Urteil des BPatG vom 25.05.2009

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 49/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
25. Mai 2009
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 198 02 739.7-27
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2009
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unter Vorsitz des Richters
Dipl.-Ing. Bülskämper sowie unter Mitwirkung der Richterin Friehe und der Rich-
ter Dipl.-Ing. Reinhardt und Dr.-Ing. Höchst
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung ist am 26. Januar 1998 beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt mit der Bezeichnung
"Kühlvorric htung in einem Falza ufbau und Kühlve rfa hren"
eingegangen. Mit Beschluss vom 14. April 2005 hat die Prüfungsstelle für Klas-
se B 41 F des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewie-
sen. Sie war der Auffassung, der Gegenstand des in der ursprünglichen Fassung
zugrundeliegenden Patentanspruchs 1 sei dem Fachmann durch eine Zusammen-
schau des Standes der Technik nach DE 31 28 430 C2 und DE-GM 1 873 638
nahegelegt.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Be-
schwerde. Sie verfolgt die Anmeldung weiter in der ursprünglichen Fassung ge-
mäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag mit geänderten Patentansprüchen und
angepasster Beschreibung. Sie meint, die nach den jeweiligen Anträgen geltenden
Patentansprüche seien zulässig, ihre Gegenstände gegenüber dem Stand der
Technik patentfähig.
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Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
ursprünglich eingereichten Unterlagen zu erteilen,
hilfsweise mit
Patentansprüchen 1 bis 7 sowie Beschreibung Seiten 1 und 2, je-
weils überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibung Seiten 3 bis 5 sowie Zeichnungen Figuren 1 bis 3
wie Hauptantrag.
Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet:
Falzaufbau
An diesen Patentanspruch 1 schließen sich nebengeordnete Patentansprüche 2
und 8 sowie rückbezogene Patentansprüche 3 bis 7 und 9 an.
Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag stimmt bis auf eine redaktionelle Korrektur
(Klammer vor "41 bis 44, 50)" im Oberbegriff) mit Patentanspruch 1 nach dem
Hauptantrag überein. Ihm nachgeordnet sind die abhängigen Patentansprüche 2
bis 7.
Im Prüfungsverfahren war über den oben bezeichneten Stand der Technik hinaus
u. a. auch der Stand der Technik nach DE-PS 643 201 in Betracht gezogen wor-
den.
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II.
Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1.
Die Patentanmeldung betrifft eine Kühlvorrichtung in einem Falzaufbau einer
Rollenrotationsdruckmaschine und ein Kühlverfahren zum Kühlen einer in einer
Rollenrotationsdruckmaschine bedruckten Bedruckstoffbahn.
In der Beschreibungseinleitung der Anmeldung ist ausgeführt, dass sich bei einer
aus der DE 31 28 430 C2 bekannten Rollenrotationsdruckmaschine, bei der die
Bedruckstoffbahn nach dem Bedrucken nacheinander einen Trockner und ein
Kühlwerk durchlaufe und anschließend über einen Falzaufbau einem Falzapparat
zugeführt werde, gezeigt habe, dass sich die Temperatur der Bedruckstoffbahn
nach dem Verlassen des Kühlwerks und vor Eintritt in das Falzwerk der Tempera-
tur der umgebenden Raumluft annähere. Nehme die Bedruckstoffbahn und damit
die aufgebrachte Druckfarbe, beispielsweise eine Heatset-Farbe, eine Temperatur
von 30°C oder mehr an, so könnten die Farbpartikel der Druckfarbe wieder ange-
weicht werden. Dies habe ein Abschmieren der Druckfarbe an Elementen des
Falzaufbaus und des Falzwerks zur Folge. Ebenso könnten die aus der Bedruck-
stoffbahn erzeugten Produkte, die gestapelt werden sollen, miteinander verkleben.
Dies führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Druckqualität.
Das der Anmeldung zugrundeliegende und mit der für Haupt- und Hilfsantrag
gleichlautenden Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin,
Dieses Problem soll durch den Falzaufbau nach dem jeweiligen Patentanspruch 1
gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag sowie durch den Falzaufbau nach Patentan-
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spruch 2 bzw. das Kühlverfahren nach Patentanspruch 8 gemäß Hauptantrag ge-
löst werden.
2.
Als Fachmann legt der Senat einen Fachhochschul-Ingenieur der Fachrich-
tung Maschinenbau zugrunde, der bei einem Hersteller von Rollenrotationsdruck-
maschinen mit der Konstruktion von Führungs- und Transporteinrichtungen für die
bedruckte Bahn befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfah-
rung verfügt.
3.
Patentanspruch 1 nach Hauptantrag
Der Falzaufbau nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
Zur Erleichterung von Bezugnahmen auf Merkmale des Anspruchsgegenstands ist
Patentanspruch 1 nachfolgend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:
Einen typischen Aufbau einer für die Heatset-Behandlung einer Bedruckstoff-
bahn 2 geeigneten Rollenrotationsdruckmaschine zeigt die DE 31 28 430 C2 (vgl.
hier wiedergegebene Figur 1). In Transportrichtung den Druckwerken 3, 4, 5 nach-
geordnet ist ein Trockner 6, in dem durch Wärmeeinwirkung auf die bedruckte
Bahn Lösemittel der Druckfarbe verdunstet wird. An den Trockner schließt sich ein
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Kühlwerk 7 an, um
die Bahn mit der er-
hitzten
und
daher
noch klebrigen und
noch nicht wischfes-
ten Druckfarbe zu
kühlen. Nach dem
Kühlwerk 7 wird die Bahn 2 in einen Falzapparat 8 geführt, in welchem sie üb-
licherweise in Längs- und Querrichtung geschnitten und gefalzt wird. Die in der Fi-
gur dargestellten Leit- und Transportelemente des Falzapparates 8 befinden sich
- wie die Figur zeigt - vor dem Falztrichter und sind daher dem dem eigentlichen
Falzwerk vorgelagerten Falzaufbau zuzuordnen. Der Fachmann sieht diese Leit-
und Transportelemente in für ihn selbstverständlicher Weise als die bei derartigen
Falzapparaten üblichen Wendestangen bzw. Leit- und Zugwalzen an. Die
DE 31 28 430 C2 offenbart demnach einen Falzaufbau mit der Ausgestaltung
nach den o. g. Merkmalen 1 bis 3.
Im Betrieb einer derartigen typischen Druckmaschine kann es trotz Kühlung der
Bedruckstoffbahn im Kühlwerk zum Abschmieren von Druckfarbe an den von der
Bahn kontaktierten Stangen und Walzen des Falzapparates kommen. Dies kann
z. B. verursacht sein durch Wärmeaufnahme der Bahn aus der Maschinen-
saal-Atmosphäre im Abschnitt zwischen Kühlwerk und Falzapparat bzw. durch
Wärmeaufnahme im Falzapparat selbst. Denn der Falzapparat ist mit seiner Viel-
zahl von Leit- und Transportelementen und den zugehörigen Antrieben Miterzeu-
ger der Maschinensaal-Temperatur und daher ggf. sogar wärmer als die Maschi-
nensaal-Atmosphäre. Dieses prinzipielle Problem des Abschmierens von Druck-
farbe im Falzaufbau aufgrund von Umgebungs- und Bauteilwärme ist eine dem
Fachmann schon allein aufgrund seiner Fachkenntnis bewusste Tatsache, wie die
DE-PS 643 201 belegt (Seite 1, Zeilen 12 bis 22). Mit diesem Fachwissen liegt die
Beachtung der Bahntemperatur im Falzaufbau grundsätzlich im Blickfeld des
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Fachmanns, so dass er im Falle hoher zu erwartender Temperaturen - z. B. bei
unzureichend klimatisierten Maschinensälen, wie es vorliegende Anmeldung an-
gibt - ohne Weiteres Veranlassung zu besonders wirksamen Kühlmaßnahmen hat.
Dabei ist es eine schon aus maschinentechnischer Grundlagenkenntnis heraus
unschwer erkennbare Möglichkeit, die die Bahn kontaktierenden Bauelemente des
Falzaufbaus so weit zu kühlen, dass über den Berührungskontakt die Bahn und
damit die Druckfarbe auf eine Wischfestigkeit bewirkende Temperatur gekühlt
wird. Zu den die Bahn kontaktierenden Bauelementen des Falzaufbaus gehören
dabei die Leit- und Zugwalzen. Solche als von einem Kühlmittel - sei es gasförmig
oder flüssig - durchflossene Kühlwalzen auszubilden, lehrt schon die
DE 31 28 430 C2, denn die im Kühlwerk 7 angeordneten Walzen 9 bis 11 haben
selbstverständlich eine Leit- und eine Zugfunktion. Die Möglichkeit, das Ab-
schmierproblem im Falzaufbau durch Ausgestaltung desselben im Sinne des o. g.
Merkmals 4 zu beseitigen, ist dem Fachmann demnach - zumindest im Grund-
satz - schon aufgrund seiner Fachkenntnis bewusst.
Die Anmelderin meint, dass der Fachmann von dieser Möglichkeit aber nicht Ge-
brauch machen würde. Der Einsatz von Kühleinrichtungen im Falzaufbau erforde-
re einen hohen konstruktiven und betriebstechnischen Aufwand, den der Fach-
mann jedenfalls zu vermeiden habe. Der Fachmann würde daher allenfalls die
Leistung des ohnehin vorhandenen, dem Falzaufbau vorgeordneten Kühlwerks er-
höhen, z. B. durch Verlängerung (Vergrößerung) der Kühlwalzenbatterie.
Der Senat verkennt nicht, dass sich damit in der Tat eine gewisse "Reserve" an
Untertemperatur der Bedruckstoffbahn erreichen ließe. Die Erwärmung der Bahn
in dem Transportabschnitt zwischen Kühlwerk und Falzaufbau mag mit einer der-
artigen Maßnahme zumindest in gewissem Maße unterdrückt werden können.
Nicht übersehen werden darf aber, dass - wie oben ausgeführt - die die Bahn kon-
taktierenden Bauelemente des Falzaufbaus ebenfalls eine hohe Temperatur auf-
weisen. Da die Bahn aufgrund ihrer geringen Masse gegenüber den sie kontaktie-
renden Bauelementen des Falzaufbaus (bezogen auf den ein jeweiliges Bauele-
ment umschlingenden Längenabschnitt der Bahn) einen erheblich geringeren
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Wärmeinhalt hat, wird sie deren Temperatur binnen kürzester Zeit annehmen, bei
erwärmten Bauelementen sich demnach schnell entsprechend erwärmen. Dies gilt
umso mehr, als die Bahn im Falzaufbau mit einer Vielzahl von Führungs- und Zug-
elementen in Berührungskontakt tritt, wobei teilweise auch große Umschlingungs-
winkel vorliegen und demnach entsprechend große Längenabschnitte der Bahn
beaufschlagt sind. Die von der Anmelderin propagierte intensivierte "Vorkühlung"
durch das Kühlwerk mag daher allenfalls für Leit- bzw. Führungselemente unmit-
telbar am Einlauf des Falzaufbaus - je nach deren Temperatur - noch ausreichend
wirken. Im weiteren Transportweg der Bahn durch den Falzaufbau wird eine derar-
tige Vorkühlung aber keinen Erfolg haben.
Es ergibt sich demnach der Einsatz von Kühlwalzen als Leit-/Zugwalzen im Falz-
aufbau als ohne Weiteres erkennbar technisch wirksame und auch sinnvolle Maß-
nahme zur Vermeidung des Abschmierens, wobei nach Auffassung des Senats
der Aufwand zur konstruktiven Realisierung bzw. der betriebstechnische Aufwand
nicht oder zumindest nicht nennenswert größer ist als eine Erweiterung des dem
Falzaufbau vorgeordneten Kühlwerks. Der Fachmann ist demnach - entgegen der
Auffassung der Anmelderin - nicht abgehalten, die für ihn schon grundsätzlich er-
kennbare Möglichkeit der Kühlung der Bahn durch Falzaufbau-Elemente auch zu
realisieren.
Bei dieser Lage der Dinge sieht der Senat die Ausgestaltung des Falzaufbaus
nach dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag als eine dem von der
DE 31 28 430 C2 ausgehenden Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit, allein un-
ter Hinzunahme seines für ihn typischen Fachwissens mögliche Maßnahme.
Patentanspruch 1 ist deshalb nicht gewährbar.
3.1 Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag
Der Falzaufbau nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht ebenfalls
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag stimmt bis auf eine lediglich geringfügige
redaktionelle Änderung (s. o.) mit dem Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag
überein und ist daher mit diesem inhaltsgleich.
Die obenstehenden Ausführungen zu Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag
gelten deshalb hier gleichermaßen.
Bülskämper
Friehe
Reinhardt
Dr. Höchst
Ko