
Dipl.-Ing. Sandkämper
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss
des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterab-
teilung II - vom 11. Oktober 2007 aufgehoben.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e
I
Der Antragsgegner ist Inhaber des am 12. Oktober 1998 angemeldeten und am
11. Februar 1999 unter der Bezeichnung „Saugfähige Faserstoffbahn“ mit
20 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 298 18 178 (Streitge-
brauchsmuster). Dieses nimmt die Prioritäten der deutschen Patentanmeldungen
197 50 890.1 vom 18. November 1997 und 198 24 825.3 vom 4. Juni 1998 in An-
spruch. Das Gebrauchsmuster ist nach Ablauf der zehnjährigen Schutzdauer
Ende Oktober 2008 erloschen.
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Der eingetragene Schutzanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen
Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1),
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zellstofffasern in ei-
nem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen
(3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prä-
gemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und/oder
bindemittelfrei fusioniert sind.
Die Antragsstellerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 11. März 2005 die Löschung
des Gebrauchsmusters beantragt. Nach Ablauf der Schutzdauer des Streitge-
brauchsmusters erklärt die Antragstellerin, dass sie den bisherigen Löschungsan-
trag auf Feststellung der Unwirksamkeit umstellt und verweist hinsichtlich des
Feststellungsinteresses auf den zwischen den Beteiligten anhängigen Verlet-
zungsstreit.
Die Antragsstellerin stützt ihr Löschungsbegehren auf folgenden Stand der Tech-
nik:
US 5 128 193 (A3)
US 3 692 622 (A4)
US 3 762 750 (A5)
US 4 781 962 (A6)
US 4 111 744 (A7)
DE 23 33 732 A (A8)
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Die Antragstellerin macht ferner eine offenkundige Vorbenutzung geltend und bie-
tet Zeugenbeweis dazu an. Sie verweist u. a. auf ein Gutachten des Instituts
Centexbel vom 20. September 2007 in englischer Sprache (Bl. 471 bis 479 der
Amtsakte) sowie deren Übersetzung ins Deutsche (Bl. 480 bis 488 der Amtsakte).
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand nach dem einge-
tragenen Schutzanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Entge-
genhaltungen A3 bis A6 jeweils nicht neu sei.
Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag widersprochen. Er verweist u. a. auf
ein Gutachten Nr. 000807 der PTS München vom 7. Juli 2005 (Anlage AG2,
Bl. 314 bis 319 der Amtsakte).
Hinsichtlich der weiteren von den Beteiligten genannten Unterlagen wird auf die
Akten verwiesen.
Die Gebrauchsmusterabteilung II hat durch Beschluss vom 11. Oktober 2007 das
Gebrauchsmuster 298 18 178 gelöscht.
Gegen diesen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent-
und Markenamts richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Feststellungs-
antrag im Rahmen des in der (heutigen) mündlichen Verhandlung
übergebenen Hauptantrags, hilfsweise im Umfang der ebenfalls in
der (heutigen) mündlichen Verhandlung übergebenen Hilfsanträ-
ge 1 bis 3 zurückzuweisen.
- 5 -
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Die Schutzansprüche 1 mit den Merkmalen des Hauptantrages sowie der Hilfsan-
träge I bis III haben folgenden Wortlaut:
Hauptantrag:
Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen
Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1),
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zellstofffasern in ei-
nem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen
(3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prä-
gemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bin-
demittelfrei dergestalt fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffa-
sern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden
sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch
Einwirkung von Feuchtigkeit nicht löst.
Hilfsantrag I:
Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen
Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1),
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zellstofffasern in ei-
nem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen
(3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prä-
gemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bin-
demittelfrei dergestalt fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffa-
sern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden
- 6 -
sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch
Einwirkung von Wasser nicht löst.
Hilfsantrag II:
Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen
Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1) und bestimmt für
Hygieneartikel, z. B. Binden und Windeln,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zellstofffasern in ei-
nem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen
(3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prä-
gemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bin-
demittelfrei derartig fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffa-
sern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden
sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch
Einwirkung von Feuchtigkeit nicht löst, und d a d u r c h g e k e n n -
z e i c h n e t , dass bei einer Restfeuchte der Zellstofffasern (1) von
2 bis 7 % die Bruchdehnung 5 % bis 20 % und die Zugfestigkeit
wenigstens 0,1 kN/m beträgt.
Hilfsantrag III:
Saugfähige Faserstoffbahn (100), bestehend aus einem hohen
Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern (1) und bestimmt für
Hygieneartikel, z. B. Binden und Windeln,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Zellstofffasern in ei-
nem Prägemuster aus punkt- oder linienförmigen Prägebereichen
(3) miteinander verpresst und in den Prägebereichen (3) des Prä-
gemusters infolge hoher Druckbeaufschlagung klebstoff- und bin-
demittelfrei derartig fusioniert sind, dass benachbarte Zellstofffa-
- 7 -
sern im Prägebereich sehr fest und innig miteinander verbunden
sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstemperatur durch
Einwirkung von Wasser nicht löst, und d a d u r c h g e k e n n -
z e i c h n e t , dass bei einer Restfeuchte der Zellstofffasern (1) von
2 bis 7 % die Bruchdehnung 5 % bis 20 % und die Zugfestigkeit
wenigstens 0,1 kN/m beträgt.
Bezüglich der eingetragenen Ansprüche 2 bis 20 wird auf das Streitgebrauchs-
muster sowie bezüglich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses des Deutschen
Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung II - vom 11. Oktober 2007.
A) Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine saugfähige Faserstoffbahn, bestehend
aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern.
Die Erfindung geht von einem Stand der Technik (vgl. Beschreibung Seite 1,
Abs. 2) aus, bei dem aus trockenen Zellulosefasern und Zusatzstoffen unter Druck
absorbierende Bahnenware hergestellt werden, in dem aus einem Material mit ei-
nem Flächengewicht von 30 bis 2000 g/cm
2
ein absorbierendes Produkt mit einer
spezifischen Dichte von 0,2 bis 1,0 g/cm komprimiert wird. Das Komprimieren ge-
schieht zwischen glatten Kalanderwalzen. Nachteilig bei diesem Verfahren ist,
dass zwar einer Erhöhung der Dichte eintritt, jedoch das Material in sich wenig
Reißfestigkeit besitzt. Um die Reißfestigkeit zu erhöhen, müssen synthetische Zu-
satzstoffe hinzugefügt werden, insbesondere Thermoplaste.
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Daher liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Faserstoffbahn anzugeben,
deren Recyclingfähigkeit verbessert ist und die eine erhöhte Reißfestigkeit auf-
weist, vgl. Beschreibung Seite 1, Abs. 3.
Die Lösung ist durch die Merkmale der Schutzansprüche 1 gemäß Haupt- und
Hilfsanträgen im Einzelnen angegeben.
B) Die Gebrauchsmusterabteilung hat angenommen, die im Streitgebrauchsmus-
ter offenbarte Lehre sei nicht ausführbar.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, eine Fusionierung von Fa-
sern bedeute im fachgebräuchlichen Sinn eine Verschmelzung der Fasern mitein-
ander. Eine derartige Fusion sei bei Zellstofffasern nicht realisierbar. Es sei daher
festzustellen, dass der beanspruchte Gegenstand zwar, wie in der Beschreibung
angegeben, durch eine feste innige Verbindung der Fasern eine gewisse Nassfes-
tigkeit in den Prägebereichen aufweise, diese Nassfestigkeit aber nicht durch Ver-
schmelzen der Zellstofffasern entstehen könne. Sollte demnach unter der Fusio-
nierung von Fasern eine andere Verbindungsart als Verschmelzen zu verstehen
sein, könne aus dem gesamten Offenbarungsgehalt des Gebrauchsmusters kei-
nerlei Angaben entnommen werden, welche Verbindungsart nun gemeint sei oder
auf welche Weise es dem Fachmann ermöglicht werde, zum beanspruchten Ge-
genstand zu gelangen. Auch die zusätzlich in den Hilfsanträgen aufgenommenen
Merkmale könnten den Mangel an der Ausführbarkeit der unter Schutz zu stellen-
den Lehren nicht abhelfen. Die Schutzansprüche 1 des Hauptantrags sowie der
Hilfsanträge 1 bis 4 seien daher nicht gewährbar.
Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Gemäß der Be-
schreibung sollen die Zellstofffasern im Prägebereich in einer innigen Verbindung
mit benachbarten Fasern stehen (Seite 2, Abs. 2 und 5), die im Streitgebrauchs-
muster Fusion genannt wird. Dass hierbei eine Verschmelzung der Fasern erfolgt,
ist der Gebrauchsmusterschrift nicht zu entnehmen, offenbart ist lediglich eine in-
nige Verbindung. Der Gebrauchsmusterinhaber mag zwar eine Vermutung hin-
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sichtlich dieser Verbindung äußern, muss aber den Erfolg seiner Erfindung wis-
senschaftlich nicht erklären können. Maßgeblich ist, dass die im Anspruch 1 ange-
gebenen Merkmale geeignet sind, die beanspruchte „fusionierte“ Verbindung so
darzustellen, dass für die Öffentlichkeit hinsichtlich des Schutzbereiches des be-
anspruchten Gegenstandes Rechtsicherheit besteht.
Dieses ist nicht eine Frage der Ausführbarkeit der Erfindung, sondern der Zuläs-
sigkeit des Anspruchs, dessen eingetragene Fassung keinerlei Angaben umfasst,
die die äußere oder innere Beschaffenheit der Faserbahn kennzeichnen. Dieser
Schutzgegenstand ist daher völlig unbestimmt.
C) Zum Hauptantrag
Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgende, nach Merkmalen gegliederte
Fassung (ohne Bezugsziffern):
1.
Saugfähige Faserstoffbahn
1.1
bestehend aus einem hohen Anteil miteinander verpresster Zellstofffasern,
1.2
wobei die Zellstofffasern in einem Prägemuster aus punkt- oder linienförmi-
gen Prägebereichen miteinander verpresst und
1.3
in den Prägebereichen des Prägemusters in Folge hoher Druckbeaufschla-
gung klebstoff- und bindemittelfrei dergestalt fusioniert sind,
1.4
dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig mit-
einander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstem-
peratur durch Einwirkung von Feuchtigkeit nicht löst.
Der Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erscheint nicht
schutzfähig.
a) Schutzanspruch 1 ist formal zulässig. Er kann in dieser Fassung verteidigt wer-
den.
- 10 -
Er stützt sich auf den eingetragenen Anspruch 1 in Verbindung mit dem letzten
Absatz auf Seite 2 (Merkmal 1.4) der Gebrauchsmusterschrift. Dass sich der Be-
zug von „diese“ in Zeile 29 auf die Verbindung bezieht, ergibt sich dem sachver-
ständigen fachmännischen Leser der Gebrauchsmusterschrift - einem Dipl.-Ing.
Maschinenbau der Fachrichtung Verfahrenstechnik mit Kenntnissen in der Zell-
stoffchemie und in der Verarbeitung von Zellstoff - aus dem vorhergehenden Satz,
nach dem durch eine mittels Prägeelementen ausgeübte hohe Druckbeaufschla-
gung erreicht wird, dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest
und innig miteinander verbunden sind. Der maßgebliche Fachmann wird bestrebt
sein, der Anmeldung einen technisch sinnvollen Gehalt zu entnehmen. Er wird da-
her nicht davon ausgehen, dass die gesamte Faserstoffbahn durch Einwirkung
von Feuchtigkeit nicht gelöst wird, wie dieses die Antragstellerin vorträgt, sondern
lediglich die im Prägebereich verbundenen Fasern.
b) Schutzanspruch 1 erscheint mangels Bestimmtheit seines Gegenstandes nicht
zulässig.
Ein Sachanspruch ist in der Regel durch die körperlichen Merkmale der Sache zu
beschreiben. Es gibt aber auch Fälle, in denen das nicht möglich ist. Die Kenn-
zeichnung eines chemischen Stoffs durch das Verfahren zu seiner Herstellung
(Product-by-Process) ist jedenfalls dann zulässig, wenn die vollständige Struktur-
formel nicht bekannt ist und eindeutige Parameter nicht angegeben werden kön-
nen (BGH GRUR 1972, 80 - Trioxan). Gleiches gilt auch außerhalb der Chemie,
wenn die Gegenstände nicht durch ihre körperlichen Merkmale beschrieben wer-
den können. Im Interesse der Rechtssicherheit muss die andere Beschreibung
aber geeignet sein, den Anmeldungsgegenstand eindeutig zu kennzeichnen und
vom Stand der Technik abzugrenzen (BGH GRUR 1979, 461 - Farbbildröhre).
Diese Voraussetzungen erfüllt der hauptantragsgemäße Anspruch 1 nicht, da er
nicht nur nassfeste Verbindungen beinhaltet. Die Beteiligten haben in der mündli-
che Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass eine auf einer Wasserstoffbrü-
ckenbindung beruhende Verbindung von miteinander verpressten Zellstofffasern
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nicht nassfest ist. Die Angabe im Merkmal 1.4, dass sich die Verbindungen durch
Feuchtigkeit nicht lösen, umfasst z. B. auch die Einwirkung von Wasserdampf, wie
er in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit auch bei normalen Umgebungstemperatu-
ren (=Gebrauchstemperatur) auftreten kann. Derartigen Bedingungen halten aber
auch Wasserstoffbrückenbindungen stand, da nicht von einer vollständigen Durch-
nässung ausgegangen werden kann.
D) Zum Hilfsantrag I
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich hinsichtlich des Merkmals 1.4
vom Anspruch 1 des Hauptantrags. Dieses Merkmal lautet nun (Änderung unter-
strichen):
1.5
dass benachbarte Zellstofffasern im Prägebereich sehr fest und innig mit-
einander verbunden sind, so dass sich die Verbindung bei Gebrauchstem-
peratur durch Einwirkung von Wasser nicht löst.
a) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I ist ursprünglich offenbart und auch ansonsten
zulässig.
Das Merkmal 1.5 ist gegenüber dem Hauptantrag dahingehend eingeschränkt,
dass sich die Verbindung durch Einwirkung von Wasser nicht löst. Offenbart ist die
Einwirkung von Wasser schon dadurch, dass die Verbindungen nassfest sein sol-
len (vgl. Gebrauchsmusterschrift Seite 3, Abs. 1 und Seite 5, Abs. 2). Der fach-
männische Leser versteht den Begriff nassfest so: Während verpresste Zellstofffa-
sern normalerweise durch die Einwirkung von Wasser zerfallen, da ihr Zusam-
menhalt auf Wasserstoffbrückenbindungen beruht, die sich beim Einwirken von
Wasser auflösen, erhalten nassfeste verpresste Zellstofffasern einen mehr oder
weniger hohen Anteil ihrer mechanischen Festigkeit. Dieses ist ein in der Papier-
technik übliches Verständnis, das auch dem hier zuständigen Fachmann geläufig
ist.
- 12 -
Das eingeschränkte Merkmal 1.5 ist auch geeignet, den Gegenstand eindeutig zu
kennzeichnen und vom Stand der Technik abzugrenzen, da durch das Merk-
mal 1.5 eine nassfeste Verbindung beansprucht ist. Gegenüber den Faserstoff-
bahnen nach den Entgegenhaltungen A3 bis A6 ist eine eindeutige Identifizierung
möglich, da diese ausschließlich Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Fa-
sern offenbaren, die gerade nicht nassfest sind.
b) Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie
ausführen kann.
Das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung bedeutet nicht, dass die Lehre alle
im Einzelnen zur Erreichung des erfindungsgemäßen Ziels erforderlichen Schritte
detailliert beschreiben müsste. Es reicht aus, wenn dem Fachmann ein generelles
Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Unschädlich ist, wenn er bei der
Nacharbeitung auf Unvollkommenheiten stößt, die er als solche erkennen und mit
Hilfe seines Wissens im Sinne der Erfindung überwinden kann, ohne selbst erfin-
derisch tätig werden zu müssen. Die Erforderlichkeit von Versuchen ist unschäd-
lich, solange sie das übliche Maß nicht übersteigen.
Danach ist vorliegend unschädlich, dass der Fachmann einzelne, wenige Parame-
ter wie den Druck und die Drehzahl der Prägewalzen erst nach Versuchen einstel-
len konnte, da dem Fachmann die üblichen Druckverhältnisse bei der Herstellung
von Faserstoffbahnen bekannt sind (vgl. Druckschrift A4, Spalte 4, Zeile 69
bis 74). Die zur Ausführung der Erfindung benötigten Angaben müssen zudem
nicht abschließend dem Hauptanspruch zu entnehmen sein. Es genügt, wenn sie
sich aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt erschließen (vgl. BGH
GRUR 2003, 223 - Kupplungsvorrichtung II). Ein vorzugsweise eingesetztes Mate-
rial (fluff pulp) ist beispielsweise auf Seite 8 der Gebrauchsmusterschrift, letzter
Absatz, beschrieben. Der danach noch erforderliche Versuchsaufwand übersteigt
das dem Fachmann zumutbare Maß nicht.
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c) Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ist gegenüber
dem vom Antragsteller genannten druckschriftlichen Stand der Technik, wie er aus
den Druckschriften A3 bis A8 bekannt ist, schutzfähig.
Den Druckschriften A3 bis A6 sind weder die Merkmale 1.3 und 1.5 zu entnehmen
noch geben sie Hinweise in dieser Richtung. Soweit sie klebstoff- und bindemittel-
frei geprägte Faserstoffbahnen zeigen, sind die Prägebereiche nicht nassfest. Die
Druckschriften A7 und A8 liegen weiter ab.
d) Vorbenutzung
Die von der Antragstellerin geltend gemachte Vorbenutzung könnte dem Gegen-
stand des hilfsantragsgemäßen Anspruchs 1 entgegenstehen. Allerdings besteht
noch Klärungsbedarf, was letztlich vorbenutzt wurde, welche Eigenschaften der
vorbenutzte Gegenstand hatte und wie er offenkundig geworden sein soll. Dies
wird im Rahmen der Sachprüfung zu beurteilen sein.
Die noch erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, ist Aufgabe der Gebrauchs-
musterabteilung, die sich im Beschluss lediglich mit der Ausführbarkeit der Erfin-
dung gemäß den damals geltenden Anspruchsfassungen auseinandergesetzt hat.
E) Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84
Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Dass die Billigkeit eine andere
Kostenentscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.
Müllner
Dr. Frowein
Sandkämper
Be