Urteil des BPatG vom 27.11.2002
BPatG (marke, mitbewerber, name, deutschland, beschwerde, ware, eintragung, freihaltebedürfnis, internet, interesse)
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 75/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. November 2002
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B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 1 166 925
hier: Löschungsverfahren
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27. November 2002 unter Mitwirkung der Richterin
Schwarz-Angele als Vorsitzende, sowie der Richter Paetzold und Voit
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Marke 1 166 925
PINDJUR
die seit dem 31. Oktober 1990 ua für folgende Waren eingetragen ist
Gemüsekonserven, Gewürze, Gewürzzubereitungen, einschließ-
lich Gewürzsalzen; Fertiggerichte, im wesentlichen bestehend aus
Fleisch und Fleischerzeugnissen und/oder Fisch und Fischer-
zeugnissen und/oder Gemüse und Gemüseerzeugnissen.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20. August 1999 (Eingang am 23. Au-
gust 1999) die Löschung der Marken beantragt, denn bei Pindjur handle es sich
um eine traditionelle Speise aus der slavo-mazedonischen Küche. Eine Eintra-
gung als Marke hätte deshalb nicht erfolgen dürfen.
Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen.
Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Lö-
schungsantrag im Umfang der og Waren wegen eines Freihaltebedürfnisses der
Mitbewerber stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt, durch Vorlage von
Wörterbüchern sei ausreichend belegt, dass die Marke sowohl zum Eintragungs-
als auch zum Entscheidungszeitpunkt als Name für ein traditionelles mazedoni-
sches Gemüse- und Salatgericht verwendet werde. Dass dieses Gericht nur weni-
gen Verbrauchern der allgemeinen Verkehrkreise bekannt sei, ändere nichts an
dem schützenswerten Interesse der Mitbewerber, die Balkan-Spezialitäten herstel-
len.
Die Antragsgegnerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, eine von
ihr im Jahr 2000 in Auftrag gegeben repräsentative Umfrage (unter 2010 Perso-
nen) in Deutschland habe ergeben, dass insgesamt nur 1,2 % der Bevölkerung
eine Speise namens "Pindjur" kennen (1,4 % in West-Deutschland, 0,4 % in Ost-
Deutschland, der Großteil der Pindjur-Kenner stammt mit 2,6 % aus Bayern). Dies
sei nicht ausreichend für die Bejahung eines Freihaltebedürfnisses der Mitbewer-
ber, zumal nicht einmal feststehe, ob sich diese Kenntnis nicht auf die angegriffe-
ne Marke beziehe, denn mit dieser werde seit vielen Jahren eine Gemüsezubrei-
tung gekennzeichnet.
Die Antragstellerin hält die Ausführungen der Markenabteilung für zutreffend.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts eine Nachschau im Internet
gehalten. Das Ergebnis hiervon wurde mit den Beteiligten erörtert.
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II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§ 66 Abs 1 MarkenG), in der
Sache jedoch nicht begründet. Die Marke "Pindjur" ist zu Recht für die og Waren
gelöscht worden, denn sowohl zum Eintragungszeitpunkt, als auch jetzt steht einer
Eintragung in die Markenrolle das Schutzhindernis des § 8 Absatz 2 Nr 2 Marken-
gesetz (Freihaltebedürfnis) entgegen (§ 50 Abs 1 Nr 3, Abs 2 MarkenG).
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat zu keinem Zeitpunkt die Richtigkeit der
teilweise in kyrillischer Schrift vorgelegten Fundstellen aus mazedonischen, ma-
zedonisch-albanischen und mazedonisch-rumänischen Wörterbüchern und einem
mazedonischen Kochbuch – sämtliche zeitlich weit vor dem Eintragungszeitpunkt
herausgegeben – bestritten, wonach "Pindjur" der Name für eine traditionelle ma-
zedonische Gemüsezubereitung aus Paprika, Auberginen und Tomaten ist. Sie
meint aber, diese Speise sei in Deutschland im allgemeinen derart unbekannt,
dass ein Freihalteinteresse der Mitbewerber nicht bestehe.
Fremdsprachige beschreibende Marken unterliegen dann einem Freihaltebedürf-
nis, wenn entweder die beschreibende Bedeutung von den inländischen Ver-
kehrskreisen ohne weiteres erkannt wird, oder wenn die Mitbewerber den fragli-
chen Begriff für den inländischen Warenvertrieb oder den Im- und Export benöti-
gen (vgl hierzu Althammer, Ströbele, MarkenG, § 8 Rdz 131 ff). Der Antragsgeg-
nerin ist Recht zu geben, dass bei fremdsprachigen Marken das Freihalteinteresse
der Mitbewerber in Hinblick auf seine tatsächliche und rechtliche Beachtlichkeit
besonders sorgfältig geprüft werden muss, im vorliegenden Fall jedoch ist es in
jeder Hinsicht zu bejahen. Für das Interesse der Mitbewerber ist von Bedeutung,
ob eine Verwendung des Begriffes im Inland wahrscheinlich ist, was sich nach der
Art der Ware, dem Umsatz im In- und Ausland und insbesondere nach der Nähe
der Marke zum Produkt richtet. "Pindjur" aber beschreibt oder umschreibt nicht
ist
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Name
Nachweis des Interesses der Mitbewerber weitaus geringer, denn es ist nicht er-
sichtlich mit welch anderem Namen als der Marke sie ihre Ware beschreiben soll-
ten. Diese Balkanspezialität ist im Inland auch nicht derart unbekannt, dass man
von einem nur hypothetischen Allgemeininteresse an der Freihaltung sprechen
könnte. Im Internet fanden sich neben den beiden Beteiligten noch vier weitere
Hersteller, die dieses Gemüse in konservierter Form anbieten. Der Name "Pindjur"
erscheint weiters in einem Buch "Makedonien, Reiches armes Land" unter der
Rubrik "Traditionelle makedonische Gerichte", bei einem Rezept (in engl. Spra-
che), auf einer Speisekarte eines Restaurants in Jugoslawien, sowie auf der Ho-
mepage einer Umweltorganisation aus Mazedonien (Union of Enviromental Orga-
nisations of Republic of Macedonia) als mazedonisches Nationalgericht. Berück-
sichtigt man weiter die zahlreichen Einwanderer aus dem mazedonischen und al-
banischen Sprachraum, sowie die besonderen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Mazedonien aufgrund der Nato-Schutztruppe, so ist die Möglichkeit, dass
Pindjur als Name einer Gemüsespezialität benötigt wird, naheliegend. Aber auch
unabhängig von den Ex- und Importinteressen ist ein Freihaltebedürfnis zu beja-
hen, denn Marken, die nichts anderes sind als der Name des Produkts selbst,
können auch dann nicht von einen Mitbewerber monopolisiert werden, wenn sich
diese Produkte an einen – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – eher zahlenmä-
ßig geringen Anteil der Verbraucherkreise richten (hier Liebhaber von Balkanspe-
zialitäten). Ein solcher Fall ist nicht anders zu behandeln, als die Versagung der
Eintragung von speziellen, nur wenigen bekannten Fachbegriffen (vgl BGH GRUR
1994, 370 – rigidite III; BPatG GRUR 1997, 286 – VODNI STAVBY).
Ob darüber "Pindjur" ohne Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 1 Nr 1 MarkenG
ist, braucht nicht entschieden zu werden, obwohl vieles dafür spricht, dass die
Kenntnis der hier interessierten Kreise - zu denen neben den aus diesem Sprach-
raum Zugewanderten im gewissen Umfang auch deren Nachkommen zählen (die
häufig deutsche Staatsangehörige sind), denn gerade regionale Essensgewohn-
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heiten werden oft über Generationen beibehalten – ausreicht um dieses Schutz-
hindernis ebenfalls zu bejahen.
Die Beschwerde ist demnach ohne Erfolg.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Absatz 1 war nicht veranlaßt.
Schwarz-Angele Paetzold
Voit
Bb