Urteil des BPatG vom 25.10.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
10 Ni 7/07 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
25. Oktober 2007
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
08.05
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betreffend das europäische Patent 0 597 265
(DE 593 01 209)
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-
despatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2007
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schülke sowie der Richter Dipl.-Ing.
Dr. Pösentrup, Dipl.-Ing. Frühauf, Zimmerer und Dipl.-Ing. Hilber
für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 12. Oktober 1993 angemeldeten
und in der Verfahrenssprache Deutsch u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 0 597 265 (Streitpatent), das beim
Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 593 01 209 ge-
führt wird und die Bezeichnung „Walzgerüst“ trägt. Das Patent nimmt die Priorität
einer deutschen Patentanmeldung vom 15. Oktober 1992 in Anspruch. Es umfasst
7 Patentansprüche. Der Patentanspruch 1 lautet:
"1. Walzgerüst mit zwei zueinander parallelen Walzenstän-
dern (3,4), von denen der bedienungsseitige Walzenständer (4)
von dem anderen Walzenständer (3) wegbewegbar ist, anstellbar
gelagerten Walzen, insbesondere Universalwalzgerüst (1) mit Ho-
rizontalwalzen (5, 6) und in Kassetten (17) angeordneten Vertikal-
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walzen (7), dadurch gekennzeichnet, dass ein mit dem bedie-
nungsseitigen Walzenständer
(3) wegbewegbarer Wechselrah-
men (13) die Walzen (5, 6; 7) aufnimmt."
Wegen des Wortlauts der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentan-
sprüche 2 bis 7 wird auf die Patentschrift (EP 0 597 265 B1) verwiesen
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfä-
hig, weil er nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhe. Sie nennt zum Stand der Technik die in der Streitpatentschrift zitierte
Druckschrift, nämlich die
WO 88/06930 A1 (Anlage X2),
und außerdem noch folgende Druckschriften:
US-PS 4 907 437 (Anlage X7)
JP 54-139866 A (mit englischer Übersetzung, Anlage X8)
IT-PS 1 220 852 (Anlage X9)
US-PS 5 497 644 (Anlage X10)
EP 0 163 104 A2 (Anlage X11).
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 7
gemäß Hilfsantrag Ia überreicht. Wegen des Wortlauts dieser Patentansprüche
wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 0 597 265 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklä-
ren.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, das Patent nach Maßgabe der in der mündlichen Ver-
handlung überreichten Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsan-
trag Ia aufrechtzuerhalten.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und vertritt die Auffassung, das der
Gegenstand des Patents, zumindest in der hilfsweise verteidigten Fassung, eine
patentfähige Erfindung sei.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Senat hat nicht die Überzeugung ge-
winnen können, dass dem Patentgegenstand die Patentfähigkeit fehlt (Art. II § 6
Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52 bis 57 EPÜ).
I.
1. Laut
Beschreibung
betrifft
das Streitpatent ein Walzgerüst mit in zwei zuein-
ander parallelen Walzenständern, von denen der bedienungsseitige Walzenstän-
der von dem anderen Walzenständer wegbewegbar ist, und mit anstellbar gela-
gerten Walzen, insbesondere Universal-Walzgerüst mit Horizontalwalzen und in
Kassetten angeordneten Vertikalwalzen. Die Streitpatentschrift gibt hierzu an,
dass ein Walzgerüst dieser Gattung aus der WO 88/06 930 A1 bekannt sei (Sp. 1
Z. 3 bis 11).
In der Beschreibung ist weiter ausgeführt, Horizontal- und Vertikal-Walzensätze
bekannter Gerüste seien mit Einbaustücken in Fensterausnehmungen der Stän-
derholme angeordnet, wobei sich die Einbaustücke der Horizontalwalzen paar-
weise gegen obere und untere Querträger abstützten, die über Druckmuttern von
in diese eingreifenden, axial unverschiebbaren, drehbar gelagerten, beiderseits
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der Walzlinie einander gegenüberstehenden Paaren von Anstellspindeln gehalten
würden. Damit zum Walzenwechsel die Querjoche nicht mehr von den übrigen
Walzgerüstteilen abgehoben zu werden brauchten, sei bei einer aus der
DE 30 39 203 C bekannten Universalgerüst-Bauweise das obere Querjoch zwei-
geteilt, so dass es sich ausschwenken und nach dem Walzenwechsel wieder zu-
rückschwenken lasse. Dazu seien Schwenkmechanismen erforderlich, z. B. in
Form hydraulischer Schwenkzylinder (Sp. 1 Z. 25 bis 41).
Gemäß einer älteren Anmeldung werde der Walzenwechsel dadurch vereinfacht,
dass bei einem Walzgerüst, bei dem die horizontalen Walzen einbaustücklos von
in den Walzenständern angeordneten Lagern aufgenommen seien, der von den
Antriebselementen abgewandte bedienungsseitige Walzenständer mit den Lagern
in Walzachsrichtung der Horizontalwalzen von dem anderen Walzenständer weg-
bewegbar sei. Nach dem Verschieben des bedienungsseitigen Walzenständers
lägen nicht nur die Horizontalwalzen, sondern auch die in Kassetten gelagerten
Vertikalwalzen frei und seien vom Inneren des auseinandergezogenen Walzge-
rüstes her zugänglich (Sp. 1 Z. 42 bis 57).
Als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe ist angegeben, bei einem gattungs-
gemäßen Walzgerüst, insbesondere Universal-Walzgerüst, den Walzenwechsel
weiter zu vereinfachen und die Stillstandszeiten der Walzstraße beim Walzen-
wechsel zu verringern (Sp. 2 Z. 4 bis 8).
2. Das Walzgerüst nach Patentanspruch 1 zur Lösung dieser Aufgabe hat fol-
gende obligatorische Merkmale:
1.
Das Walzgerüst hat zwei zueinander parallele Walzenstän-
der (3, 4),
2.
der bedienungsseitige Walzenständer 4 ist von dem anderen
Walzenständer 3 wegbewegbar,
3.
in den Walzenständern sind Walzen (5, 6,; 7) anstellbar gela-
gert,
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4.1 ein Wechselrahmen 13 nimmt die Walzen 5, 6, 7 auf,
4.2 der Wechselrahmen 13 ist mit dem bedienungsseitigen Wal-
zenständer 4 wegbewegbar.
In dieser Merkmalsliste sind die im Patentanspruch 1 angegebenen fakultativen
Merkmale (insbes. Universal-Walzgerüst mit Horizontalwalzen und in Kassetten
angeordneten Vertikalwalzen) weggelassen und das Bezugszeichen für den be-
weglichen Walzenständer im Merkmal 4.2 berichtigt.
II.
1. Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur des Maschinen-
baus oder des Eisenhüttenwesens mit Erfahrungen in der Konstruktion von Walz-
werken anzusehen.
2. Unter dem bedienungsseitigen Walzenständer ist im Zusammenhang des
Streitpatents der von den Antriebseinrichtungen für die Walzen abgewandte Wal-
zenständer zu verstehen (Sp. 1 Z. 46 und 47).
Das Merkmal, dass der bedienungsseitige Walzenständer von dem anderen Wal-
zenständer wegbewegbar ist (Merkmal 2), bezieht sich auf die Arbeitsstellung des
Walzgerüstes gemäß Fig. 1, in der die Walzen in den Walzenständern gelagert
sind. Der Patentanspruch spezifiziert zwar nicht ausdrücklich, dass der antriebs-
seitige Walzenständer feststeht. Dies wird der Fachmann aber unterstellen, da die
Lehre des Streitpatents auf eine Vereinfachung des Walzenwechsels gerichtet ist
und eine Verschiebung des antriebsseitigen Walzenständers wegen der dort an-
greifenden Antriebseinrichtungen einen gewissen Aufwand erfordert und nach
dem Gesamtinhalt des Streitpatents nicht erforderlich ist.
Das Merkmal, dass ein Wechselrahmen die Walzen aufnimmt (Merkmal 4.1) be-
sagt in Verbindung mit dem Merkmal, dass die Walzen in den Walzenständern
gelagert sind (Merkmal 3), dass der Wechselrahmen die Walzen nur beim Wal-
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zenwechsel aufnimmt, wie es insbesondere im Zusammenhang mit der Figur 4
beschrieben ist (Sp. 4 Z. 41 bis Sp. 5 Z. 8). Außerhalb des Walzenwechsels ver-
bleibt er zwar im Walzgerüst. Dann sind aber die Walzen in den Walzenständern
gelagert und von den Ablagen (s. Pat.-Anspr. 3) abgehoben.
Das Merkmal, dass der Wechselrahmen mit dem bedienungsseitigen Walzenstän-
der wegbewegbar ist (Merkmal 4.2), besagt, dass der Wechselrahmen von dem
antriebsseitigen Walzenständer wegbewegbar ist und zwar zumindest soweit,
dass die Walzen von dem antriebsseitigen Walzenständer freikommen (s. Fig. 2
und zugehörige Beschreibung).
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten
Stand der Technik neu.
In der im Streitpatent zur Gattung des Patentgegenstandes genannten
WO 88/06 930 A1 (X2) ist ein Walzgerüst mit zwei zueinander parallelen Walzen-
ständern (frames 5) beschrieben, bei dem die Walzen in den Walzenständern
anstellbar gelagert sind und die Walzenständer zum Walzenwechsel voneinander
wegbewegbar sind (S. 1, S. 4 Abs. 2 und S. 5 Abs. 2). Die Merkmale 1 bis 3 aus
der vorstehend angegebenen Merkmalsgliederung zum Patentanspruch 1 des
Streitpatents sind somit bei dem in der Fig. 2 beschriebenen Walzgerüst vorhan-
den. Aus der Druckschrift ist es weiter bekannt, dass die Walzen zum Walzen-
wechsel von einem Wechselrahmen (spacer structure 15) aufgenommen werden
(Merkmal 4.1). Bei dem bekannten Walzgerüst werden zum Walzenwechsel beide
Walzenständer voneinander und von den Walzen und dem diese aufnehmenden,
am Ort verbleibenden Wechselrahmen wegbewegt (S. 5 Abs. 2, Fig. 2).
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ergibt sich aus der Druckschrift
nicht notwendigerweise ein Wechselgerüst, d. h., ein Walzgerüst, das zum Wech-
sel der Walzen komplett aus der Walzstraße herausgenommen und zum Walzen-
wechsel an einen Montageplatz versetzt wird. An keiner Stelle der Druckschrift ist
von einer Versetzung des Walzgerüstes die Rede und zwar auch dort nicht, wo
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einzelne Schritte beim Walzenwechsel angegeben werden. So folgt in der Be-
schreibung des Einsetzens eines Wechselrahmens mit neuen Walzen und des
Zusammenspannens mit den Walzenständern unmittelbar das Verbinden der En-
den der Horizontalwalzen mit den Antriebsspindeln (S. 2 letzter Abs. und S. 3
1. Abs.). Der Fachmann konnte also am Prioritätstag des Streitpatents der Druck-
schrift ein Walzgerüst entnehmen, bei dem der Walzenwechsel mittels eines
Wechselrahmens am Standort eines Walzgerüstes und nicht an einem besonde-
ren Montageplatz - nach Versetzen des Walzgerüstes - durchgeführt wird. Dem
steht nicht entgegen, dass in den Figuren 1 und 2 ausschließlich eine Lagerung
der Walzenständer über Rollen auf Schienen, aber keine Verankerung mit einem
Fundament dargestellt ist. Bei den Zeichnungen handelt es sich offensichtlich um
stark vereinfachte schematische Darstellungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Somit unterscheidet sich das Walzgerüst gemäß Patentanspruch 1 des Streitpa-
tents nur durch das Merkmal 4.2 von dem Stand der Technik gemäß der Druck-
schrift X2.
Die US-PS 4 907 437 (X7) betrifft ein Universal-Walzgerüst, bei dem die Horizon-
talwalzen (rolling rings 12) fliegend auf Wellen (shaft 41) gelagert sind. Dem
Walzgerüst fehlt somit ein zweiter Walzenständer. Demzufolge sind die Merkma-
le 1, 2, 3 und 4.2 der vorstehenden Merkmalsgliederung nicht vorhanden. In Über-
einstimmung mit dem Merkmal 4.1 werden die Horizontalwalzen zum Walzen-
wechsel in einem Wechselrahmen (universal device 13) aufgenommen (Sp. 2
Z. 39 bis 46 und 61 bis 65). Dieser Wechselrahmen ist von dem Walzgerüst bzw.
dem einzigen Walzenständer wegbewegbar, wobei ein nicht näher erläutertes In-
stallationssystem 15 verwendet wird (Sp. 2 Z. 32, 34 und 42).
Die JP 54-139866 A (X8, folgende Zitate beziehen sich auf die engl. Übersetzung)
betrifft ein Universalwalzwerk, bei dem der Abstand zwischen zwei parallelen Wal-
zenständern (drive side housing 4, operation side housing 5) verändert werden
kann, um Horizontalwalzen der erforderlichen Länge einsetzen zu können (S. 1
CLAIM, S. 2 Z. 3 bis 5). Dazu kann der bedienungsseitige Walzenständer mittels
eines hydraulischen Zylinders verschoben werden (Sp. 3 Z. 50 letzter Abs. i. V. m.
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S. 4 zweitletzter Abs.). Der Fachmann wird davon ausgehen, dass die Walzen in
den Walzenständern anstellbar gelagert sind. Der Druckschrift ist somit ein Stand
der Technik entnehmbar, wie er im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streit-
patents (Merkmale 1 bis 3) vorausgesetzt wird.
Das Auswechseln von Walzen ist im zweiten Absatz auf Seite 3 beschrieben.
Demnach werden die Vertikal-Walze und die Horizontal-Walze zur gleichen Zeit
entfernt, nachdem das vertikale Walzgerüst (10) geöffnet worden ist, oder es wer-
den eine Horizontal-Walzen-Einheit und eine Vertikal-Walzen-Einheit unter An-
wendung von C-Haken o. dergl. aus den Walzenständern (4, 5) entfernt. Die Of-
fenbarung eines die Walzen aufnehmenden Wechselrahmens i. S. d. Streitpatents
kann der Senat darin nicht erkennen. Somit unterscheidet sich der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die Merkmale 4.1 und 4.2 von dem
Stand der Technik gemäß der JP 54-139866 A.
Die erst nach dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlichte US-PS 5 497 644
(X10) nimmt die Priorität der dem italienischen Patent 1 220 852 (Anl. X9)
zugrunde liegenden Patentanmeldung in Anspruch und wurde von der Klägerin
zur Erläuterung der IT PS 1 220 852 (X9) genannt. In letzterer ist beschrieben,
dass zum Walzenwechsel komplette Walzgerüste ausgetauscht werden (s. Fig. 4
und 5 der X9 und X10). Damit ist aus dieser Druckschrift der in den Zeilen 39
bis 44 der Spalte 2 der Streitpatentschrift angesprochene Stand der Technik be-
kannt. Ein Wechselrahmen gemäß den Merkmalen 4.1 und 4.2 des Patentan-
spruchs 1 des Streitpatents ist in der Druckschrift dagegen nicht offenbart.
Gegenstand der EP 0 163 104 A2 (X11) ist ein Walzgerüst mit zwei zueinander
parallelen Walzenständern (1, 2) und in diesen anstellbar gelagerten Walzen
(Walzringe 15), bei dem der von den Antriebselementen des Walzgerüstes abge-
wandte Walzenständer (2) von dem anderen Walzenständer wegbewegbar ist. An
dem beweglichen Walzenständer sind Halteelemente (Tragbolzen 30) für die Wal-
zen bzw. Walzringe angeordnet, so dass diese zusammen mit dem Walzenstän-
der aus dem Walzgerüst herausgebracht werden können (S. 3 Abs. 3, S. 5 zweit-
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letzter Abs. bis S. 6 Abs. 2). Ein Wechselrahmen zur Aufnahme der Walzen ist
nicht offenbart.
Somit ist aus keiner der zum Stand der Technik aufgezeigten Druckschriften ein
Walzgerüst mit sämtlichen im Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen
Merkmalen bekannt.
4. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Gegenstand
des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht,
sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Der nächstliegende Stand der Technik wird durch die WO 88/06 930 A1 repräsen-
tiert. Auch wenn dies in der Druckschrift nur am Rande erwähnt wird, müssen of-
fensichtlich die Antriebsspindeln für die Walzen entfernt werden, um den antriebs-
seitigen Walzenständer vom Wechselrahmen wegbewegen zu können (im Abs. 1
S. 3 ist das Wiederverbinden der Antriebsspindeln erwähnt). Der Fachmann kann
zwar ohne weiteres erkennen, dass eine Vereinfachung des Walzenwechsels da-
durch erzielt werden kann, dass auf ein Verfahren des antriebsseitigen Walzen-
ständers verzichtet und zum Walzenwechsel nur der bedienungsseitige Walzen-
ständer von dem anderen Walzenständer wegbewegt wird. Es liegt auch auf der
Hand, dass der Wechselrahmen mit den Walzen zum Herausheben aus dem
Walzgerüst von beiden Walzenständern freigestellt sein muss. Daraus resultiert
aber nicht ohne weiteres eine Anregung dafür, den Wechselrahmen entsprechend
dem Merkmal 4.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents als mit dem bedie-
nungsseitigen Walzenständer wegbewegbar auszuführen. Da der Wechselrahmen
beim Auseinanderbewegen der beiden Walzenständer an seinem Platz verbleibt,
ist die unmittelbar naheliegende Lösung beim Übergang auf ein Walzgerüst, bei
dem nur der bedienungsseitige Walzenständer verfahrbar ist, dass auch dann der
Wechselrahmen zunächst an seinem Platz, d. h., am antriebsseitigen Walzen-
ständer verbleibt. Dies entspricht auch dem natürlichen Vorgehen beim Demontie-
ren von Strukturen, dass nämlich Teile nach und nach abgenommen werden.
Schließlich ist auch zu bedenken, dass der von beiden Walzenständern gelöste
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Wechselrahmen auf irgendeiner Unterlage abgestützt werden muss. Dazu ist in
der Entgegenhaltung ein Tisch 17 beschrieben. Ein solcher Tisch - bewegbar aus-
geführt -, böte sich zur Abnahme des Wechselrahmens mit den Walzen vom an-
triebsseitigen Walzenständer an. Nach alledem kann der Senat nicht ausschlie-
ßen, dass es ausgehend vom Stand der Technik nach der WO 88/06 930 A1 nicht
naheliegend war, ein Walzgerüst gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents vor-
zuschlagen.
Diese Sichtweise ändert sich auch nicht bei zusätzlicher Berücksichtigung der US-
PS 4 907 437 (X7, Fig. 7). Bei der daraus bekannten Vorrichtung tritt das Problem,
dass ein Wechselrahmen mit darin aufgenommenen Walzen von zwei Walzen-
ständern freigestellt werden muss, nicht auf. Der Wechselrahmen wird dort mittels
einer Montageeinheit 14 und eines Installationssystems 15 ausgetauscht, die
beide nicht näher erläutert sind.
Auch die JP 54-139 866 A (Anl. X8) vermittelt dem Fachmann keine Anregung
dafür, einen die Walzen aufnehmenden Wechselrahmen mit dem bedienungsseiti-
gen Walzenständer wegbewegbar auszuführen. Wie der Neuheitsvergleich erge-
ben hat, ist in dieser Druckschrift kein Wechselrahmen offenbart. Aber auch eine
Wegbewegbarkeit der Walzen mit dem bedienungsseitigen Walzenständer ist die-
ser Druckschrift nicht entnehmbar.
Das gilt auch für die IT-PS 1 220 852 (X9), denn gemäß dieser Druckschrift wer-
den offenbar komplette Walzgerüste zunächst an einen Montageplatz verbracht,
wo dann die Walzen ausgewechselt werden. Dort werden dann offenbar beide
Walzenständer voneinander und von den Walzen wegbewegt (Fig. 2). Dieser
Stand der Technik bleibt somit hinter dem zurück, was aus der
WO 88/06 930 A1 (X2) bekannt ist.
Schließlich ist auch in der EP 0 163 104 (X11) keine Anregung dafür zu finden, ein
Walzgerüst mit zwei parallelen Walzenständern und Wechselrahmen für die Wal-
zen so auszubilden, dass der Wechselrahmen mit dem bedienungsseitigen Wal-
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zenständer von dem anderen Walzenständer wegbewegbar ist. Der Kern der in
der Anl. X11 dargestellten Lehre besteht nämlich darin, den bedienungsseitigen
Walzenständer zum Wechsel der Walzen vom anderen Walzenständer wegzube-
wegen. Dabei verbleiben aber die Tragwellen am antriebsseitigen Walzenständer.
Auf diese Weise kann erreicht werden, dass nur die Walzringe ausgetauscht wer-
den, wozu am beweglichen Walzenständer mit den Walzringen verbindbare Hal-
telemente angeordnet sind (S. 3 Abs. 3, Anspruch 3). Zwar werden dort die Walz-
ringe mit dem beweglichen Walzenständer vom anderen Walzenständer wegbe-
wegt, jedoch wohl nur deshalb, weil dieser Walzenständer gleichzeitig Halterah-
men für die Walzringe ist und mit diesen ausgetauscht wird (Fig. 4 und 5).
In dem in der EP 0 163 104 (X11) beschrieben Tragwagen 18, der zum Verfahren
des beweglichen Walzenständers dient und der Tragbolzen aufweist, die als Hal-
teelemente für die Walzringe bzw. die Lager oder Achsen der Walzringe dienen
(S. 6 Abs. 2, Fig. 3), mag zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit der Vorrichtung nach
der US-PS 4 907 437 (X7) gesehen werden , denn in beiden Fällen werden Walz-
ringe von Tragwellen nach einer Seite abgezogen. Aus den Druckschriften erge-
ben sie aber weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau eine Anregung dafür,
bei einem Walzgerüst mit parallelen Walzenständern einen Wechselrahmen mit
einem beweglichen Walzenständer wegbewegbar auszuführen. In beiden Entge-
genhaltungen ist eine Hilfsvorrichtung vorgesehen, in der Anl. X7 die Montageein-
heit und das Installationssystem und in der Anl. X11 der Tragwagen. Bei der
Anl. X7 gibt es dann noch den Wechselrahmen 13 und in der Anl. X11 den Wal-
zenständer 2. Eine Veranlassung dafür, einen Walzenständer und einen separa-
ten, aber mit dem Walzenständer bewegbaren Wechselrahmen zur Aufnahme der
Walzen vorzusehen, kann der Senat in keiner der beiden Druckschriften erkennen.
Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass der Gegenstand des Patentan-
spruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die Unteransprüche haben aus den genannten Gründen ebenfalls Bestand.
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Auf die von der Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung des Patentansprüche
kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709
Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Schülke Dr.
Pösentrup
Frühauf
Zimmerer
Hilber
Pr