Urteil des BPatG vom 10.10.2007

BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, fonds, gebäude, patent, verkehr, gesamteindruck, form, nummer, herkunft

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 136/07
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 25 788
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 28. Juli 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Bender und
der Richter Kätker und Knoll
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 10. Oktober 2007 aufgehoben, soweit der Wider-
spruch aus der Marke IR 572 268 zurückgewiesen worden ist.
Wegen dieses Widerspruchs wird die Löschung der angegriffenen
Marke 302 25 788 angeordnet.
G r ü n d e
I .
Die am 24. Mai 2002 angemeldete Wortmarke
Amax
ist am 31. Januar 2003 unter der Nummer 302 25 788 für folgende Dienstleistun-
gen der Klassen 35, 36 und 42 in das Markenregister eingetragen worden:
Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Unter-
nehmensberatung; Vermittlung und Abschluss von Handelsge-
schäften für andere, insbesondere betreffend Immobilien; Ver-
mittlung von Unternehmensbeteiligungen, Vermögensanlagen,
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Effekten und Fonds; Effektenvermittlung; Vermögensverwaltung;
Vermittlung von Vermögensanlagen; Vermittlung von gewerbli-
chen und privaten Unternehmensbeteiligungen; Kreditberatung
und -vermittlung; Immobilienverwaltung; Vermittlung und Finanzie-
rung von Immobilien; Investmentgeschäfte; Beratung und Beglei-
tung von finanziellen Emissionen; Immobilien- und Hypotheken-
vermittlung; Grundstücks- und Hausverwaltung; Bau- und Kon-
struktionsplanung; technische und finanzielle Objektplanung und
Projektbeteiligung.
Nach Veröffentlichung der Eintragung am 7. März 2003 hat hiergegen die Wider-
sprechende mit dem am 14. Mai 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt
eingegangenen Schriftsatz Widerspruch eingelegt aus der seit 11. Septem-
ber 1992 international unter der Nummer IR 572 268 registrierten Wortmarke
APAX
,
der seit 1. Dezember 1992 auch für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland
Schutz für folgende Waren und Dienstleistungen bewilligt ist:
Klasse 16:
Imprimés et publications en tous genres.
Klasse 35:
Aide aux entreprises induestrielles ou commerciales dans la
conduite de leurs affairs; consultations pour la direction des affai-
res; estimations, évaluations et expertises en affaires, investiga-
tions et recherches pour les affaires, renseignements d'affaires;
services de conseils pour l'organisation et la direction des affaires;
agences d'informations commerciales; conseils et consultations en
matière de management, de stratégie, d'organisation et de gestion
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d'entreprises et du personnel, conseils et consultations en matière
de formation et de recrutement de personnel en tant que services
liés au recrutement de personnel; études et recherches de mar-
ché.
Klasse 36:
Services de financement, opérations financières et de prêt,
transactions financières; activités d'investissement en tous genres
et notamment en fonds propres; ingénierie financière; services liés
à la transmission, à la fusion et à l'acquisition d'entreprises, sous
toutes formes; recherches, sélection, études et conseils en ma-
tière d'investissements; estimations financières, fiscales et immo-
bilières; courtage; évaluations, estimations et gérance de biens
immobiliers et d'immeubles; analyses financières; affermage de
biens immobiliers; affacturage, affaires financières et monétaires;
constitution, placement et gestion de fonds, gestion de fonds
communs de placement à risques, constitution et investissement
de capitaux, activité de capital-risque, capital-investissement et
capital-développement.
Klasse 41:
Services de formation, d'instruction et d'enseignement.
Klasse 42:
Services de sélection du personnel par procédés psychotechni-
ques; Services de consultations techniques et expertises (travaux
d’ingénieurs).
Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in ei-
nem Beschluss durch einen Beamten des höheren Dienstes neben der Feststel-
lung in Bezug auf einen weiteren Widerspruch, dass dieser mangels Zahlung der
Widerspruchsgebühr als nicht erhoben gilt, den Widerspruch aus der oben be-
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zeichneten Marke „APAX“ zurückgewiesen. Zwischen den Vergleichswaren sei
zwar zumindest teilweise eine hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehen-
den Dienstleistungen gegeben, soweit diese nicht sogar im Einzelfall identisch
seien. Eine abschließende Klärung nach dem genauen Umfang und Grad der
Überschneidungen erübrige sich jedoch, weil die Vergleichsmarken keine marken-
rechtlich relevante Ähnlichkeit aufwiesen und deshalb aus diesem Grund auch
keine Verwechslungsgefahr bestehe. Zwar kämen die Marken sich insofern ver-
gleichsweise nahe, da sie in drei von vier Buchstaben bzw. Lauten und auch in der
Silbenzahl und Vokalfolge übereinstimmten. Sowohl in schriftbildlicher als auch in
klanglicher Hinsicht stelle jedoch die Abweichung im zweiten Buchstaben bzw.
Laut einen ausreichenden Abstand her, zumal es sich um kurze Markenwörter
handele, bei denen Unterschiede besonders ins Gewicht fielen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die Markenstelle
habe die Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken zu Unrecht ver-
neint. Die Widerspruchsmarke könne einen deutlich erweiterten Schutzumfang
beanspruchen. Schon von Hause aus genieße sie zumindest einen durchschnitt-
lichen Schutzumfang. Da die Widerspruchsmarke seit vielen Jahren in erhebli-
chem Umfang für Finanzdienstleistungen, insbesondere auf dem Private Equity
Sektor benutzt werde, verfüge sie sogar über eine deutlich erhöhte Kennzeich-
nungskraft und genieße einen deutlich erweiterten Schutzumfang. Die Umsätze
hätten jährlich mindestens … Euro betragen mit stark steigender Tendenz,
zuletzt … Euro im Jahr 2006. Die Widersprechende betreue hohe Milliarden-
beträge in Form von Einlagen von privaten und institutionellen Anlegern. Zahlrei-
che der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen in Klasse 35 und 36 seien
identisch oder hochgradig ähnlich. Ausgehend von diesen Faktoren sei ein erheb-
licher Zeichenabstand zu fordern, der nicht eingehalten sei. Die Vergleichsbe-
zeichnungen stimmten in der Silbenzahl, der Vokalfolge und dem starken
Schlusskonsonanten „X“ überein. Selbst wenn man die Zeichen als Kurzwörter
einstufen würde, wäre der Unterschied mit einem Buchstaben in der Wortmitte in
klanglicher Hinsicht nicht ausreichend. Denn der Gesamteindruck der Vergleichs-
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bezeichnungen werde phonetisch vorwiegend durch den übereinstimmenden
Wortanfang, den prägnanten Schluss „AX“ und die gemeinsame Vokalfolge ge-
prägt. Auch in schriftbildlicher Hinsicht stimmten die Marken weitgehend überein.
Die Widersprechende beantragt,
dem Widerspruch stattzugeben und die Löschung der Eintragung
der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin hat im Beschwerdeverfahren keine Schriftsätze eingereicht
und keine Anträge gestellt. Sie hatte sich auch im Widerspruchsverfahren vor der
Markenstelle nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie
form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG. Sie hat auch
in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Ver-
gleichsmarken Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Der schriftsätzlich gestellte Antrag der Widersprechenden war sachgerecht dahin-
gehend auszulegen, dass die Widersprechende entsprechend der Entscheidungs-
praxis der Senate des Bundespatentgerichts die Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses der Markenstelle und die Löschung der angegriffenen Marke begehrt.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist
unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.
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Dabei ist unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr von einer Wechsel-
wirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistun-
gen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der pri-
oritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähn-
lichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlich-
keit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren
Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rechtspr., vgl. u. a. EuGH
GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) „Sabèl/Puma“; GRUR 2005, 1042 (Nr. 27)
„THOMSON LIFE“; BGH GRUR 2008, 905 (Nr. 12) - Pantohexal). Es ist grund-
sätzlich auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen,
wobei insbesondere ihre kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente
zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsge-
fahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnitts-
verbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH Mitt. 2006, 512
- LIFE/THOMSON, GRUR 2008, 343 - BAINBRIDGE/Bridge, Nr. 33). Dies sind
vorliegend teilweise die allgemeinen Verkehrskreise, überwiegend jedoch Fach-
verkehrskreise aus dem Bereich der Wirtschaft.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist von der
Registerlage auszugehen. Demzufolge sind beim Waren- und Dienstleistungs-
vergleich auf Seiten der Widerspruchsmarke sämtliche für die Marke geschützten
Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen.
Eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese
unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander
kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieb-
lichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwen-
dungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart
als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistun-
gen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe -
so enge Berührungspunkte aufweisen, dass der Verkehr der Meinung sein könnte,
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sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, so-
fern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind
(vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 90 i. V. m. 49; HK-MarkenR,
2. Aufl., § 9 Rdn. 51 ff., jeweils mit zahlreichen Nachweisen).
Nach diesen Grundsätzen besteht nach der Erkenntnis des Senats teilweise Iden-
tität und im Übrigen zumindest eine mittlere Ähnlichkeit zwischen sämtlichen
Dienstleistungen der angegriffenen Marke aus den Klassen 35, 36 und 42 und den
Dienstleistungen der Widerspruchsmarke. Die jeweils in den Klassen 35 und 36
gegenüberstehenden Dienstleistungen sind weitgehend identisch und im Übrigen
hochgradig ähnlich. Auch zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke
aus der Klasse 42, nämlich „Bau- und Konstruktionsplanung; technische und fi-
nanzielle Objektplanung und Projektbeteiligung“ und den Dienstleistungen der Wi-
derspruchsmarke „évaluations et estimations de biens immobiliers et d'immeubles
(Gebäude- und Immobilienschätzung)“ bestehen deutliche Überschneidungen. Es
kann bei diesen Vergleichsdienstleistungen jeweils um Gebäude bzw. Immobilien
gehen. Die Ausbildung der jeweiligen Dienstleister kann gleich oder ähnlich sein.
Das technische Fachwissen, das bei der „Bau- und Konstruktionsplanung und der
technischen und finanziellen Objektplanung und Projektbeteiligung“ erforderlich
ist, wird nämlich in gewissem Umfang auch bei der „Gebäude- und Immobilien-
schätzung“ benötigt. Auch insoweit werden nicht nur das Fachwissen und die
Marktkenntnisse der Immobilienkaufleute benötigt, sondern zur umfassenden Be-
wertung - insbesondere von Gebäuden - auch das technische Fachwissen von
Architekten und Bauingenieuren. Rein tatsächlich bestehen auch entsprechende
Überschneidungen bei den Anbietern entsprechender Dienstleistungen. Im Übri-
gen wird auch der Verkehr angesichts der vorstehend dargestellten Überschnei-
dungen von einer gleichen betrieblichen Herkunft der Vergleichsdienstleistungen
ausgehen, wenn sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind. Angesichts die-
ser Faktoren muss zumindest eine mittlere Ähnlichkeit zwischen diesen Ver-
gleichsdienstleistungen bejaht werden.
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Der Widerspruchsmarke als Fantasiebezeichnung kommt normale Kennzeich-
nungskraft zu. Es kann dahinstehen, ob die Kennzeichnungskraft - wie behauptet -
durch umfangreiche Benutzung eine Steigerung erfahren hat, da auch bei lediglich
normaler Kennzeichnungskraft eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.
Ausgehend von der Identität bzw. Ähnlichkeit der Vergleichsdienstleistungen und
einer zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke haben
die Vergleichsmarken zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr größtenteils
einen sehr deutlichen, im Bereich der mittleren Dienstleistungsähnlichkeit zumin-
dest noch einen mittleren Markenabstand zu wahren, der in klanglicher Hinsicht
nicht mehr eingehalten ist. Die Vergleichsbezeichnungen stimmen bei gleicher
Silbenzahl und gleichem Sprechrhythmus in der Vokalfolge, im Anfangsvokallaut
„A“ und in den klangstarken Schlusslauten „AX“ überein. Die Vergleichsbezeich-
nungen sind zwar mit vier Buchstaben bzw. Lauten und zwei Sprechsilben relativ
kurz und unterscheiden sich bei isolierter Betrachtungsweise im konsonantischen
Anlaut der zweiten Silbe „m“ gegenüber „p“. Dieser Unterschied wird jedoch deut-
lich überlagert durch die übereinstimmenden Vokallaute „A“ und insbesondere
auch durch den sehr auffälligen Schlusslaut „X“, der ähnlich wie „ks“ ausgespro-
chen wird und einen der klangstärksten konsonantischen Laute überhaupt dar-
stellt. Der durch die Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck wird insbesondere
durch die vorgenannten übereinstimmenden kennzeichnungskräftigen und domi-
nierenden Elemente geprägt. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang noch
den allgemein anerkannten Erfahrungssatz, dass der Verkehr die Vergleichszei-
chen regelmäßig nicht nebeneinander wahrnimmt, sondern seine Auffassung nur
aufgrund einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der verschiedenen Marken
gewinnt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 179 mit zahlreichen
Nachweisen), ist nach Erkenntnis des Senats vorliegend trotz der Kürze der Ver-
gleichsbezeichnungen ein ausreichender Markenabstand nicht mehr gewahrt, so
dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.
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Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
(§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Bender
Kätker
Knoll
Cl