Urteil des BPatG vom 12.02.2008

BPatG (stand der technik, patg, lehre, fachmann, abstand, technik, patentanspruch, verbindung, stand, breite)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
3 Ni 65/05
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
12. Februar 2008
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
08.05
- 2 -
betreffend das deutsche Patent 196 36 021
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2008 unter Mitwirkung der Vorsitzen-
den Richterin Dr. Schermer sowie der Richter Engels, Dipl.-Chem. Dr. Egerer,
Dipl.-Phys. Dr. Maksymiw sowie der Richterin Dipl.-Chem. Zettler
für Recht erkannt:
1. Das deutsche Patent 196 36 021 wird dadurch teilweise für
nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält
„Verschalung
oder
Verkleidung für Wände und Böden von Ge-
bäudeteilen, insbesondere als Belag für Balkone, Terrassen
oder dergleichen, aus einer Reihe von aus Brettern oder Boh-
len bestehenden Plattenelementen, deren Längsränder ha-
kenfalzartig ineinander eingreifen, gekennzeichnet durch die
folgenden Merkmale:
a. In beide Längsränder (16) jedes Plattenelementes (14) ist
eine im Querschnitt U-förmige Rinne (18) eingearbeitet;
b. die Rinnen (18) jedes beidseitig verwendbaren Plattenele-
ments sind punktsymmetrisch zueinander ausgebildet
derart, dass die eine Rinne (18) zur Oberseite (20) des
Plattenelements (14) und die andere zu dessen Unter-
seite (22) hin offen ist;
c) der in die Rinne (18) des benachbarten Plattenelemen-
tes (14) eingreifende, äußere Schenkel (24) der U-förmi-
gen Rinne (18) ist niedriger als der innere U-Schen-
kel (26);
- 3 -
d) der äußere kürzere U-Schenkel (24) hat im zusammenge-
fügten Zustand von zwei nebeneinanderliegenden Plat-
tenelementen (14) einen Abstand zum Nutgrund (28) der
Rinne (18), in die er eingreift,
wobei durch die Höhe der äußeren, kürzeren U-Schen-
kel (24) und die daran angepasste, etwas größere Tiefe
der Rinne (18) zwischen dem Nutgrund (28) und dem
freien Ende des jeweiligen Schenkels (24) ein horizontaler
Zwischenraum frei bleibt, der einerseits für eine
Durchlüftung sorgt und andererseits eine Kapillarwirkung
eintretender Feuchtigkeit verhindert;
e) die Stärke des äußeren, kürzeren U-Schenkels (24) ist ge-
ringer als die Breite der am benachbarten Plattenele-
ment (14) ausgebildeten Rinne (18) in die er eingreift,
wobei jeweils zwischen zwei Brettern (14) einerseits eine
nach oben offene Regenrinne (30) gebildet ist, während
andererseits eine nach unten hin offene Bewegungs-
fuge (32) freibleibt.“
und sich der erteilte Patentanspruch 2 hieran anschließt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgeho-
ben.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
vollstreckbar.
- 4 -
Tatbestand
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 5. September 1996 angemeldeten
deutschen Patents 196 36 021 (Streitpatent), dessen Erteilung am 1. April 1999
veröffentlicht wurde. Das Streitpatent nimmt die innere Priorität der deutschen
Gebrauchsmusteranmeldung 295 17 128.6 vom 28. Oktober 1995 in Anspruch.
Das Streitpatent trägt die Bezeichnung
„Verschalung oder Verkleidung“
und umfasst 2 Patentansprüche, die mit der vorliegenden Nichtigkeitsklage ange-
griffen sind, und wie folgt lauten:
„1. Verschalung oder Verkleidung für Wände und Böden von Ge-
bäudeteilen, insbesondere als Belag für Balkone, Terrassen
oder dergleichen, aus einer Reihe von aus Brettern oder Boh-
len bestehenden Plattenelementen, deren Längsränder ha-
gekennzeichnet durch
folgenden Merkmale:
a. In beide Längsränder (16) jedes Plattenelementes (14) ist
eine im Querschnitt U-förmige Rinne (18) eingearbeitet;
b. die Rinnen (18) jedes beidseitig verwendbaren Plattenele-
ments sind punktsymmetrisch zueinander ausgebildet
derart, dass die eine Rinne (18) zur Oberseite (20) des
Plattenelements (14) und die andere zu dessen Unter-
seite (22) hin offen ist;
c. der in die Rinne (18) des benachbarten Plattenelemen-
tes (14) eingreifende, äußere Schenkel (24) der U-förmi-
gen Rinne (18) ist niedriger als der innere U-Schen-
kel (26);
- 5 -
d. der äußere, kürzere U-Schenkel (24) hat im zusammenge-
fügten Zustand von zwei nebeneinanderliegenden Platten-
elementen (14) einen Abstand zum Nutgrund (28) der
Rinne (18), in die er eingreift;
e. die Stärke des äußeren, kürzeren U-Schenkels (24) ist ge-
ringer als die Breite der am benachbarten Plattenele-
ment (14) ausgebildeten Rinne (18), in die er eingreift.
2. Verschalung
oder
Verkleidung
nach Anspruch 1, dadurch ge-
kennzeichnet, dass zwischen den Nutgrund (28) der Rinne
(18) und den darin eingreifenden Schenkel (24) ein Dicht-
streifen eingelegt ist.“
Die Klägerin stützt die Klage darauf, dass der Gegenstand des Patents bereits
durch die Druckschrift US 1 823 039 (E2) neuheitsschädlich vorweggenommen
sei, zumindest aber gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit beruhe. Auch fehle es an der gewerblichen Anwendbarkeit der be-
haupteten Erfindung (Klageschriftsatz vom 11. Dezember 2005, Seite 2, Ab-
satz 5). Zur Begründung stützt sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:
E1
E2
E3
E5
nen, A. Verbindungen einzelner Hölzer mit einander“, erschienen um
1855, zwei Seiten in Kopie
E6
E7
E8
- 6 -
Die Klägerin beantragt,
das Patent DE 196 36 021 in vollem Umfang für nichtig zu erklä-
ren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und verteidigt hilfsweise das Streit-
patent mit nachfolgender Fassung der Merkmale d und e im erteilten Patentan-
spruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2008:
d. der äußere, kürzere U-Schenkel (24) hat im zusammengefüg-
ten Zustand von zwei nebeneinanderliegenden Plattenele-
menten (14) einen Abstand zum Nutgrund (28) der Rinne (18),
in die er eingreift,
wobei durch die Höhe der äußern, kürzeren U-Schenkel (24)
und die daran angepasste, etwas größere Tiefe der Rinne (18)
zwischen dem Nutgrund (28) und dem freien Ende des jewei-
ligen Schenkels (24) ein horizontaler Zwischenraum frei bleibt,
der einerseits für eine Durchlüftung sorgt und andererseits
eine Kapillarwirkung eintretender Feuchtigkeit verhindert;
e. die Stärke des äußeren, kürzeren U-Schenkels (24) ist gerin-
ger als die Breite der am benachbarten Plattenelement (14)
ausgebildeten Rinne (18), in die er eingreift,
wobei zwischen jeweils zwei Brettern (14) einerseits eine nach
oben offene Regenrinne (30) gebildet ist, während anderer-
seits eine nach unten hin offene Bewegungsfuge
(32)
freibleibt.
- 7 -
Der Beklagte macht geltend, dass in der E2 die Hakenfalze auf die Funktion als
reine Halte- und Verriegelungsvorrichtungen für nebeneinanderliegende Elemente
beschränkt seien, die dem Ziel einer form- und kraftschlüssigen, praktisch fugen-
losen, wetterfesten Verbindung diene, während im Gegensatz hierzu im Streitpa-
tent ein vollkommen berührungsfreies Ineinandergreifen von Rinne und Nutschen-
kel angestrebt sei, um einen sicheren Wasserabfluss sowie eine gute Durchlüftung
und Ableitung von Feuchtigkeit zu gewährleisten.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien sowie der vorgelegten Doku-
mente wird auf den Akteninhalt und die Sitzungsniederschrift vom
12. Februar 2008 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Sie führt aufgrund des geltend ge-
machten Nichtigkeitsgrundes fehlender Patentfähigkeit zur teilweisen Nichtigerklä-
rung des Streitpatents in dem im Tenor genannten Umfang (§§ 22 Abs. 1, 21
Abs. 1 Nr. 1 PatG). Im Übrigen hat die Klage jedoch keinen Erfolg und war des-
halb abzuweisen.
1.
das Streitpatent eine Verschalung oder Verkleidung für Wände und Böden von
Gebäudeteilen, insbesondere als Belag für Balkone, Terrassen oder dergleichen,
aus einer Reihe von aus Brettern oder Bohlen bestehenden Plattenelementen, de-
ren Längsränder hakenfalzartig ineinander eingreifen.
In Spalte 1, Zeilen 9 bis 29, ist einleitend ausgeführt, dass es zum Verschalen von
Wänden üblich sei, Bretter zu verwenden, deren Längsränder über eine Nut- und
Federverbindung ineinander eingriffen. Aufgrund von Temperaturschwankungen
sei im Laufe der Zeit häufig ein Schwinden der Bretter nicht zu vermeiden. Es ent-
- 8 -
ständen Fugen zwischen den einzelnen Brettern, durch die Schmutz und Feuch-
tigkeit hindurchtreten könnten. Im Bereich von Balkonen werde als Fußboden
häufig ein Bretterbelag verwendet, der in seiner einfachsten Ausführung aus
stumpf nebeneinanderliegenden Brettern bestehe, weshalb mehr oder weniger
breite, offene Fugen nicht zu vermeiden seien, durch die Fremdkörper und Re-
genwasser auf die darunterliegenden Balkone gelange. Eine Verbesserung könne
dadurch erreicht werden, dass die Längsränder der nebeneinanderliegenden
Bretter oder Bohlen spiegelbildlich zueinander abgestuft seien. Allerdings lasse
sich auch hier die Weiterleitung von Feuchtigkeit, insbesondere aufgrund einer
Kapillarwirkung, nicht vermeiden. Auch bestehe die Gefahr, dass sich in den ab-
gestuften Fugen Feuchtigkeit ansammle, die zu einem Verrotten der Längsränder
der Bretter führe.
Zum druckschriftlichen Stand der Technik verweist die Streitpatentschrift hierzu in
Spalte 1, Zeilen 30 bis 40, auf die EP 0 562 402 A (E1), aus der Platten aus hoch-
verdichtetem, thermoplastischem Kunststoff für hochbeanspruchte Bodenbeläge
bekannt seien, deren Längsränder hakenfalzartig so eng ineinander eingriffen,
dass ein Plattenverbund mit fugenloser Nutzfläche hergestellt werden könne. Die
Platten seien so verlegt, dass entweder alle in Längsrichtung und in Querrichtung
verlaufenden Kanten jeweils miteinander fluchteten oder dass durch versetzte An-
ordnung nur die Längskanten miteinander fluchteten. In beiden Fällen lasse sich
ein Flüssigkeitsstau an den Stoßstellen nicht vermeiden.
2.
Spalte 1, Zeilen 41 bis 47 i. V. m. Zeilen 3 bis 8, als zu lösendes technisches
Problem, einen aus Holz oder auch anderen Werkstoffen bestehenden Belag, der
aus einer Reihe von Brettern oder Bohlen besteht und deren Längsränder haken-
falzartig ineinander eingreifen, für Wände und Böden von Gebäudeteilen zur Ver-
fügung zu stellen, bei dem einerseits eine sichere Ableitung von Feuchtigkeit oder
Wasser gewährleistet ist und andererseits ein Durchtreten von Fremdkörpern und
Wasser senkrecht zur Belagsfläche vermieden wird.
- 9 -
3.
(Hauptantrag), nach Merkmalen gegliedert, eine
M1
Verschalung oder Verkleidung für Wände und Böden von
Gebäudeteilen,
M2
insbesondere als Belag für Balkone, Terrassen oder
dergleichen,
M3
aus einer Reihe von aus Brettern oder Bohlen bestehen-
den Plattenelementen,
M4
deren Längsränder hakenfalzartig ineinander eingreifen,
gekennzeichnet durch
a)
in beide Längsränder (16) jedes Plattenelementes (14) ist
eine im Querschnitt U-förmige Rinne (18) eingearbeitet;
b)
die Rinnen (18) jedes beidseitig verwendbaren Plattenele-
ments sind punktsymmetrisch zueinander ausgebildet
derart, dass die eine Rinne (18) zur Oberseite (20) des
Plattenelements (14) und die andere zu dessen Unter-
seite (22) hin offen ist;
c)
der in die Rinne (18) des benachbarten Plattenelemen-
tes (14) eingreifende, äußere Schenkel (24) der U-förmi-
gen Rinne (18) ist niedriger als der innere U-Schen-
kel (26);
d)
der äußere, kürzere U-Schenkel (24) hat im zusammenge-
fügten Zustand von zwei nebeneinanderliegenden Platten-
elementen (14) einen Abstand zum Nutgrund (28) der
Rinne (18), in die er eingreift;
- 10 -
e)
die Stärke des äußeren, kürzeren U-Schenkels (24) ist
geringer als die Breite der am benachbarten Plattenele-
ment (14) ausgebildeten Rinne (18), in die er eingreift.
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 der Streitpatentschrift veranschaulicht
den Erfindungsgegenstand anhand einer Ausführungsform.
4.
Fachmann
jähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und industriellen Ferti-
gung von Verschalungen und Bodenbelägen für den Ausbau von Gebäuden anzu-
sehen.
II.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit führt zur Nich-
tigerklärung des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten, erteilten
Fassung, da die technische Lehre dieses Patentgegenstand gegenüber dem sich
aus der US 1 823 039 (E2) ergebenden Stand der Technik nicht neu ist.
- 11 -
1) Die amerikanische Patentschrift 1 823 039, von der die Klägerin in der mündli-
chen Verhandlung am 12. Februar 2008 eine deutsche Übersetzung überreicht
hat, beschreibt in den Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1 bis 3 eine
Verschalung oder Verkleidung für Wände und Böden von Gebäudeteilen mit den
funktionsnotwendigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag („...
used for flooring, siding, ceiling, roofing, and various other purposes ...“: Seite 1,
Zeilen 25 bis 27). Diese bekannte Verschalung oder Verkleidung umfasst gemäß
Figur 3 i. V. m. Figur 1 oder Figur 2 eine Reihe von aus Brettern bestehenden
Plattenelementen, deren Längsränder hakenfalzartig ineinander eingreifen
E2
M1
nen Hauptanspruchs, wobei zu berücksichtigen ist, dass die mit „insbesondere“
M2
keine schutzbeschränkende Wirkung entfaltet.
Wie beim Streitpatent ist
-
in beide Längsränder jedes Bretts (board 4) bzw. Plattenelements
eine im Querschnitt U-förmige Rinne (groove 11 and groove 16) ein-
gearbeitet (vgl. z. B. Figur 1),
-
wobei die Rinnen punktsymmetrisch derart zueinander ausgebildet
sind, dass die eine Rinne (groove 11) zur Oberseite (face 5) des
Bretts (board 4) und die andere Rinne (groove 16) zu dessen Unter-
seite (face 6) hin offen ist, so dass jedes Brett oder Plattenelement
beidseitig verwendbar und austauschbar ist (vgl. z. B. Figur 1 i. V. m.
Seite 1, Zeile 86 bis Seite 2, Zeile 19 und Seite 2, Zeilen 49 bis 60);
-
dabei ist der in die Rinne (groove 16) des benachbarten Plattenele-
ments (board 4) eingreifende, äußere Schenkel (outwardly extending
portion 12, vertical edge 13 and tongue 14) der U-förmigen Rinne
(groove 16) niedriger als der innere U-Schenkel (vertical edge 15)
(vgl. z. B. Figur 1 i. V. m. Seite 1, Zeile 86 bis Seite 2, Zeile 9).
- 12 -
E2
E2
E2
boards ... to form a tongue and an immediately adjacent groove at each of said
side edges, said tongues being sufficently shorter and narrower than said grooves
to provide play in mutually transverse directions between adjacent boards ...“.
E2
zum Nutgrund der Rinne hat, in die er eingreift („being sufficently shorter“) (Merk-
d
als die Breite der am benachbarten Plattenelement ausgebildeten Rinne, in die er
e
E2
der Rinne zu erkennen sowie die geringere Breite des eingreifenden Schenkels im
Vergleich zur Rinne. Zudem ist in der Beschreibung erwähnt, dass ein Abstand
zwischen den einander zugewandten Flächen der U-Schenkel verbleibt. So heißt
es auf Seite 2, Zeilen 20 bis 24: „It will also be noted from Figs. 1 and 2 that the
tongues 9 and 14 are of less width than the grooves 11 and 16 so that a space 17
is left between opposing faces of the tongues 9 and 14“.
E2
standes gemäß Anspruch 1 erteilter Fassung unmittelbar zu entnehmen, weshalb
dieser Patentanspruch mangels Neuheit nicht patentfähig ist.
2) An dieser Feststellung ändert auch die Argumentation des Beklagten nichts,
E2
lungseinrichtung für nebeneinanderliegende Plattenelemente beschränkt seien,
die dem Ziel einer form- und kraftschlüssigen, selbsttragenden, praktisch fugen-
losen, wetterfesten Verbindung diene. Denn der in Figur 2 von E2 gezeigte Zwi-
schenraum 17 solle nur in engen Grenzen ein Schrumpfen oder Schwinden des
Holzes ermöglichen, was bei Temperatur- und Feuchteschwankungen im Holz nie
E2
dem die äußeren Nutschenkel zwar ebenfalls kürzer und schmaler dimensioniert
- 13 -
sein könnten als die von äußerem und innerem Nutschenkel gebildete Rinne, sich
die Randelemente jedoch mit dem Ziel einer form- und kraftschlüssigen Verbin-
dung ineinander verzahnten bzw. sich gegenseitig verriegelten und abstützten,
wobei - sofern dieser Effekt nicht bereits durch ein Aufquellen des äußeren Nut-
schenkels bei Feuchtigkeitseinwirkung von selbst eintrete – zusätzlich Dichtungs-
material eingebracht werde, um eine wetterfeste, also gerade möglichst undurch-
lässige Verbindung zwischen den einzelnen Elementen zu erzielen.
Im Unterschied dazu sei beim Streitpatent - wie dessen Figur 2 zeigt - ein vollkom-
men berührungsfreies Ineinandergreifen von Rinne und Nutschenkel angestrebt.
Der kontaktlose Eingriff des äußeren Nutschenkels in die Rinne des benachbarten
Bretts ermögliche bei feuchtem Wetter eine Ausdehnung der Bretter, ohne dass
die Randelemente sich dabei berührten oder sich aufwölbten. Der kontaktlose Ein-
griff ermögliche bei Trockenheit auch Kontraktionsbewegungen, d. h. Schwund,
ohne dass die Randelemente abrissen. Weiter gewährleiste der kontaktlose Ein-
griff jederzeit eine offenbleibende Rinne und damit ungehinderten Abfluss von Re-
genwasser.
Der Senat kann sich dieser Argumentation im Hinblick auf den Anspruch 1 erteilter
Fassung nicht anschließen, denn unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der
Streitpatentschrift kann aus Sicht des angesprochenen Fachmannes auch aus der
a)
teilter Fassung die darin enthaltene Lehre nicht einengend so verstanden werden,
wie es der Patentinhaber unter Hinweis auf die Figur 2 der Streitpatentschrift gel-
tend macht.
Maßgebliche Grundlage dafür, was durch das Streitpatent unter Schutz gestellt ist,
ist der Inhalt der Patentansprüche, die unter Berücksichtigung von Beschreibung
und Zeichnungen auszulegen sind (st. Rspr., vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 959 -
Pumpeinrichtung - unter Hinweis auf BGH GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige
Vereinzelungseinrichtung). Die Auslegung der Patentansprüche dient neben der
Behebung etwaiger Unklarheiten und der Erläuterung der darin verwendeten Be-
griffe vor allem auch der Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort be-
- 14 -
schriebenen Erfindung (BGH GRUR 2002, 515, 516 - Schneidmesser I - m. w. H.;
Keukenschrijver in Busse, PatG 6. Aufl., § 14 Rn. 43). Dabei darf aber die Einbe-
ziehung von Beschreibung und Zeichnungen nicht zu einer sachlichen Einengung
oder inhaltlichen Erweiterung des durch den Wortlaut des Patents festgelegten
Gegenstandes führen (st. Rspr. vgl. z. B. GRUR 2007, 59 - Pumpeinrichtung und
BGH GRUR 2007, 778, 779 - Ziehmaschinenzugeinheit m. w. H.). Eine Auslegung
unterhalb des Wortlauts (im Sinne einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der
Patentansprüche ist generell nicht zulässig (BGH GRUR 2007, 309 - Schussfä-
dentransport).
Dass sich vorliegend die Beschreibung und das Ausführungsbeispiel gemäß Fi-
gur 2 des Streitpatents ausschließlich auf eine bestimmte Ausführungsform be-
zieht, schränkt den weiter zu verstehenden Sinngehalt des Patentanspruchs 1 er-
teilter Fassung nicht auf diese Ausführungsform ein (BGH GRUR 2007, 309 -
Schussfädentransport). Denn auch die die Plattenelemente näher kennzeichnen-
a)
ten, ineinander greifenden Plattenelemente formschlüssig bzw. fugenfrei oder mit
Spiel aneinandergefügt werden. Nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 ist nämlich
E2
geschlossen, so dass dann weder eine offene Regenrinne (30) noch eine vertikale
Bewegungsfuge (32) ausgebildet wird. Ausgehend von der berührungsfreien Dar-
stellung in Figur 2 des Streitpatents ist dazu nur eine Verschiebung der Platten-
elemente aus der gezeigten kontaktlosen Stellung bis zum Anschlag der Längs-
kanten zweier Plattenelemente notwendig, um eine formschlüssige, fugenfreie
Verbindung zu erhalten. Bei einer solchen bezüglich der Längskanten zweier be-
nachbarter Plattenelemente fugenfreien Verlegung vergrößert sich dann zwangs-
läufig der freie Raum bzw. der Abstand zwischen den einander zugewandten In-
nenflächen der beiden U-Schenkel entsprechend der Darstellung in den Figuren 1
E2
a)
E2
- 15 -
gründen. Vielmehr hätte es hierzu der weiteren kennzeichnenden Bestimmung
von Merkmalen bedurft, welche die Verschalung oder Verkleidung, d. h. die An-
ordnung der Bretter oder Bohlen zueinander betreffen, so wie sie der Beklagte in
der hilfsweise verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 aufgenommen hat.
III.
Soweit der Beklagte das Streitpatent gemäß Hilfsantrag in beschränkter Fassung
verteidigt, hat die Klage jedoch keinen Erfolg, da sich die Beschränkung als zuläs-
sig und die insoweit verteidigte Fassung dieses Patentgegenstandes auch gegen-
über dem Stand der Technik als neu und erfinderisch erweist.
1) Die Beschränkung erweist sich als zulässig.
d)
len sind in den ursprünglich eingereichten Annmeldeunterlagen offenbart, wie ins-
besondere Figur 2 und die diesbezüglichen Ausführungen in Beschreibung - vgl.
e)
d)
Beschränkung des Patentanspruchs 1 übernommen hat. Es liegt damit weder un-
zulässige Erweiterung des Gegenstands des Patents gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4
PatG vor noch wird sein Schutzbereich erweitert (§ 22 Abs. 1 PatG).
2) Der beschränkte Patentgegenstand ist entgegen der Ansicht der Klägerin
auch gewerblich anwendbar.
Gemäß § 5 Abs. 1 PatG gilt eine Erfindung als gewerblich anwendbar, wenn ihr
Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirt-
schaft hergestellt oder benutzt werden kann. Gewerblich Anwendbarkeit ist dabei
bereits zu bejahen, wenn das Erfundene seiner Art nach geeignet ist, entweder in
einem technischen Gewerbebetrieb hergestellt zu werden oder technische Ver-
wendung in einem Gewerbe zu finden (vgl. Keukenschrijver in Busse PatG
- 16 -
6. Aufl., § 5 Rdn. 8). Hierbei ist es deshalb nach richtiger Ansicht auch unerheb-
lich, ob die konkrete gegebene Lehre technisch brauchbar oder ausführbar ist.
Denn diese Fragen betreffen lediglich den konkreten Offenbarungsgehalt der Pa-
tentschrift, während die generelle Eignung einer gewerblichen Anwendbarkeit al-
lein danach zu beurteilen ist, ob der Erfindungsgegenstand der praktischen Ver-
wertung in einem Gewerbebetrieb überhaupt zugänglich ist (vgl. Asendorf/Schmidt
in Benkard, PatG 10. Aufl. § 5 Rdn. 4 und Rdn. 7, Keukenschrijver in Busse PatG
6. Aufl., § 5 Rdn. 8 und Fußnote 13; a. A. Schulte PatG, 7. Aufl., § 5 Rdn. 11).
Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an. Denn der Senat sieht
keine Anhaltspunkte dafür, das die gemäß Hilfsantrag verteidigte technische Lehre
im Hinblick auf die anerkannten physikalischen Gesetze technisch überhaupt nicht
realisierbar i. S. v. § 1 PatG oder im engeren Sinne ausführbar i. S. v. § 34 IV
PatG, zumal es hierfür unerheblich ist, ob die in der Patentschrift angegebene
(subjektive) Aufgabe und die darin angestrebten vorteilhaften Wirkungen auch tat-
sächlich realisierbar sind. Eine weitergehende Patentierungsvoraussetzung auf-
gabengemäßer Ausführbarkeit gibt es nicht (vgl. BPatG GRUR 2006, 1015, 1016 -
Neurodermitis-Behandlungsgerät). Kommt es deshalb für die Beurteilung der Pa-
tentfähigkeit der beanspruchten technischen Lehre und ihrer Ausführbarkeit aus-
schließlich auf den in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten Erfindungs-
gegenstand und die darin enthaltenen Anweisungen zum technischen Handeln an
(vgl. BGH Mitt 2000, 105, 107 - Extrusionstopf), so steht vorliegend außer Zweifel,
dass die beanspruchte Verschalung oder Verkleidung in der Ausgestaltung nach
Patentanspruch 1 objektiv für den Fachmann unter Berücksichtigung des gesam-
ten Offenbarungsgehalts des Patents ausführbar ist und nachgearbeitet werden
kann.
3) Der beschränkte Patentgegenstand ist auch neu i. S. v. § 3 PatG und wird
E2
Anders als gemäß Patentanspruch 1 erteilter Fassung ist der Gegenstand der
d)
Merkmale
- 17 -
d)
kel (24) und die daran angepasste, etwas größere Tiefe der
Rinne (18) zwischen dem Nutgrund (28) und dem freien Ende
des jeweiligen Schenkels (24) ein horizontaler Zwischenraum
frei bleibt, der einerseits für eine Durchlüftung sorgt und ande-
rerseits eine Kapillarwirkung eintretender Feuchtigkeit verhin-
dert;
e)
nach oben offene Regenrinne (30) gebildet ist, während ande-
rerseits eine nach unten hin offene Bewegungsfuge
(32)
freibleibt
auf die in Figur 2 der Streitpatentschrift abgebildete Ausführungsform sich nicht
berührender Schenkel und einer gebildeten Regenrinne (30) wie auch Bewe-
d)
Wortlaut der Beschreibung aufgenommenen Formulierung wird nicht nur sicherge-
stellt, dass zwischen jeweils zwei Brettern (14) einerseits eine nach oben offene
Regenrinne (30) gebildet wird, während andererseits eine nach unten hin offene
Bewegungsfuge (32) freibleibt. Die insoweit hinzugefügte Dimensionierung und
Bestimmung eines horizontalen Zwischenraumes sowie die weitere funktionelle
Angabe, dass dieser Zwischenraum einerseits für eine Durchlüftung sorgt und an-
dererseits eine Kapillarwirkung eintretender Feuchtigkeit verhindert, stellen ferner
klar, dass die so näher bestimmten Schenkel an keiner Stelle - weder horizontal
noch vertikal - Berührungspunkte aufweisen und die Merkmale der nach oben of-
fenen Regenrinne mit durchlaufend offener Bewegungsfuge nach unten hin nicht
einengend so zu verstehen sind, dass diese sich nur auf eine Ebene beziehen.
E2
kleidung, bei welcher die einzelnen Bretter oder Bohlen völlig berührungsfrei der-
gestalt verlegt werden, dass sich eine offene Regenrinne mit durchlaufend offener
- 18 -
E2
„space 17“ beschrieben ist.
Wesentlich für das Verständnis des Fachmanns ist insoweit, dass - anders als die
streitgegenständliche Lehre des Klagepatents - die dortige technische Lehre auf
die Schaffung einer kraft- und formschlüssigen Verbindung von Holzbrettern ge-
richtet ist. Die formale Übereinstimmung der hierzu verwendeten, funktionsnot-
wendigen U-förmigen Nut- und Schenkel-Lösung (groove and tongue) darf dabei
E2
des Streitpatents nicht mit dem Vorverständnis einer vollkommen anderen Ziel-
richtung, nämlich der berührungsfreien Verlegung, liest, für welche aber ein Form-
oder Kraftschluss benachbarter Bretter gerade nicht beabsichtigt ist und die Nut
und Schenkel-Lösung zusätzlich als Merkmal einer zu optimierenden Ableitung
von Feuchtigkeit und Wasser verwendet wird.
E2
insoweit offener - Dimensionierung nicht formschlüssig verlegt werden müssen,
wird der Fachmann im Hinblick auf die andere Funktion des Hohlraums 17 und die
E2
schlüssigen Verbindung der Bretter zu einer fugenlosen Nutzfläche gerade nicht
mitlesen und ist deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht implizit
offenbart.
E2
4) Die Lehre des beanspruchten Patentgegenstands gemäß Hilfsantrag ist für
den Fachmann nicht nahegelegt und beruht auch gegenüber dem Stand der
Technik auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).
E2
Hakenfalze auf die Funktion als reine Halte- und Verriegelungsvorrichtungen für
nebeneinander liegende Bretter beschränkt sind und dem Ziel einer form- und
- 19 -
kraftschlüssigen, praktischen fugenlosen, wetterfesten Verbindung dienen, lehrt
der angegriffene Anspruch 1 beschränkter Fassung ein davon abweichendes Kon-
zept, nämlich die Ausgestaltung der Randbereiche der Bretter derart, dass eine
völlig berührungsfreie Verlegung benachbarter Bretter erzielt wird, wie vorstehend
d)
E2
wird.
Der Fachmann findet auch im sonstigen entgegengehaltenen Stand der Technik,
der in der mündlichen Verhandlung keine wesentliche Rolle mehr gespielt hat, zu
der diesbezüglichen Lehre des Anspruchs 1 beschränkter Fassung weder Vorbild
noch Anregung.
E1
E1
Figur 4 i. V. m. Spalte 7, Zeilen 32 bis 38), jedoch sind die nutzflächenseitigen und
E1
E1
d. h. auch bei Ausbildung der nutzflächenseitigen Fuge als Regenrinne und der
anlageseitigen Fuge als Bewegungsfuge gemäß Figur 4 sind in E1 die Vorsprünge
so lang, dass sie aufeinander zu liegen kommen. Insofern erhält der Fachmann
hieraus keinen Hinweis, die Dimensionierung der Vorsprünge so zu bemessen,
dass neben vertikalen Zwischenräumen auch ein diese Fugen verbindender hori-
zontaler Zwischenraum verbleibt, so dass im Verbindungsbereich an keiner Stelle,
d. h. weder vertikal noch horizontal, Kontaktpunkte vorliegen.
E3
spruchs 1 beschränkter Fassung. Die dort beschriebene fugenlose Hakenfalzver-
bindung für Verkleidungselemente macht nicht von den streitpatentgemäßen
d)
der Elemente dergestalt resultiert, dass sich eine offene Regenrinne mit durch-
laufend offener Bewegungsfuge bilden könnte.
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E5
E3
kenfalz-Verbindungstechniken.
Demgegenüber ist nicht ersichtlich, was dem Fachmann ohne rückschauende Be-
trachtung in Kenntnis des Streitpatents Anlass gegeben haben könnte, die aus
E2
nach Anspruch 1 beschränkter Fassung zu verändern. Jedenfalls ergibt sich auch
E2
E1
liegender Weise. Es sind vielmehr weitere, nicht triviale, konstruktive Überlegun-
d)
finden. Die Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist danach als auf erfinderi-
scher Tätigkeit beruhend anzusehen.
5) Die Merkmale des angegriffenen Anspruchs 2 sind auf eine vorteilhafte
Ausgestaltung des Gegenstandes nach Anspruch 1 des Hilfsantrages gerichtet.
Die Patentfähigkeit dieses Anspruchsgegenstandes wird daher von der des Be-
zugsgegenstandes mitgetragen.
- 21 -
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Dr. Schermer
Engels
Dr. Egerer
Dr. Maksymiw
Zettler
Pr